Als Adhärenz bezeichnet man die Einhaltung der gemeinsam von Ärzt*innen und Patient*innen vereinbarten Ziele und Maßnahmen.
Naturgemäß gibt es Proband*innen, die eine höhere Adhärenzrate haben als andere: durch die Unterteilung in Adhärenzklassen kann somit besser gezeigt werden, wie viele Personen an einem Lebensstilprogramm teilgenommen haben. Obwohl die Adhärenzrate und Kategorie wichtige Parameter sind, sind diese limitiert, da nur berichtet wird, ob an einer Maßnahme teilgenommen wurde oder nicht. Deswegen ist eine detaillierte Dokumentation über die tatsächlich absolvierten Lebensstilmaßnahmen unerlässlich.
Im Projekt „Gesund fürs Leben“ in Wien wurden gebrechliche, zu Hause lebende Personen (mittleres Alter: 83 Jahre) von Menschen rund um das Pensionsantrittsalter (mittleres Alter: 60 Jahren) sogenannten „Buddies“, die für das Gesundheitsförderungsprojekt geschult wurden, 2-mal pro Woche über 6 Monate besucht. In der Ernährungs- und Trainingsgruppe wurde gemeinsam ein Krafttrainingsprogramm absolviert und Ernährungsbotschaften wurden thematisiert. Teilnehmer*innen der Soziale-Unterstützung-Gruppe wurden von ihren Buddies mit derselben Häufigkeit besucht, jedoch wurden weder Trainings- noch Ernährungsinterventionen umgesetzt. Das Studienprotokoll und die Ergebnisse wurden bereits früher publiziert und zeigten den gesundheitsförderlichen Effekt sowohl für die gebrechlichen Personen als auch für die Buddies. Eine aktuelle Veröffentlichung1 beschäftigt sich mit der Frage: „Was wurde konkret tatsächlich wie oft und mit welcher Qualität und Intensität im Vergleich zur Intention gemacht?“ Die Abb. zeigt, inwieweit die geplanten Aktivitäten auch tatsächlich umgesetzt wurden.
Die Adhärenz gibt zwar Auskunft, wie oft die Hausbesuche umgesetzt wurden, jedoch lässt sie keine genauen Rückschlüsse darauf zu, was genau gemacht wurde. So waren die Besuche zwar deutlich länger, jedoch wurden weniger Trainingseinheiten als geplant verwirklicht. Die durchgeführten Maßnahmen waren also im durchgeführten Ausmaß definitiv gesundheitswirksam, obwohl nicht in dem Ausmaß durchgeführt wie ursprünglich intendiert.
Ein bemerkenswertes Ergebnis aus diesem Projekt war, dass 6 Monate nach Beginn der Studie immer noch mehr als zwei Drittel der Studienpopulation im Projekt begeistert mitmachten. Selbst nach einem Jahr (6 Monate nach der eigentlichen Beendigung des Projektes) führte noch ein bemerkenswerter Prozentsatz die Hausbesuche mit körperlichem Training und Ernährungsoptimierung durch. Somit war die Langzeitadhärenz bemerkenswert, und die dafür verantwortlichen Erfolgsfaktoren konnten vor allem in persönlichen Gesprächen identifiziert werden:
Die Erfahrungen aus diesem Forschungsprojekt können auch auf andere Settings der lebensstilbasierten Gesundheitsförderung übertragen werden. Ein Beispiel dafür, das allerdings bei jüngeren Menschen ansetzt, ist die stationäre Gesundheitsförderung im Gesundheitszentrum Resilienzpark Sitzenberg-Reidling. In dieser Einrichtung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) können erwerbstätige Versicherte ihre Gesundheit gezielt fördern. Der Fokus liegt dabei auf langfristige Lebensstilmodifikation mit individuellen Zielvereinbarungen, und dabei spielt die Langzeitadhärenz eine entscheidende Rolle. Während des 2-wöchigen Basisaufenthaltes und der Folgewoche drei Monate später werden Kompetenzen erworben, wie ein gesundheitsfördernder Lebensstil dauerhaft beibehalten werden kann. Dabei werden folgende Prinzipien berücksichtigt, welche den Transfer in den Alltag sicherstellen sollen:
Für die Teilnehmer*innen des Programms „Gesund fürs Leben“ gilt das Prinzip, dass Lebensstil etwas sehr Komplexes ist. Lebensstil besteht aus vielen unterschiedlichen Bereichen wie Bewegung, Ernährung, mentale Gesundheit, Sozialkapital und Gesundheitskompetenz.
Literatur:
1 Lackinger C, Grabovac I, Haider S, Kapan A, Winzer E, Stein KV, Dorner TE, Adherence Is More Than Just Being Present: Example of a Lay-Led Home-Based Programme with Physical Exercise, Nutritional Improvement and Social Support, in Prefrail and Frail Community-Dwelling Older Adults. Int J Environ Res Public Health. 2021; 18, 4192.
Weitere Literatur bei den Verfassern