Ein unliebsamer Begleiter

Etwa einer von 6 Menschen leidet gerade an Kopfschmerzen. Die geschätzte globale Prävalenz aller primären Kopfschmerzarten zusammengenommen liegt bei 52 %, wobei der Kopfschmerz vom Spannungstyp mit 26 % die häufigste Form ist, gefolgt von Migräne mit 14 %. Ein nicht unerheblicher Anteil von 4,6 % ist an mehr als 15 Tagen/Monat von Kopfschmerz betroffen.1 Studien zufolge wird die Lebenszeitprävalenz für Kopfschmerzen vom Spannungstyp sogar mit bis zu 80 % angegeben. Insbesondere Patient:innen mit chronischem Kopfschmerz erfahren eine deutliche Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität.2, 3 Die Krankheitslast und die sozioökonomische Bedeutung ist somit hoch.1–3

Kopfschmerzarten

Kopfschmerzen lassen sich in primäre und sekundäre Kopfschmerzen unterteilen, die sich in Intensität und Lokalisation des Schmerzes unterscheiden. Während bei den sekundären Kopfschmerzen der Kopfschmerz als Symptom zu verstehen ist und eine zugrunde liegende Ursache (z. B. Trauma/Verletzung, medikamenteninduziert) oder Erkrankung (z.B. Hypertonie, Infektion, psychiatrische Störung) vorliegt, ist der primäre Kopfschmerz als eigenständige Erkrankung zu sehen. Laut der ICHD-3-Klassifikation der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft unterscheidet man den Kopfschmerz vom Spannungstyp, Migräne, die trigemino-autonomen Kopfschmerzerkrankungen (hier v. a. der Clusterkopfschmerz) sowie andere primäre Kopfschmerzen, die sich alle in mehrere Subtypen unterteilen.3 Aufgrund der Komplexität des Themas und der großen Zahl an Betroffenen wird der Fokus im Folgenden auf den Kopfschmerz vom Spannungstyp gelegt.

Kopfschmerz vom Spannungstyp

Beim Kopfschmerz vom Spannungstyp unterscheidet man den selten auftretenden episodischen Typ, den häufig auftretenden episodischen Typ sowie den chronischen Kopfschmerz vom Spannungstyp. Bei den ersten 2 Typen hat die Aufteilung den Hintergrund, dass häufig auftretende episodische Kopfschmerzen vom Spannungstyp mit einer ausgeprägten Beeinträchtigung einhergehen können, die eine medikamentöse Therapie erfordern. Hingegen ist beim selten auftretenden Typ, der in der Allgemeinbevölkerung sehr weit verbreitet ist, üblicherweise keine medizinische Behandlung erforderlich; trotzdem ist eine Klassifikation dieses Kopfschmerztyps möglich. Der chronische Kopfschmerz vom Spannungstyp ist eine ernsthafte Erkrankung, welche die Lebensqualität erheblich einschränkt und häufig zu deutlichen Beeinträchtigungen führt. Die Ursachen für den Kopfschmerz vom Spannungstyp wurden früher als primär psychischer Natur gesehen, während neuere Studien den Schluss nahelegen, dass zumindest für die schwereren Formen neurobiologische Grundlagen bestehen.3

Diagnose

Zur Diagnose des Kopfschmerzes vom Spannungstyp sollen die ICHD-3-Kriterien angewendet werden.3 Die Diagnosestellung erfordert einen unauffälligen neurologischen Befund in der Anamnese und den Ausschluss sekundärer Kopfschmerzerkrankungen. Beginn, Dauer, Häufigkeit und Intensität der Kopfschmerzen sowie Begleitsymptome und Dauer der einzelnen Attacken sind zu erfassen. Zur Differenzierung der episodischen und chronischen Form ist ein Kopfschmerztagebuch empfehlenswert. Wichtigste Differenzialdiagnose unter den primären Kopfschmerzen ist die Migräne, die vor allem bei fehlender oder geringer vegetativer Begleitsymptomatik im Einzelfall erschwert sein kann. Hier ist besonders die fehlende Zunahme bei körperlicher Anstrengung bzw. die fehlende Rückzugstendenz als sicheres Abgrenzungsmerkmal zu sehen.2

Behandlung

Akuttherapie

Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Ibuprofen sind am besten untersucht und die Mittel der ersten Wahl beim Kopfschmerz vom Spannungstyp, aber alle klassischen Analgetika oder nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) sind möglich (Tab.).2

Tab.: Dosierungen und Studienlage zum Einsatz von Analgetika/NSAR beim Kopfschmerz vom Spannungstyp2

Ein kürzlich publizierter systematischer Review mit Metaanalyse verglich Paracetamol und Ibuprofen und fand keinen statistisch signifikanten Unterschied hinsichtlich der Wirksamkeit beider Substanzen. In die Analyse wurden 14 Studien mit insgesamt 6.521 Patient:innen eingeschlossen. Die Autor:innen weisen darauf hin, dass bei Patient:innen mit Niereninsuffizienz oder Risikofaktoren für gastrointestinale Blutungen Paracetamol als bevorzugte Option überlegt werden kann.4 Bei dieser Substanz sollte aber die geringe therapeutische Breite und deren potenziell hepatotoxische Wirkung bedacht werden, da bereits das 2,5-Fache der Tageshöchstdosis unbehandelt zu schweren, vielfach tödlichen Leberzellnekrosen führen kann.5 Eine andere rezente Metaanalyse fand die höchste Rate an Schmerzfreiheit nach 2 Stunden für Ibuprofen (91,7 %), gefolgt von Diclofenac (83,3%), Ketoprofen (58,9 %), Paracetamol (42,8 %) und Naproxen (21,8 %). Diese Arbeit berücksichtigte allerdings nur 6 Studien mit insgesamt 3.507 Patient:innen.6Leitliniengemäß können in der Akuttherapie auch Kombinationspräparate (Analgetika oder NSAR mit Koffein) eingesetzt werden. Die Kombination von Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Koffein ist insgesamt am besten untersucht. Kombinationen sind zwar besser wirksam, aber auch mit mehr Nebenwirkungen verbunden, weshalb zuerst die Monopräparate versucht werden sollten. Wegen der Gefahr von Kopfschmerzen durch Medikamentenübergebrauch sollte die Höchsteinnahme von 10 Tagen (Kombinationspräparate) bzw. 15 Tagen (Monotherapien) genau eingehalten werden. Als topische Option kann auch 10%iges Pfefferminzöl, das großflächig auf Stirn und Schläfen aufgetragen wird, genannt werden.2

Prophylaxe

Eine vorbeugende Therapie ist in der Regel nur bei der chronischen Form sowie bei schweren Fällen des häufig episodisch auftretenden Typs indiziert. Bei chronischen Kopfschmerzen vom Spannungstyp kann Amitriptylin zur medikamentösen Prophylaxe eingesetzt werden. Empfehlenswert ist die begleitende Anwendung nichtmedikamentöser Maßnahmen wie regelmäßiges Ausdauer- und Krafttraining, Physiotherapie zur Stärkung der Schulter-Nacken-Muskulatur sowie Methoden zur Stressbewältigung (z. B. Entspannungsverfahren, kognitive Verhaltenstherapie). Letzteres ist vor allem bei Patient:innen mit hohem Stresslevel und/oder psychischen Komorbiditäten ratsam. Ebenfalls versucht werden kann Akupunktur, wobei die Studienlage hier nicht eindeutig ist. Den besten Effekt erzielt eine Kombination mehrerer prophylaktischer Maßnahmen.2