Michael Elnekheli: Das Impfprogramm in der Schule ist einigermaßen gut angelaufen. Allerdings gibt es punktuell noch immer zu viele Schulen, die die Teilnahme am Impfprogramm aufgrund des administrativen Aufwandes und der vielleicht persönlich gefärbten Einstellung zur Impfung verweigern. Damit wird jungen Mädchen und Buben eine wichtige Impfung vorenthalten, das sollten wir eigentlich so nicht hinnehmen. Hier sind die Schul- und Gesundheitsbehörden vor allem auf Länderebene gefordert, die derzeit unbefriedigende Situation zu verbessern und zu überlegen, wie sichergestellt werden kann, dass diese wichtige Impfung allen Interessierten tatsächlich angeboten wird. Die ersten Zahlen aus manchen Bundesländern waren zwar recht positiv, aber in einigen Bundesländern gibt es dringenden Handlungsbedarf. So ist die Einbindung der niedergelassenen Ärzteschaft ins Impfprogramm – wie es in einigen Bundesländern praktiziert wird – ein wichtiger Schritt für die Durchimpfungsrate, davon bin ich überzeugt.
Derzeit zeichnet sich eine weitere Innovation am Impfstoffmarkt ab: ein Neunfachimpfstoff steht kurz vor der Zulassung und sollte nächstes Jahr auch in Europa verfügbar sein. Damit werden dann rund 90% aller onkogenen HPV-Infektionen (bisher 75% mit dem Vierfachimpfstoff) vermeidbar.
Die Diskussion wie dieser Neunfachimpfstoff in den bestehenden Kinderimpfplan zu implementieren wäre, ist durchaus mit Spannung zu erwarten. Letztendlich geht es darum, ob den Neun- bis Zwölfjährigen weiter der Vierfachimpfstoff, oder der bessere Neunfachimpfstoff angeboten wird.
Das ursprüngliche Konzept wurde in den ersten sechs Monaten modelliert und dahingehend vereinfacht, dass Frauen in der Zielgruppe zwischen 45 und 70 Jahren mit der e-card zur Mammografie gehen können. Damit wurde ein wichtiger Schritt in Richtung Niederschwelligkeit gesetzt. Ein Haken aus meiner Sicht ist, dass sich Frauen zwischen 40 und 45 sowie über 70 Jahren eigens für das Programm registrieren müssen. Es stellt sich die Frage, wozu bei einem organisierten Screening, das die Niederschwelligkeit anstrebt, eine derartige Hürde eingebaut wird. Zur Verteidigung des Programms muss gesagt werden, dass ein organisiertes Screening Spielregeln unterliegt, die natürlich auch von der Ökonomie getragen sind. Außerdem positiv hervorzuheben ist, dass es sich hier um ein qualitätsgesichertes Programm handelt, bei dem doppelt befundet wird und nur zertifizierte Radiologen mitmachen können. Ob diese Qualitätsmaßnahmen aber die Altersbeschränkung und das zweijährige Intervall, in dem Frauen geladen werden, rechtfertigen, ist zu hinterfragen.
Ein Argument ist, dass im kurativen jederzeit eine Mammografie gemacht werden kann. Hierzu gibt es auch eine Indikationsliste. Das ist vielleicht nicht uninteressant, weil viele Patientinnen das zu nutzen wissen und beim Arzt sagen, sie hätten z.B. Schmerzen in der rechten Brust, wodurch sie eine Zuweisung bekommen.
Aus gynäkologischer Sicht wäre das ideale Modell: 1. Organisiertes Screening, um vielleicht auch Frauen zu erreichen, die man sonst nicht erreicht. Diese Rechnung ist, wie man aus publizierten Daten weiß, bisher leider nicht aufgegangen. 2. Die Möglichkeit, bei einem höheren Maß an Vorsorgebedürfnis, wie bisher auch die jährliche Mammografie durchzuführen.
Ab 40 Jahren, das entspricht so den internationalen Leitlinien. Ein Screening richtet sich immer an eine Population, daher ist es durchaus berechtigt, sich Gedanken über die Ökonomie zu machen. Es kann also sein, dass in einer Altersgruppe, in der Mammakarzinome selten sind, die Kosten-Nutzen-, aber auch die Risiko-Nutzen-Relation nicht stimmen. Ganz streng davon zu trennen ist aber das Bedürfnis des Individuums!
Wenn ein Screening restriktiv ist, muss man sich letztendlich Gedanken machen, wie man Frauen wieder dort einfängt, wo ihre Sorgen und Ängste liegen. In Deutschland hatte man vor einigen Jahren das gleiche Problem. Ein deutscher Kollege hat damals die Idee aufgegriffen, die Tastuntersuchung zu verbessern, indem sie von Menschen durchgeführt wird, die einen besonders ausgeprägten Tastsinn haben – nämlich sehbehinderte und blinde Menschen. Im Projekt „Discovering Hands“, das flächendeckend und unterstützt von vielen Krankenkassen angeboten wird, tasten geschulte blinde Frauen in den gynäkologischen Ordinationen 45 Minuten lang die Brust ab.
