Vor Beginn jeder Behandlung von Patient:innen mit chronischen Wunden müssen die relevanten zugrundeliegenden Faktoren diagnostiziert und therapiert werden.
Parallel dazu wird die Wundheilung mit einer stadiengerechten Wundtherapie unterstützt. Ein feuchtes Milieu ist Voraussetzung für die Wundheilung, das Austrocknen von Wunden an der Luft behindert diese. Als Wegbereiter der feuchten Wundtherapie gilt Dr. George Winter. Er konnte bereits 1962 an einem Schweinemodell nachweisen, dass Wunden schneller heilen, wenn sie feucht gehalten werden. Moderne Wundauflagen schaffen dieses Klima und sind zusätzlich in der Lage, Wundsekret aufzunehmen. Sie spielen eine entscheidende Rolle in der Behandlung von akuten und chronischen Wunden.
Ein feuchtes Wundmilieu hat mehrere Vorteile, die zu einer schnelleren und besseren Heilung führen (Tab.).
Die Entzündungsphase ist die erste physiologische Reaktion unseres Körpers auf eine Verletzung. Ein übermäßiger Entzündungsprozess verlangsamt jedoch den Übergang in die Proliferationsphase und verzögert dadurch den Heilungsprozess. Studien zeigten, dass die Heilung in einer feuchten Umgebung zu weniger Entzündungen führt als in einer trockenen Umgebung. Die Qualität der Heilung verbessert sich und geht mit einer verringerten Narbenbildung einher.
Die feuchte Umgebung ist für die Funktion der körpereigenen Zellen von entscheidender Bedeutung. Die Kommunikation der Zellen muss gewährleistet sein, um den Gewebeverlust ordnungsgemäß zu reparieren. Zellen kommunizieren durch die Sekretion von Wachstumsfaktoren und Signalmolekülen, die ein flüssiges Medium für die interzelluläre Kommunikation benötigen.
Im Gegensatz zu einer trockenen Umgebung können Epithelzellen in einem feuchten Milieu effizienter migrieren und die Wunde stärker reepithelisieren. Keratinozyten können ebenso leichter und schneller über die Wundoberfläche wandern als unter einer trockenen Kruste. Zusätzlich wird die Kollagensynthese durch die Stimulierung kollagenproduzierender Fibroblasten gefördert. Das autolytische Débridement mit Abbau von nekrotischem Gewebe erfolgt beschleunigt. Das feuchte Milieu lindert die durch die geschädigten Nozizeptoren in der Wunde verursachten Schmerzen, indem es deren Austrocknung verhindert.
So wie körpereigene Zellen die feuchte Umgebung benötigen, benötigen dies auch Mikroben. Somit bietet dieses Wundmilieu Bedingungen, welche die Besiedlung und Vermehrung von Mikroben unterstützen. Trotz dieser für die Keime günstigen Faktoren konnte gezeigt werden, dass Wunden, die mit feuchten Verbänden behandelt wurden, geringere Infektionsraten aufweisen als Wunden, die mit trockenen Verbänden behandelt wurden. Ein feuchter Wundgrund aktiviert die Zellen des Immunsystems verstärkt. Von dem Grundsatz der feuchten Wundbehandlung kann abgewichen werden, wenn die Erzeugung oder Aufrechterhaltung einer avitalen trockenen Nekrose einen Behandlungsvorteil darstellt (z. B. trockene Gangrän bei pAVK).
Die Wundauflage sollte der individuellen Wundsituation, der Gewebeart, der Exsu-datmenge, der Größe und Lokalisation der Wunde sowie den Bedürfnissen des Patienten angepasst sein. Sie sollte die Wunde feucht halten, vor einer Verunreinigung und weiteren Besiedelung mit Krankheitserregern und vor traumatischen Einflüssen schützen, bei Entfernung keine Rückstände hinterlassen und das Gewebe nicht mechanisch beschädigen. Exsudat soll aufgenommen und eine für die Wundheilung optimale Feuchtigkeitsbalance aufrechterhalten werden, ohne dass es zur Austrocknung der Wundfläche oder zu Mazeration kommt. Dabei sollten Toxine, Bakterien und Gerüche ebenso wie Wundexsudat in der Wundauflage aufgenommen und nicht wieder abgegeben werden. Weiters sollte die Atmungsaktivität nicht beeinträchtigt werden und die Wundauflage in der Anwendung praktikabel sein.
Trockenverbände werden heutzutage nur noch als Sekundärverbände oder zum Abdecken sauberer und trockener Wunden mit geringem Exsudatgehalt verwendet.
Praxismemo