Nach längerer Zeit wurde 2019 in Österreich ein neues Progestogen-Präparat (POP) – und zwar mit 4 mg Drospirenon (DRSP, Lyzbet®) – zugelassen, das antimineralokortikoide und antiandrogene Eigenschaften aufweist. Das Einnahmeschema mit 24 DRSP- und 4 Placebo-Tabletten wurde gewählt, um die Blutungskontrolle gegenüber herkömmlichen POP zu verbessern. Der antimineralokortikoide Effekt führt aufgrund der Blockierung des Aldosteron-Rezeptors zu einer verstärkten Na+– und Wasser-Exkretion in den Nieren, was den beobachteten, leicht antihypertensiven Effekt bei Frauen mit einem leicht erhöhten Blutdruck betrifft. Die antiandrogene Wirkung wird durch eine partielle Androgen-Rezeptor-Blockierung in der Haut sowie eine Verringerung der ovariellen Androgen-Produktion erreicht (Abb.).
Der große Vorteil von POP ist das in vielen Studien nachgewiesene reduzierte Risiko bezüglich venöser thromboembolischer Ereignisse (VTE) im Vergleich zu kombinierten Kontrazeptiva (COC). Ein Nachteil der alleinigen Progestogen-Verabreichung liegt in der üblicherweise eher schlechten Zykluskontrolle mit Blutungs- und Spotting-Episoden und im normalerweise sehr akkurat einzuhaltenden Einnahmezeitpunkt, da es ansonsten zu Effizienzverlusten kommt.
Wirksamkeit und Nebenwirkungen: Die empfängnisverhütende Wirksamkeit von DRSP 4 mg wurde in drei großen klinischen Phase-III-Studien demonstriert, und die gepoolte Analyse ergab einen Gesamt-Pearl-Index von 0,73.1–3 Aufgrund der langen Halbwertszeit von DRSP (ca. 30–34 Stunden) bleibt die Wirksamkeit des Präparats selbst bei einmaligem Vergessen der Pilleneinnahme bis zu 24 h erhalten. Während des klinischen Entwicklungsprogramms von DRSP 4 mg (> 25.000 Zyklen) gab es keinen einzigen Bericht über ein VTE und auch keine arteriellen Thromboembolien, Myokardinfarkte oder Schlaganfälle, obwohl eine signifikante Anzahl an Teilnehmerinnen Risikofaktoren wie erhöhtes Alter, erhöhten BMI oder Rauchen hatte; in den USA wiesen 41,9 % und in den beiden anderen Studien 16,3 % bzw. 16,9 % einen Risikofaktor auf. Größere epidemiologische Untersuchungen dieser insgesamt doch sehr seltenen Nebenwirkungen werden die ersten klinischen Daten jedoch noch erhärten müssen. Das Auftreten von Entzugsblutungen (definiert als Blutung während des 4-tägigen hormonfreien Intervalls von DRSP) wurde am häufigsten während des ersten Zyklus beobachtet und nahm mit der Zeit ab. Nach einer 9-monatigen Anwendung beobachtete man Entzugsblutungen nur noch bei weniger als 20 % der Probandinnen. Die durchschnittliche Anzahl an Tagen mit Blutungen oder Schmierblutungen betrug in der DRSP-Gruppe im Vergleich zur Desogestrel-Gruppe während der Zyklen 2 bis 4 insgesamt 13,1 ± 13,0 bzw. 16,9 ± 16,9 Tage (p = 0,0149). Die durchschnittliche Anzahl an Tagen mit Blutungen oder Schmierblutungen während der Zyklen 7 bis 9 betrug 9,7 ± 10,4 bzw. 10,8 ± 13,3 Tage.
Ein weiteres 2021 eingeführtes kombiniertes Kontrazeptivum (COC, Drovelis®) ist eine Kombination von DRSP mit Estetrol (E4), einem natürlichen Östrogen, das in der fetalen Leber produziert wird. Dabei handelt es sich um den ersten bekannten natürlichen Östrogen-Rezeptor-Modulator, der nur mit dem nukleären Östrogen-Rezeptor interagiert und nicht mit dem membranständigen.5 Im Vergleich zu anderen Östrogenen zeigte das schwache Östrogen Estetrol in klinischen Studien eine auffallend geringe Wirkung auf die Produktion von Gerinnungs- und Fibrinolysefaktoren durch die Leber. Deswegen könnte Estetrol ein geringeres Risiko für VTE aufweisen.5–6 Estetrol induziert eine Proliferation des Endometriums, die klinisch allerdings sehr viel schwächer als bei Estradiol ist.6 Estetrol ist ein Endprodukt des Steroidmetabolismus und wird nicht über Cytochrom-P450-Enzyme metabolisiert. Daher könnte es im Vergleich zu anderen Östrogenen auch weniger Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln aufweisen. Das Hormon hat eine vergleichsweise lange Halbwertszeit (ca. 24 h) sowie eine hohe Bioverfügbarkeit von 90 Prozent. Die Ausscheidung erfolgt hauptsächlich über den Urin.6
Wirksamkeit und Nebenwirkungen: Phase-II-Studien bezüglich der Entwicklung zu einem COC (Drovelis®) von Estetrol in Kombination mit DRSP zeigten erfolgversprechende Effekte auf Hämostase-Parameter und Lipid- bzw. Glukose-Stoffwechsel. Deshalb wurden zwei große multizentrische Studien zur kontrazeptiven Wirksamkeit und Sicherheit in Europa und den USA durchgeführt, die einen exzellenten Pearl-Index von 0,44 ergaben. Die kontrazeptive Wirkung beruht primär auf der Ovulationshemmung, für die vor allem das DRSP verantwortlich ist. Estetrol dient hingegen vorrangig der Zyklusstabilisierung, also um unerwünschte Blutungen zu verhindern, und es zeigte sich eine ähnlich niedrige Rate an Zwischenblutungen oder Spottings wie bei herkömmlichen COC mit Ethinylestradiol.7
Die Rate an behandlungsbedingten Studienabbrüchen aufgrund von Nebenwirkungen war gering, und Drovelis® zeigte eine gute Verträglichkeit. Die EMA geht aufgrund der geringen Effekte bei den Surrogat-Markern davon aus, dass es bei dieser Kombination mit einem natürlichen Östrogen möglicherweise im Vergleich zu bisherigen EE/DRSP oder EE/LNG zu einem geringeren Thromboserisiko kommen könnte, was aber ebenfalls noch in Phase-IV-Studien gezeigt werden muss.