Eine Hauterkrankung mit weitreichenden Auswirkungen

Die wiederkehrenden Entzündungen der Hidradenitis suppurativa (HS; auch „Akne inversa“) werden häufig als bakterielle Abszesse (Furunkulose) missinterpretiert, weshalb es im Durchschnitt 7 Jahre dauert, bis die korrekte Diagnose gestellt wird. Die genauen Ursachen der Hauterkrankung sind bis dato ungeklärt, die Genese scheint multifaktoriell zu sein. Wesentlich scheint zudem die Verengung des Haarfollikels mit daraus resultierendem Rückstau des apokrinen Sekrets und anschließender Ruptur des Follikels zu sein. Schließlich feuern Bakterien auf der Haut die abszedierenden Entzündungen, bei denen auch neutrophile Granulozyten eine wesentliche Rolle spielen, weiter an. Rund ein Drittel der Patient:innen berichten eine positive Familienanamnese. Mittels genetischer Studien konnten verschiedene Mutationen mit HS in Verbindung gebracht werden. Dies betrifft häufig normalgewichtige Männer mit schwerer HS in „untypischen“ Arealen (syndromale HS). Des Weiteren konnten Übergewicht und Nikotinabusus als wesentliche Triggerfaktoren der Erkrankung identifiziert werden, sodass Gewichtsreduktion und Nikotinkarenz stets Teil des Therapiekonzeptes sein sollten.

Therapie

Anhand der Klinik lässt sich die HS grob in 3 Schweregrade nach Hurley (I–III) einteilen. Spätestens ab einer moderaten Erkrankungsschwere (Hurley II), bei der zahlreiche Abszesse sowie bereits Fistelstränge und Vernarbungen vorkommen, muss eine Systemtherapie eingeleitet werden. In lokalisierten Fällen eignet sich eine Operation, bei der das gesamte erkrankte Gewebe bis weit ins Gesunde entfernt wird (weite Exzision, En-bloc-Resektion), um die Erkrankung erfolgreich zu behandeln. Zu den Systemtherapien zählen unter anderem Antibiotika, die stets über einen Zeitraum von 12 Wochen gegeben werden sollten. Tetracycline (zum Beispiel Doxycyclin 100–200 mg täglich) sowie eine Kombination aus Clindamycin und Rifampicin (je 300 mg 2-mal täglich) werden in den aktuellen Leitlinien empfohlen. Bei Versagen dieser Therapien oder besonders schwerer Erkrankung eignen sich Biologika wie der TNF-alpha-Blocker Adalimumab. Er unterdrückt die Entzündungen und wurde 2015 zur Behandlung der HS zugelassen. Nach einer Einleitungsdosis von 160 mg in der ersten Woche und 80 mg nach 2 Wochen erfolgt die Erhaltungstherapie ab der vierten Woche mit 40 mg wöchentlich. In Studien haben sich zudem IL-17-Blocker wie Secukinumab als effektiv erwiesen, so dass die Zulassung dieser 2023 erwartet wird.

Ziel der Therapien ist die Reduktion der Schwere und Häufigkeit entzündlicher Schübe mit einhergehender Verbesserung der Lebensqualität. Bis heute gilt eine 50%-ige Reduktion der Anzahl entzündlicher Knoten und Abszesse in Studien als Therapieerfolg. Begleitende Basismaßnahmen (antiseptische Lokaltherapie, Lebensstilmodifikation) können dazu beitragen, den gebesserten Hautzustand auch nach Beendigung einer Therapie aufrechtzuerhalten. Es ist von essenzieller Bedeutung, die Patient:in-nen hinsichtlich der Erwartungen an die geplante Therapie aufzuklären, um Frustration vorzubeugen. Im Gegensatz hierzu stehen großflächige Operationen, die stets eine Heilung im umschriebenen/operierten Areal anstreben, sich allerdings nicht für jede:n Patient:in eignen.

Hidradenitis suppurativa als Multisystemerkrankung

Aufgrund der zahlreichen Komorbiditäten wird die HS vermehrt als Multisystemerkrankung angesehen. Zu diesen zählen das metabolische Syndrom (Diabetes mellitus, Hypertriglyzeridämie, arterielle Hypertonie, Übergewicht), kardiovaskuläre Erkrankungen, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, polyzystisches Ovarsyndrom, Arthropathien, Nikotin- und Substanzabusus sowie Depression und Angststörung.

Das metabolische Syndrom betrifft rund 40 % der Patient:innen und trägt dazu bei, dass das Risiko für einen kardiovaskulären Tod bei HS-Patient:innen deutlich erhöht ist. Ein hoher BMI konnte in Studien mit einer schwereren Erkrankungsausprägung in Verbindung gebracht werden. Ursächlich hierfür könnte neben der durch die Körpermasse verstärkten Reibung auch die Produktion proinflammatorischer Zytokine in den Fettzellen sein. Die Prävalenz von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen bei HS-Patient:innen beträgt bis zu 3,3 %, wobei der Morbus Crohn etwas häufiger vorkommt als die Colitis ulcerosa. Umgekehrt kann sogar bei 25 % der Morbus-Crohn-Patient:innen eine HS nachgewiesen werden. Fast drei Viertel der Patient:innen beklagen Rückenschmerzen. Eine aktive Spondyloarthritis kann in rund 40 % der Fälle mittels MRT nachgewiesen werden und entwickelt sich meist erst nach Auftreten der ersten Hautveränderungen. Die Hautsymptome und deren Auswirkungen auf den Alltag führen zu ausgeprägten psychischen Belastungen unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung. 30 % der Patient:innen entwickeln eine Depression. Die Suizidalitätsrate ist im Vergleich zur Normalbevölkerung deutlich erhöht.

Nach Diagnosestellung sollte daher routinemäßig Komorbiditäten gescreent werden. Dies gelingt mittels klinischer Untersuchung, Laboruntersuchung und gezielter Anamnese. Patient:innen müssen nach Gelenkschmerzen und Morgensteifigkeit, die länger als 30 Minuten anhält, sowie gastrointestinalen Auffälligkeiten befragt werden. Im Verdachtsfall können weitere Maßnahmen eingeleitet werden. Zudem gibt es unkomplizierte, frei verwendbare Fragebögen wie den Patient Health Questionnaire-4 (PHQ-4), um auf Depression und Angststörung zu screenen.