Empfehlungen der neuen österreichischen Leitlinie

Die Osteoporose ist eine systemische Skeletterkrankung, die durch eine verminderte Knochenmasse und eine gestörte Mikroarchitektur des Knochens charakterisiert ist; daraus resultiert ein erhöhtes Frakturrisiko. Eine manifeste Osteoporose ist jedenfalls auch dann anzunehmen, wenn eine Fraktur unter geringem Trauma und bei lediglich osteopenisch verminderter oder gar normaler Knochenmineraldichte (KMD) auftritt. Tatsächlich tritt die Mehrheit aller Frakturen bei nichtosteoporotischer KMD auf.

Klinische Risikofaktoren

Die Vorhersagewahrscheinlichkeit der Knochendichte-Messung durch Dual-Röntgen-Absorptiometrie-(DXA-)Messungen kann durch die gleichzeitige Berücksichtigung klinischer Risikofaktoren, die unabhängig von der KMD wirken, verbessert werden. Von besonderer Bedeutung ist diesbezüglich das Alter.

Bewegung und Sport

Regelmäßige körperliche Aktivität und körperliches Training in Kindheit und Jugend sind wesentlich, um eine optimale Entwicklung der Knochenmasse und -struktur über die Lebenszeit zu erreichen. Dies reduziert das Osteoporoserisiko im späteren Lebensalter. Es gibt keine Kontraindikation für körperliche Aktivität/Training! Das Trainingsprogramm muss lediglich an die Limitationen (z.B. kardiovaskuläre Probleme) der Betroffenen adaptiert werden.

Knochenmineraldichte

Die DXA ist eine zweidimensionale Bildgebungstechnologie zur Messung der KMD des gesamten menschlichen Skeletts, auch spezifisch für Prädilektionsstellen osteoporotischer Frakturen. Seit den frühen 1990er-Jahren basieren die diagnostischen Kategorien „normal“, „Osteopenie“ und „Osteoporose“, wie sie von einer WHO-Arbeitsgruppe empfohlen werden, auf diesem Konzept. Diese Kriterien dürfen jedoch nicht mit einem individuellen Frakturrisiko oder einer individuellen Therapieentscheidung gleichgesetzt werden. Die Werte der DXA-Messungen der Schenkelhals-KMD werden in FRAX® verwendet. Die Wirbelsäule ist aufgrund der hohen Prävalenz degenerativer Veränderungen, die den KMD-Wert durch Artefakte in der Messung erhöhen, nicht immer eine anatomische Lokalisation für die Risikobewertung oder für die Diagnose von Osteoporose bei älteren Menschen.

Frakturrisiko – FRAX®:

Das absolute Frakturrisiko hängt vom Alter und von der Lebenserwartung sowie vom aktuellen relativen Risiko ab. Der Zeitraum von 10 Jahren deckt die wahrscheinliche anfängliche Dauer der Behandlung und die Vorteile ab, die sich bei Abbruch der Behandlung fortsetzen können. Kürzere Zeithorizonte (z.B. 1, 2 oder 5 Jahre) sind für die Einstufung des Risikos nicht hilfreich.

Das individuelle Frakturrisiko soll bei jedem/jeder Patient:in im Alter 50+ mit klinischen Risikofaktoren mittels FRAX® berechnet und wenn indiziert eine prophylaktische osteologische Therapie eingeleitet werden. FRAX® basiert auf länderspezifischen Frakturdaten. Die österreichischen Kohorten wurden im Jahr 2022 aktualisiert und validiert.

Interventionsschwellen

Für die Ersteinschätzung der 10-Jahres-Frakturwahrscheinlichkeit vor Durchführung einer DXA steht eine auf die österreichische Bevölkerung kalibrierte FRAX®-Version zur Verfügung. Wenn das Frakturrisiko in den gelben Bereich fällt, wird zusätzlich eine DXA-Messung empfohlen. Danach erfolgt sowohl für Männer als auch für Frauen die Zuordnung zu einer der Risikokategorien unter Verwendung der für Österreich spezifischen Schwellenwerte (Abb).

Abb.: FRAX®-Risikomodell in Halbdekaden mit den 4 Risiko- und Interventionsschwellen (basierend auf dem österreichischen Risikomodell; www.oegkm.at) Zur neuen Osteoporose-Leitlinie

Die Interventionsschwellen für Männer und Frauen sind so festgelegt, dass sie dem Risiko einer Frau gleichen Alters mit einer prävalenten Fraktur entsprechen. Männer und Frauen mit sehr hohem Frakturrisiko (= dunkelroter Bereich im FRAX®) sollten bevorzugt an ein auf Osteoporose spezialisiertes Zentrum bzw. an Spezialist:innen überwiesen werden, um die Indikation und Möglichkeit einer (primären) osteoanabolen Therapie abzuwägen.

Unabhängig davon ist eine niedrigtraumatische Fraktur – unabhängig von DXA und FRAX® immer eine absolute Behandlungsindikation! Besonderes Augenmerk wird auf die Rezentheit gelegt. Das Risiko einer Folgefraktur ist kurz nach einer Fragilitätsfraktur am höchsten (imminentes Frakturrisiko).

Medikamentöse Intervention

Kalzium und Vitamin D: Eine tägliche Zufuhr von zumindest 1.000 mg Kalzium (vorzugsweise aus der Nahrung!) und 800 IU Vitamin D wird empfohlen. Ein adäquater Vitamin-D-Spiegel von zumindest > 20 ng/ml bzw. >50nmol/l vor Einleitung einer spezifischen osteologischen Therapie wird empfohlen. Ein Vitamin-D-Spiegel > 50 ng/ml bzw. 125 nmol/l ist aus osteologischer Sicht nicht erforderlich.

Antiresorptive Therapien: Zu diesen zählen die menopausale Hormontherapie (MHT), selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERMs), Bisphosphonate und Denosumab. Empfohlen werden diese Therapien bei hohem Frakturrisiko (FRAX®: roter Bereich). Die Therapiedauer ist langfristig, da Osteoporose eine chronische Erkrankung ist.

Anabole Therapien wie Teriparatid, Romosozumab oder Abaloparatid sind bei sehr hohem Frakturrisiko empfohlen (FRAX®: dunkelroter Bereich). Im Anschluss an diese Therapie ist eine langfristige antiresorptive Therapie notwendig.

Medikamentösinduzierte Kieferknochennekrosen (MRONJ)

Das Risiko, unter antiresorptiver Osteoporosetherapie spontan eine MRONJ zu entwickeln, liegt bei 0,05 %. Nach invasiven zahnärztlichen Eingriffen (z. B. Setzen dentaler Implantate) steigt das Risiko auf etwa 1 %; sie sind aber unter Berücksichtigung des erhöhten MRONJ-Risikos möglich und sollen unter antibiotischer Abschirmung und speicheldichtem Wundverschluss erfolgen. Von der Verabreichung von i. v. Bisphosphonaten innerhalb von 2 Monaten nach Zahnextraktion ist Abstand zu nehmen.