Familiäre Tumorbelastung durch BRCA-Mutation

Eine:r von 300 Österreicher:innen ist Träger:in einer BRCA1- oder -2-Keimbahnmutation.
BRCA-Mutationen stellen die mit Abstand häufigste genetische Disposition für familiäre Krebserkrankungen dar. Bei Betroffenen kommt es häufig zum Auftreten von Krebserkrankungen, und hier sind es v. a. Brust- und Eierstockkrebs, aber auch Tumoren der Haut und des gastrointestinalen Systems sowie beim Mann Prostatakarzinome, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit bereits in jungen Jahren auftreten.

Erkrankungswahrscheinlichkeit

Die Lebenszeitwahrscheinlichkeit von Frauen mit einer BRCA1- oder -2-Mutation, an Brustkrebs zu erkranken, wird mit etwas über 80 % angenommen, und BRCA1-Mutationsträgerinnen erkranken mit einer über 40%igen Wahrscheinlichkeit an Eierstockkrebs, während das Eierstockkrebsrisiko bei BRCA2-Mutationsträgerinnen etwas niedriger ist. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass mit dem 45. Lebensjahr bereits die Hälfte der betroffenen Mutationsträgerinnen erkrankt ist. Zusätzlich besteht ein 40–60%iges Lebenszeitrisiko, bei bereits stattgehabter Brustkrebsdiagnose im Laufe des Lebens an einem zweiten, kontralateralen Brustkrebs zu erkranken. Zwischen 5 % und 10 % aller an Brustkrebs erkrankten Frauen weisen eine BRCA-Mutation auf. Neben BRCA1 und -2 gibt es weitere brustkrebsassoziierte Gene, die ebenfalls vererbt werden, jedoch meist mit einem niedrigen Krebsrisiko assoziiert sind.

Vererbung autosomal-dominant

Die Vererbung eines mutierten BRCA-Gens folgt einem autosomal-dominanten Erbgang, d. h., wenn Vater oder Mutter Träger:in eines defekten Gens ist, besteht eine 50%ige Wahrscheinlichkeit, dass auch ein Nachkomme die Mutation aufweist. BRCA1 ist auf Chromosom 17, BRCA2 auf Chromosom 13 lokalisiert. Beide Gene kodieren für Proteine, die normalerweise für die Kontrolle von Zellwachstum und Zelltod zuständig sind, sie wirken also als Tumorsuppressorgene. Beide Kopien eines Tumorsuppressor-Gens müssen mutiert sein, damit ein Mensch Krebs entwickelt: BRCA-Mutationsträger:innen kommen bereits mit einer defekten Genkopie auf die Welt. Diese Mutation ist in allen somatischen Zellen des Körpers präsent. Erst bei Auftreten einer weiteren Mutation im bislang intakten Allel entsteht Krebs in jenem Organ, in dem die zweite Mutation entstand. Der der Erkrankung zugrunde liegende Pathomechanismus basiert auf einem Defekt in der Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen, die bei Nichtmutationsträger:innen normalerweise durch homologe Rekombination repariert werden. Bei Vorliegen einer BRCA-Mutation ist dieser Reparaturmechanismus gestört, wodurch keine suffiziente Reparatur erfolgen kann.

BRCA1-Mutationen gehäuft bei TNBC

Während sich BRCA2-assoziierte Mammakarzinome in ihrer Histologie nicht von sporadischen Tumoren unterscheiden, weisen BRCA1-assoziierte Mammakarzinome typischerweise eine aggressivere Histologie auf und werden üblicherweise in Form eines triplenegativen Mammakarzinoms (TNBC) manifest. Da bei TNBC besonders häufig BRCA1-Mutationen gefunden werden, werden an der Medizinischen Universität Wien in diesen Fällen bereits seit Längerem eine genetische Beratung und eine genetische Testung angeboten, da jede 5. Frau mit einem TNBC auch Keimbahnträgerin einer BRCA1-Mutation ist. Hinsichtlich der Prognose konnten keine Unterschiede zwischen BRCA-mutierten Tumoren und sporadischen Mammakarzinomen nachgewiesen werden. Was die Prognose von BRCA-assoziierten Mammakarzinomen betrifft, so konnten auch nach Anpassung von Alter, Tumorstadium und -grad, Nodal- und Hormonrezeptorstatus sowie Jahr der Diagnose hinsichtlich des Risikos für Fernmetastasierung oder Mortalität keine Unterschiede festgestellt werden.

