Bei der Epilepsie werden akut symptomatische und unprovozierte, spontane Anfälle unterschieden. Akut symptomatische Anfälle werden durch akute Erkrankungen des Gehirns verursacht, sind nach deren Ablauf mit einem relativ niedrigen Risiko für das Auftreten von weiteren Anfällen verbunden und stellen keine Epilepsie dar. Für unprovozierte Anfälle findet sich kein akuter Faktor als Auslöser. In der klinischen Praxis wird eine „Epilepsie“ dann diagnostiziert, wenn zwei unprovozierte epileptische Anfälle im Abstand von mindestens 24 Stunden aufgetreten sind oder nach einem erstmaligen unprovozierten Anfall ein hohes Risiko (> 60 %) für weitere epileptische Anfälle besteht. Eine bildgebend dargestellte epileptogene zerebrale Läsion oder der Nachweis von epilepsietypischen Potenzialen im EEG zeigen ein solches hohes Risiko für weitere Anfälle an.
Die Diagnose Epilepsie wird klinisch gestellt und beruht auf einer detaillierten Anamnese, Berichten von Augenzeug:innen sowie einer neurologischen Untersuchung. Einem vermeintlich erstmaligen epileptischen Anfall sind in bis zu 50 % bereits Anfälle vorausgegangen. Epilepsie kann sich in einer Fülle von klinischen Erscheinungsformen präsentieren, umgekehrt gibt es mehrere Erkrankungen, die Epilepsie imitieren können. Die wichtigste Differenzialdiagnose für einen transienten Bewusstseinsverlust sind Synkopen. Die häufigste nichtepileptische Ursache für Krampfanfälle sind funktionelle Anfälle. Suggestiv für Epilepsie können berichtete Aurasymptome wie Déjà-vu, eine aufsteigende epigastrische Sensation oder visuelle, olfaktorische, gustatorische oder auditive Halluzinationen sein, die dann auftreten, wenn die Anfälle einen fokalen Ursprung haben. Augenzeug:innen können semiologische Zeichen wie orale oder manuelle Automatismen, eine forcierte Blick- oder Kopfwendung zu einer Seite oder eine asymmetrische dystone Armhaltung berichten. Finden sich im EEG epilepsietypische Potenziale, kann das die Diagnose einer Epilepsie unterstützen. Ein normales EEG schließt die Diagnose Epilepsie aber niemals aus und epilepsietypische Potenziale finden sich im EEG bei bis zu 1 % der gesunden Bevölkerung. Von generalisierten Epilepsiesyndromen wie z. B. Absenzenepilepsie abgesehen, soll bei allen Patient:innen mit Epilepsie eine MRT-Untersuchung des Gehirns nach sogenanntem „Epilepsieprotokoll“ durchgeführt werden. Es kann damit bei 20 % der neudiagnostizierten Patient:innen eine epileptogene Läsion identifiziert werden (Abb. 1).
Mehr als 50 % der Epilepsiepatient:innen haben weitere Gesundheitsprobleme: Die häufigste Komorbidität sind psychiatrische Erkrankungen (Depression, Angststörung, Psychosen, Autismus), aber auch Migräne, Herzerkrankungen, Demenz, Schlaganfall, Magenulkus finden sich häufiger bei Epilepsie als bei Gesunden. Epilepsie ist mit einem erhöhten Risiko für einen frühzeitigen Tod verbunden. Dieses Risiko wird vorwiegend durch die Komorbiditäten vermittelt, ist aber bei bis zu einem Drittel direkt epilepsieassoziiert, wobei hier SUDEP (Sudden Unexpected Death in Epilepsy) eine wichtige Rolle spielt.
Anfallstypen und Epilepsietyp sollen möglichst genau klassifiziert und die Ätiologie soll ermittelt werden (Abb. 2).
Wichtigstes Kriterium in der Klassifikation ist die Unterscheidung zwischen fokalem und generalisiertem Anfallsbeginn. Das gemeinsame Vorliegen typischer klinischer Merkmale (z. B. Alter, Anfallstypen, EEG, Komorbiditäten) kann unter Umständen die Diagnose eines spezifischen Epilepsiesyndroms erlauben.
Eine Behandlung mit antikonvulsiver Medikation hat das Ziel, unter möglichst geringer Beeinträchtigung der Lebensqualität durch Nebenwirkungen so früh wie möglich Anfallsfreiheit zu erreichen. Rund zwei Drittel aller Epilepsiepatient:innen erreichen unter Medikation langfristige Anfallsfreiheit. Die Behandlung von Patient:innen mit Epilepsie soll an einem spezialisierten Zentrum erfolgen. Epilepsiechirurgie ist eine potenziell kurative Therapieoption bei fokaler pharmakoresistenter Epilepsie, kommt aber letztlich nur für eine geringe Zahl von Patient:innen in Frage. Andere Therapieoptionen sind Formen der Neuromodulation (z. B. Vagusnervstimulation) und ketogene Diät.
In Salzburg gibt es das österreichweit einzige Europäische Referenzzentrum EpiCARE für seltene und komplexe Epilepsien bei Erwachsenen. Vergangenes Jahr wurden von der WHO durch Verabschiedung des intersektoralen Aktionsplans für Epilepsien und andere neurologische Erkrankungen die globalen Herausforderungen in der Behandlung von Epilepsie erstmals offiziell anerkannt und die Mitgliedstaaten mit gesundheitspolitischen Maßnahmen und Forschungsförderung auf dem Gebiet der Epilepsien beauftragt.