Mag. Bernhard Wurzer: Unsere Selbstverwaltung hat beschlossen, dass wir das Ziel verfolgen, einen bundesweiten Gesamtvertrag mit einheitlichem Leistungs- und Honorarkatalog zu schaffen. Dafür werden wir aber auch zusätzliche Mittel benötigen. Dazu kommt, dass wir – und das kritisiert ja auch der Rechnungshof – regional neunmal mit der Ärztekammer verhandeln müssen. Wir haben gerade einen Abschluss in Oberösterreich erzielt, wo wir mit 20 zusätzlichen Planstellen auch im Hinblick auf die Versorgung auf einem guten Weg sind.
Wir sind die einzige Organisation im Land, die in der Pandemie keinen nennenswerten Zuschuss, wenn man das mit anderen Bereichen vergleicht, erhalten hat. Dabei haben wir alles für den Bund administriert und organisiert, wie Beschaffungen von Schutzkleidung und deren Verteilung. Natürlich wurden diese Leistungen bezahlt, wir hatten aber auch enorme Stundungen von Beitragsrückständen, bei denen sich laufend die Regelungen geändert haben. Die Länder bekamen hingegen 750 Millionen Euro vom Bund für die Spitäler. Generell sind die Bundesländer in einer Situation, die sehr ambivalent zu jener der Sozialversicherung ist. Wir sind eine Versicherung und bezahlen Leistungen, wir zahlen aber nicht die „Werkstatt“, wenn man es im übertragenen Sinn formulieren will. Länder zahlen die Spitäler und sehen, dass die Leistungen im stationären Bereich rückläufig sind, weil die Belagstage sinken und immer mehr tagesklinisch gemacht wird. Trotzdem explodieren die Endkosten der Spitäler. Das liegt an den Kostenstrukturen der Spitäler und an der Spitalslandschaft insgesamt.
Dazu will ich nichts sagen. Wir sind ja in laufenden Verhandlungen.
Die Frage ist, wer ist für die erhöhten Kosten verantwortlich, und wer soll diese Kosten tragen? Wir sind eine Versicherung, die Leistungen einkauft. Insofern haben beide auf ihre Art Recht. Wir sagen, dass wir jedes Jahr 500 Millionen Euro mehr einzahlen, ohne mitreden zu dürfen und auch nicht mehr an Leistungen dafür herausbekommen. Die Spitalsträger machen mehr tagesklinisch und wollen in den niedergelassenen Bereich auslagern. Wir als Sozialversicherung können aber nicht auf der einen Seite mehr einzahlen und gleichzeitig das, was im Spital nicht mehr gemacht wird, draußen finanzieren. Das ist das große Spannungsfeld, in dem der Finanzausgleich steht.
Es wird wohl nicht so einfach von heute auf morgen die großen Reformen im Spitalsbereich geben – man kann nicht rasch Spitäler umbauen. Man wird sich also überlegen müssen, ob es in den nächsten Jahren zusätzliche Mittel gibt, um einerseits die Leistungen außerhalb der Spitäler aufzubauen und andererseits die Entlastungen drinnen spürbar zu machen.
„Wir haben gerade einen Abschluss in Oberösterreich erzielt, wo wir mit 20 zusätzlichen Planstellen auch im Hinblick auf die Versorgung auf einem guten Weg sind.“
Wir wissen, dass im niedergelassenen Bereich zwei bis drei Prozent der Stellen unbesetzt sind und was wir in den kommenden Jahren brauchen. Wir wissen aber nicht, was in den Spitälern in der Pflege und im ärztlichen Bereich fehlt und in den kommenden Jahren benötigt wird.
Wenn das 4.000 Stellen sind, frage ich mich, warum wir jedes Jahr 500 Millionen Euro mehr in ein System bezahlen sollen, wenn 4.000 Stellen, die ich eigentlich bezahle, nicht besetzt sind. Aber das ist ein strukturelles Problem: Ärztearbeitszeitgesetz, medizinischer Fortschritt und vieles mehr lasten natürlich auf den Schultern der Krankenanstalten. Deshalb denke ich, braucht es einen Schulterschluss. Der Spitalsbereich wird sich in den nächsten Jahren massiv wandeln. Der Finanzausgleich ist jetzt die große Chance, an den Schrauben zu drehen, wenn man will. Das wird aber einer Investition bedürfen. Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel Geld in die Pandemiebekämpfung und das Testen gesteckt. Wenn man jetzt in den kommenden Jahren Geld ins Gesundheitswesen und den niedergelassenen Bereich investiert, könnte man schon einiges an Strukturreformen herbeiführen.
Es gibt einige Dinge, die sich im niedergelassenen Bereich entwickeln – Stichwort neue Versorgungsformen, Ärztebereitstellung wie in Wien und Niederösterreich, Stipendien für Jungärzt:innen. Da gibt es ein ganzes Bündel. Wichtig ist, dass das neue Primärversorgungsgesetz kommt und umgesetzt wird.
Die Ärztekammer hat ganz klar gesagt, dass alle Landesärztekammern einem einheitlichen Honorarkatalog zustimmen müssen. Es ist also klar, dass keine Kammer zustimmt, wenn es weniger gibt. Es wird deshalb ein Niveau sein müssen, bei dem alle Länderkammern mitkönnen. In einem ersten Schritt wird es dazu bestimmt Investitionen brauchen, die sich jedenfalls längefristig rechnen.
Es gibt nicht viele Möglichkeiten, wer es zahlen kann. Die Frage ist: Wie? Der Bund könnte auch gewisse Kosten von den Spitälern übernehmen und so Mittel für die Sozialversicherung und den niedergelassenen Bereich freispielen.