In Österreich gibt es das als Sozialprojekt des Blindenverbands und des Sozialministeriums. Derzeit stehen vier Tastuntersucherinnen am Ende ihrer Ausbildung und werden demnächst eingesetzt. Dadurch, dass diese Frauen während der Untersuchung mit den Patientinnen sprechen, ist das eine wirklich schöne Form der Zuwendungsmedizin – und zwar unter ärztlicher Aufsicht. Das ist natürlich kein Ersatz für die Mammografie, aber ein sinnvolles Angebot, das Ängste nimmt.
Grundsätzlich muss man sagen, dass die derzeitige Situation sehr unbefriedigend ist, weil immer noch die Schreckensmeldungen aus der WHI-Studie im Raum stehen. Diese wurden in Subanalysen vielfach widerlegt und aus gynäkologischer Sicht spräche nichts dagegen, klimakterische Beschwerden wieder stärker mit Hormonen zu behandeln – so wie schließlich auch Diabetes mit Insulin und eine Schilddrüsenerkrankung mit einem Schilddrüsenhormon behandelt werden. Was aber definitiv nicht getan werden soll, ist präventiv alle Frauen mit Eintritt in den Wechsel mit Hormonen zu behandeln.
Wir haben heute gute Evidenz dafür, dass der Hormonersatz mit dem körpereigenen Gestagen und über die ersten Jahre des Wechsels, zu keiner Erhöhung des Brustkrebsrisikos führt – dafür aber zur deutlichen Erleichterung der Betroffenen! Und die beste Prävention für Osteoporose ist immer noch die Hormonersatztherapie in den ersten Jahren des Klimakteriums.
Brandneu ist der Kupferball, zu dem es allerdings noch wenig Erfahrungswerte gibt. Und erstmals zugelassen wurde Anfang Mai auch die Langzyklus-Pille, die besonders für Frauen mit prämenstruellen und menstruellen Beschwerden Vorteile bringt.
Aus politischer Sicht finde ich bedenklich, dass die Kontrazeption umsatzsteuerpflichtig gemacht wurde. Damit werden die sehr wichtigen Langzeitverhütungsmittel wie die Spirale, Drei-Monats-Spritze oder das Hormonstäbchen jetzt um 20% teurer. Diese Entscheidung vom Finanzministerium ist aus ärztlicher Sicht sehr bedauerlich, da Heilbehandlungen grundsätzlich umsatzsteuerbefreit sind. Ich würde mir hier von der Politik etwas mehr Engagement erwarten, weil es doch um die Verhinderung unerwünschter Schwangerschaften geht – vor allem auch bei Teenagern. Ich finde, dass dieser Weg peinlich und das falsche Signal ist, wenn sich eine Gesellschaft weniger Teenager- und unterwünschte Schwangerschaften wünscht!
Ebenfalls nicht zu verstehen ist, dass die Wiener Gebietskrankenkasse Arztkontakte, die „vordergründig“ der Schwangerschaftsverhütung dienen, als Privatsache versteht. Nicht nur, dass es schwierig ist, die Untersuchung von der Beratung zu trennen, ist es auch absurd, dies nicht mehr zu bezahlen, weil die Kontrazeption bei z.B. Aknepatientinnen oder Patientinnen mit starken Regelbeschwerden auch im Sinne einer Heilbehandlung durchgeführt wird. Daher sind die derzeitigen Vorgaben in der Praxis nicht umsetzbar.
Seit 20 Jahren wurden die Mutter-Kind-Pass-Honorare der Inflation nicht angepasst. Das bedeutet, man bekommt wie vor 20 Jahren noch immer 18,02 Euro pro Untersuchung, für die man immerhin 30 Minuten braucht. In dieser Zeit hat sich der Praxisbetrieb aber um 100% verteuert und beläuft sich in einer Facharztordination auf 140 Euro pro Stunde. Am Ende des Tages subventionieren wir somit den Mutter-Kind-Pass und sind nicht mehr bereit dazu! Im täglichen Leben spüren Schwangere das mittlerweile, weil Gynäkologen sie abweisen und bestenfalls noch eigene Patientinnen betreuen. Ein Arztwechsel während der Schwangerschaft wird fast schon unmöglich.
So wie es jetzt aussieht, wird der nächste Schritt die Auslagerung in den Wahlarztbereich sein. Diese Situation stimmt mich sehr nachdenklich!