Prävention und Früherkennung

Auch bei noch nicht erkrankten Personen mit einer BRCA1- oder -2-Keimbahnmutation gibt es durchaus Möglichkeiten für Prävention oder Früherkennung. Österreichische Expert:innen haben eine Leitlinie für die Prävention und Früherkennung von Brust- und Eierstockkrebs entwickelt (Tab.).

Darin werden auch Empfehlungen für die Frühdetektion von Mammakarzinomen und Ovarialkarzinomen bei positiver Familienanamnese angeführt. Während das Früherkennungsprogramm bei Brustkrebs sehr gut funktioniert, ist für das Ovarialkarzinom leider nach wie vor keine effektive Untersuchung zur Früherkennung verfügbar.

Als Alternative zu den diagnostischen Präventivmaßnahmen gibt es jedoch die Möglichkeit, sich einer prophylaktischen bilateralen Mastektomie (PBM) bzw. prophylaktischen bilateralen Salpingoophorektomie (PBSO) zu unterziehen. Auch in der deutschen S3-Leitlinie ist festgehalten, dass Frauen mit einer gBRCA1- oder -2-Mutation eine PBM angeboten werden sollte. Ebenso mit dem Empfehlungsgrad B wird eine PBSO um das 40. Lebensjahr empfohlen. Für die PBM liegt Evidenz vor, wonach sie zu einer Risikoreduktion des Brustkrebsrisikos um 90–95 % führt. Auch eine kontralaterale prophylaktische Mastektomie (CPM) bei Frauen mit einem gBRCA-assoziierten Mammakarzinom führt nicht nur zu einer Reduktion der Mortalität, sondern auch zu einer Verlängerung des Gesamtüberlebens. Eine retrospektive Analyse mit einem Follow-up von bis zu 20 Jahren von BRCA-mutierten Patientinnen, die sich einer CPM unterzogen haben, zeigte eine 48%ige Reduktion der mammakarzinombedingten Mortalitätsrate. Von 100 Frauen, bei denen eine prophylaktische kontralaterale Mastektomie durchgeführt wurde, waren nach 20 Jahren noch 87 am Leben. Im Vergleich dazu beträgt die Zahl der Brustkrebspatientinnen mit einer unilateralen Mastektomie 66 von 100. Im Vergleich zu BRCA-Mutationsträgerinnen, die sich nur intensiven Frühdetektionsstrategien unterzogen haben, geht eine PBSO mit einer 80%igen Risikoreduktion für die Entwicklung eines Eierstock-, Tuben- oder Peritonealkarzinoms einher und führt im Vergleich zum Verzicht auf diese Operation bei gBRCA-Mutationsträgerinnen zu einer signifikanten Verlängerung des Gesamtüberlebens.

ABCSG-50-Studie: Seit Juni 2019 besteht für BRCA1-Mutationsträgerinnen zusätzlich die Möglichkeit, an der Studie BRCA-P (ABCSG-50) teilzunehmen. In dieser doppelblinden, placebokontrollierten, offenen, multizentrischen, internationalen Phase-III-Studie wird der präventive Effekt einer 5-jährigen Verabreichung von Denosumab (120 mg subkutan alle sechs Monate) vs. Placebo an 2.918 Frauen mit einer BRCA1-Keimbahnmutation untersucht. Als primärer Endpunkt ist die Bewertung der Verringerung des Risikos für Brustkrebs (invasiv oder DCIS [duktales Carcinoma in situ]) unter Denosumab vs. Placebo definiert.