Als „Wahnsinn“ hat Univ.-Prof. Dr. Michael Kunze, Doyen der Sozialmedizin in Österreich, den Föderalismus im Zusammenhang mit der Pandemie bezeichnet. Dem wird jeder denkende Mensch beipflichten: Verländerung hat dort nichts verloren, wo nur flächendeckende Maßnahmen sinnvoll sind. Ist also zentrale Steuerung im Gesundheitswesen grundsätzlich gut oder schlecht?
Denken wir an Kleinräume – wie etwa an die medizinische Versorgung in nicht so attraktiven Gegenden wie städtischen Nobelvierteln sieht Michael Kunze die Sache pragmatisch: „Es wird zum Beispiel entscheidend sein, Allgemeinmediziner:innen dort zu haben, wo sie dringend gebraucht werden – in Bezirken bzw. Gemeinden.“ Allerdings stellt sich die Frage, warum es in den Ländern unterschiedliche Tarife für idente Leistungen gibt. Ein Arzt/eine Ärztin in Klagenfurt muss für sein/ihr EKG-Gerät genauso viel bezahlen wie die Wiener Kollegenschaft, darf aber wesentlich weniger verrechnen. Nur ein Beispiel von vielen, welches aber deutlich für zentrale Vorgaben spricht.
Keinen Bedarf an Föderalismus sieht Kunze jedenfalls überregional: „Hightechmedizin muss unbedingt national geplant werden.“ Nur dann sei es möglich, alle medizinischen Leistungen in jedem Bundesland in derselben Qualität anzubieten. Beispielsweise in Krankenhäusern, die eigentlich bundesweit nach einheitlichen Vorgaben eingerichtet sein müssten.
Dann könnte es nämlich nicht passieren, dass multimorbide Patient:innen von Spital zu Spital gekarrt werden, weil in der ursprünglichen Einrichtung keine umfassende Versorgung möglich ist. Auch wenn sich viele Menschen im Lande am liebsten an jeder Ecke eine Klinik wünschen würden.
Ein heikles Problem, das zwingend nur national gelöst werden kann, ist die ärztliche Betreuung in Österreich bereits in naher Zukunft. Dazu Prof. Kunzes klare Meinung: „30 Prozent der heimischen Absolvent:innen setzen sich sofort nach der Ausbildung ins Ausland ab. Was da auf uns alle zukommt, brauche ich nicht näher zu erläutern. Wir alle wissen ganz genau, dass die Ursache für diese Abwanderung in besserer Bezahlung und besseren Rahmenbedingungen liegt. Das ist die ungeschminkte Wahrheit. Mit Föderalismus wird da niemand das Ruder herumreißen können. Hier bedarf es einer österreichweiten politischen Lösung!“
Was die Ärzteschaft in unserem Land neben der Würdigung ihrer Arbeit braucht, ist Unterstützung. Oder wie es Erich Kästner formulierte: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es …“