Früher Start verbessert Outcome

Neue Verfahren in der Schlaganfallbildgebung und Schlaganfallintervention in erweiterten Zeitfenstern haben die Akutversorgung auf eine neue Stufe gehoben.
Dadurch kann ein größeres Ausmaß von „tissue at risk“ bei einer größeren Anzahl der Schlaganfälle gerettet werden. Für Stroke-Teams stellt sich die Frage, ob und mit welchen Rationalen an diesen Erfolg auch in einer frühen und sehr frühen Phase der Neurorehabilitation angeknüpft werden kann: Gibt es auch in der Reha ein etabliertes Zeitfenster?

Prinzipien

In der Literatur legen sämtliche Leitlinien klar fest: Die Rehabilitation sollte so früh wie möglich beginnen, soweit der/die Patient:in stabil ist und eine Teilnahme an der Rehabilitation möglich ist. Grundlage sind Studien aus der Neuroplastizitätsforschung. Es zeigte sich eine offenbar „sensitive Periode“ erhöhter Neuroplastizität in der Frühphase nach Schlaganfall (Abb.).

Es besteht ein klinischer Zusammenhang zwischen früherem Zugang zur Rehabilitation und besserem funktionellem Outcome. Auch die Überlegung, maladaptive Prozesse zu vermeiden, spielt eine wichtige Rolle. Neben der Frage des richtigen Zeitpunkts für den Therapiebeginn stellt sich auch jene nach der richtigen Dosis; in der Regel werden Therapiedauer, Frequenz und Zeitspanne gemessen. Ein rezenter Cochrane Review vergleicht die in der Therapie verbrachte Gesamtzeit und findet keinen signifikanten Vorteil durch mehr Behandlung in der subakuten und chronischen Phase. Die wenigen Daten für die Akutphase gaben daher Anlass, die Frage der Therapieintensität gemeinsam mit dem Therapiebeginn zu diskutieren.

Beinparese und Mobilisierung

Gute Daten aus kleineren Studien ermutigten, eine sehr frühe Mobilisation am Beginn der Rehabilitation bereits am ersten Tag, d. h. innerhalb von 24 Stunden, zu untersuchen. Die Ergebnisse einer Studie mit über 2.080 Teilnehmer:innen waren jedoch ernüchternd, weil die Patient:innen mit sehr frühem Mobilisierungsbeginn ein deutlich schlechteres Outcome bezüglich Behinderungsgrad, Gehfähigkeit und Mortalität hatten als bei der Standardbehandlung. Ungünstige Faktoren dürften Blutdruckschwankungen, kardiovaskuläre Komplikationen und direkte Mobilisierungsfolgen wie Stürze gewesen sein. Häufigere und kürzere Therapieeinheiten schienen zudem vorteilhafter zu sein als ausgedehntere Sessions.

Armparese

Die meisten Therapiestudien, welche die obere Extremität betreffen, beziehen sich auf das subakute und chronische Stadium nach Schlaganfall. Ein frühes Zeitfenster für den Beginn der Rehabilitation in der Frühphase wurde jedoch nicht nur für die Gangrehabilitation diskutiert, sondern zum Teil auch bei der Reha der Armfunktion. In einer Studie mit 117 Patient:innen wurde der Verlauf am Tag 3 nach dem Schlaganfall erfasst und nach 10 Tagen sowie nach 1, 3, 6 und 12 Monaten erneut getestet. Alle Teilnehmer:innen erhielten eine individuell adaptierte Physio- und/oder Ergotherapie zumindest 3-mal in der Woche während des stationären Aufenthalts. Die klinische Besserung in den untersuchten Scores war von Tag 10 bis zum dritten Monat am besten, danach wurde ein Plateau bis zum Ende des Beobachtungszeitraums erreicht. Eine weitere Studie zeigte, dass eine tägliche Therapiesitzung bei initial schwerer betroffenen Patient:innen zu einer schnelleren und anhaltend stärkeren Verbesserung der Armfunktion führte, wenn durchschnittlich etwa nach einer Woche Post-Stroke mit der Behandlung begonnen wurde. Der Erfolg ließ sich jedoch nach einem Jahr nicht mehr nachweisen. In der AWMF-Leitlinie wird auf Grund dessen jedenfalls ein früher Behandlungsbeginn in der Akutphase wenige Tage nach dem Schlaganfall empfohlen.

