Ein häufiges Phänomen

Physiologische Veränderungen und Änderungen der psychosozialen Situation im Rahmen des Alterungsprozesses begünstigen Ernährungsprobleme und Mangelernährung. Die Ursachen einer Mangelernährung sind multifaktoriell und die klinischen Konsequenzen sehr vielfältig. Häufig finden sich bei Betroffenen eine verminderte Lebensqualität, verringerte Autonomie, gesteigerte Morbidität im Rahmen anderer Grunderkrankungen bis hin zur erhöhten Mortalität. Mangelernährung stellt hier auch einen wichtigen Risikofaktor für die Entwicklung „geriatrischer Syndrome“ dar. Dazu zählen Stürze, ein erhöhtes Risiko, ein Delir zu entwickeln, aber auch die Verstärkung einer Inkontinenz oder unerwünschte Folgen bei Polypharmazie.

Formen der Mangelernährung

Unter Mangel- oder auch Fehlernährung wird grundsätzlich eine unzureichende Aufnahme an Energie und/oder Nährstoffen verstanden. Im ernährungstherapeutischen Management geriatrischer Patient:innen können beide Formen, die qualitative und die quantitative Mangelernährung – unabhängig vom Ausgangsgewicht – beobachtet werden. Bei der qualitativen Mangelernährung kommt es zu einem Defizit in der Nährstoffaufnahme, während bei der quantitativen Mangelernährung die Energieaufnahme eingeschränkt ist. Beide Formen werden durch Faktoren wie altersbedingte Funktionseinschränkungen und Multimorbidität beeinflusst.

Risikomanagement und Früherkennung

Um ein Mangelernährungsrisiko vorzeitig zu erkennen oder aber Betroffene möglichst frühzeitig zu identifizieren, empfiehlt es sich, bei zuhause lebenden älteren Personen regelmäßig ein niederschwelliges Screening auf Mangelernährung durchzuführen (z.B. mithilfe des Mini-Nutritional-Assessment-Tools). Dieses sollte zumindest 1-mal jährlich sowie im Falle von Risikogruppen in regelmäßigen Abständen von 1 bis 3 Monaten angewendet werden. Beleuchtet werden zumeist Faktoren wie Gewichtsverlust (ungewollt, plötzlich), Appetit und Nahrungsaufnahme, Mobilität und Beweglichkeit sowie anthropometrische Daten (Größe, Gewicht oder alternativ Wadenumfang).

Sofern im Rahmen des Screenings ein positives Ergebnis für eine Mangelernährung oder ein Risiko vorliegt, sollte ein Ernährungsassessment angeschlossen werden, in dem die Ursachen genauer evaluiert und Interventionen geplant werden. Dieses Assessment sowie die Planung, Umsetzung und Begleitung der Intervention wird in der Regel von Fachpersonen wie Diätolog:innen durchgeführt.

Ernährungstherapeutische Maßnahmen

Die konkrete Umsetzung ernährungstherapeutischer Maßnahmen sollte sich in der Praxis grundsätzlich an dem in der Abbildung dargestellten Handlungsalgorithmus orientieren, wobei je nach Ausgangssituation unterschiedliche Interventionen notwendig sind. Im Vordergrund steht hier die orale Nahrungszufuhr. Bei Risiko einer zu geringen Zufuhr wird im Zuge eines Ess-/Trinkprotokolls die IST-Zufuhr erhoben und bei einem Defizit die nächsten Schritte eingeleitet. Dazu zählt die Adaptierung der vorliegenden Ernährungsweise basierend auf Vorlieben, Geschmack und Verträglichkeit der Patient:innen und bei Bedarf eine Konsistenzadaptierung.

Abb.: Handlungsalgorithmus ernährungstherapeutische Interventionen

Im nächsten Schritt werden Speisen und Getränke mit Energie- und/oder Eiweißzulagen angereichert sowie eine energie- und eiweißdichte Lebensmittelauswahl z.B. durch fettreiche Milchprodukte, energiereiche Getränke sowie gehaltvolle Zubereitungsarten empfohlen. Zudem gibt es spezifische Supplemente wie Maltodextrin oder Proteinpulver, die zur Anpassung der Energie- und/oder Nährstoffzufuhr eingesetzt werden können. Wird trotz bisher gesetzter Maßnahmen keine bedarfsdeckende Ernährung erreicht, kommen additive Ernährungsformen wie Trinknahrungen zum Einsatz. Erst als letzte Konsequenz wird im multidisziplinären Team der Einsatz einer additiven oder ausschließlich enteralen und/oder parenteraler Ernährung in Betracht gezogen.

Praxismemo

  1. Mangelernährung bezeichnet eine unzureichende Aufnahme an Energie und/oder Nährstoffen.
  2. Zuhause lebende ältere Personen sollten regelmäßig einem Mangelernährung-Screening unterzogen werden.
  3. Ernährungstherapeutische Maßnahmen beginnen bei der oralen Nahrungszufuhr und werden ggf. schrittweise angepasst.