Charlotte Dravet beschrieb 1978 erstmalig die schwere myoklonische Epilepsie des Kleinkindalters. Diese Epilepsie beginnt meist in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres mit generalisierten oder hemiklonischen Anfällen, die häufig durch Fieber getriggert werden und prolongiert (Status epilepticus) sind. Ab dem 2. Lebensjahr kommen meist myoklonische Anfälle und atypische Absencen dazu. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die kindliche Entwicklung normal, stagniert aber dann oder ist regredient. Das Dravet-Syndrom ist den epileptischen Enzephalopathien zugeordnet. Für die kognitive Einschränkung scheinen insbesondere die rezidivierend auftretenden Status epileptici mitverantwortlich zu sein. Im Verlauf der Jahre nimmt die anfänglich oft hohe Anfallsfrequenz ab. Bei 10 % der Fälle besteht im Erwachsenenalter Anfallsfreiheit, aber Ataxie, Bewegungs- und autonome Funktionsstörungen können hinzukommen.
Das Dravet-Syndrom gehört mit einer Inzidenz von 1 : 15.700 zu den seltenen Erkrankungen. Bei ca. 75 % der Betroffenen liegt eine Mutation (oder Copy Number Variation) im SCN1A-Gen vor, das den Natriumkanal kodiert. Daher sollen keinesfalls Natriumkanalblocker (Carbamazepin, Oxcarbazepin, Phenytoin, Lamotrigin u. a.) in der antikonvulsiven Therapie verwendet werden, da hierunter Anfalls- und v. a. Statuszunahme beobachtet wird. Häufig werden Valproinsäure, Clobazam, Topiramat oder Stiripentol meist in Kombinationstherapie eingesetzt. Ein weiteres Antikonvulsivum (Fenfluramin) steht vor der Zulassung. Auch Brom kommt zur Anwendung. Seit 2019 ist orales medizinisches Cannabidiol in Kombination mit Clobazam für die Behandlung von Anfällen bei Dravet-Syndrom zugelassen.
Als zusätzliche nichtmedikamentöse Therapie steht die ketogene Diät zur Verfügung. Da Anfallsfreiheit meist nicht erreicht wird, ist das Therapieziel, keine Status epileptici und möglichst geringe Anfallsfrequenz bei keinen oder tolerablen Nebenwirkungen zu erreichen. Besonderes Augenmerk sollte auf nächtliche Anfälle gelegt werden, da diese ein Risikofaktor für plötzlichen, unerwarteten Tod bei Epilepsie-Patient:innen (SUDEP) sind. Dies ist inzwischen die häufigste Todesursache bei Jugendlichen mit Dravet-Syndrom, nachdem die Anzahl der Status-Todesfälle durch das Weglassen von Natriumkanalblockern deutlich reduziert werden konnte.
Durch die Identifizierung verschiedener SCN1A-Gendefekte, die dem Dravet-Syndrom und dem verwandten Syndrom der generalisierten Anfälle mit Fieberkrämpfen plus (GEFS plus) zugrunde liegen, kann die Therapie jetzt präzise gestaltet werden. Die Mortalität und das Ausmaß der kognitiven Beeinträchtigung konnten dadurch signifikant gesenkt werden. Die früher als Impfschaden eingestuften Kinder mit Epilepsie und Entwicklungsverzögerung (bei Impfung im Säuglingsalter) konnten fast ausschließlich als SCN1A-bedingte Dravet-Syndrome identifiziert werden, bei denen unter der Impfung (meist erstmalig) Fieber aufgetreten war und damit der erste Anfall getriggert wurde. Der Verlauf der Erkrankung beginnt damit früher, unterscheidet sich aber nicht von den spontan beginnenden Verläufen.
Das Dravet-Syndrom betrifft natürlich nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene. Hierbei sollte besonderes Augenmerk auf ältere Erwachsene mit Epilepsie und geistiger Retardierung gelegt werden, die nach einer Impfung oder mit Fieberkrämpfen oder -status begonnen hat. Eine genetische Untersuchung auf SCN1A kann auch hier neurologische Präzisionsmedizin ermöglichen.