Spastik

Die Behandlung des spastischen Syndroms ist eine Domäne der subakuten und chronischen Phase nach Schlaganfall. Neben gezielten nichtmedikamentösen Therapien kommt hier vor allem der Einsatz von Botulinumtoxin in Frage, jedoch ist ein Behandlungsnutzen meist erst bei Beginn einige Wochen nach dem Indexereignis belegt. Hier spielen auch Prädiktoren für eine Entwicklung von Spastik in der Therapieentscheidung eine wichtige Rolle, wie etwa eine Kombination aus klinischen Scores und radiologischen Parametern wie die Größe und Lokalisation der ischämischen Läsionen, wodurch bereits in der ersten Woche eine erste Einschätzung erfolgen kann. Insbesondere Läsionen über 3 cm im Bereich des motorischen Netzwerks, der Pyramidenbahn, der inneren Kapsel und der Basalganglien konnten als prognostisch ungünstig verifiziert werden.

Aphasie

Bezüglich Timing bei Aphasie finden sich in der Literatur Grundlagen zur Dynamik der Reorganisation von Sprache und Hinweise auf klinische Besserung nach Therapiebeginn innerhalb von 3 bis 14 Tagen. In den letzten Jahren wurde gezeigt, dass eine intensive Sprachtherapie im Ausmaß von mindestens 5 Stunden/Woche wirksam ist und einen Prädiktor für die spätere Erholung darstellt. Eine Studie wies nach, dass durchschnittlich knapp 9 Wochenstunden Therapie über 11 Wochen besser waren als 2 Stunden über die doppelte Zeitspanne. Andere Autor:innen kamen allerdings zu neutralen oder gegenteiligen Ergebnissen. In einem systematischen Review zahlreicher Studien fanden sich schließlich Hinweise auf den Benefit einer intensiven, hochdosierten und über längere Zeit durchgeführten Aphasie-Therapie.

Dysphagie

Bei der Dysphagie wurden Daten zu früherem Therapiebeginn vorgelegt: In einem Cochrane Review mit über 2.600 Patient:innen zeigte sich, dass sich Schluckstörungen besserten und Atemwegsinfekte reduzieren ließen – jedoch ohne Reduktion von Pflegebedürftigkeit oder Mortalität. Mit der pharyngealen Elektrostimulation (PES) ließen sich in einer Untersuchung die erfolgreichen Ergebnisse der vorangegangenen vielversprechenden Studien nicht bestätigen, die Randomisierung erfolgte dabei median rund 10 Tage nach Ereignis. Immerhin ergab dann die PES in einer anderen Studie bei Kanülenträger:innen mit schwerer Dysphagie ein positives Resultat bei Durchführung der Intervention innerhalb der ersten 4 Wochen. Es gelang signifikant und deutlich öfter eine Dekanülierung, sodass die PES inzwischen auch in den Leitlinien hierfür empfohlen wird. Darüber hinaus ist zur Dysphagie-Therapie gerade im frühen Post-Stroke-Stadium eine Vielzahl von diätologischen, logopädischen und auch pflegerisch-hygienischen Maßnahmen empfohlen.

Kognitive Ausfälle

Wenige Daten für Therapiebeginn und Therapieintensität in der Frührehabilitation finden sich derzeit noch für Neglekt, Hemianopsie und andere neurokognitive Ausfälle. Die Studien haben meist sehr geringe Fallzahlen. In der Regel sind die Studien für die subakute Phase mehrere Wochen oder auch Monate nach Schlaganfall designt. Immerhin gibt es aber gerade in den letzten Jahren auch in der Akutphase mit Nackenmuskelvibration und Training langsamer (Rumpf-)Folgebewegungen positive Therapieansätze.