Die Abkürzung „ADHS“ steht für „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung“. Junge Menschen, die davon betroffen sind, haben Schwierigkeiten in 3 Kernbereichen.
ADHS ist eine komplexe polygenetisch angelegte neurologische Entwicklungsstörung, die durch Umweltfaktoren wesentlich mitgeformt wird. Bisher wurden über 20 genetische Risiko-Loci identifiziert, die aber auch bei einer Reihe anderer psychischer Erkrankungen eine Rolle spielen. Die Heritabilität ist mit 80 % zwar relativ hoch, ADHS wird sich aber in einem chaotischen Umfeld mit wenig Struktur und Rahmen schneller und deutlicher entwickeln. Umgekehrt können Struktur und gute Förderung auch bei hohem genetischem Risiko dazu führen, dass keine Behandlung im engeren Sinn nötig ist.
Die Symptome von ADHS bringen es mit sich, dass sich betroffene Familien zunächst in den Bereichen Schule und Ausbildung auf herausfordernde Zeiten einstellen müssen. Kinder und Jugendliche selbst leiden darunter, dass sie ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht ausreichend umsetzen können und in Benotungen und Beurteilungen daher meist unter ihren tatsächlichen Möglichkeiten liegen. Oft wird aber übersehen, dass unbehandeltes ADHS auch im sozialen Bereich Probleme machen kann. ADHS-Betroffene sind überwiegend soziale und feinfühlige Kinder und Jugendliche, die aber aufgrund ihrer Impulsivität oder ihrer Tagträume von Gleichaltrigen häufig gemieden oder nicht verstanden werden. Das Gefühl, ständig anzuecken oder in der Ausbildung zu „versagen“, kann wiederum sekundäre Krankheitsfolgen auslösen. Wenn ADHS nicht erkannt und behandelt wird, können sich mit hoher Wahrscheinlichkeit psychiatrische Komorbiditäten wie Angststörungen, Depressionen oder Suchtprobleme entwickeln.
ADHS ist eine klinische Diagnose und wird durch Kinder- und Jugendpsychiater:innen, häufig in Zusammenarbeit mit Psycholog:innen, diagnostiziert. Nach ICD-11 darf die Diagnose nur gestellt werden, wenn sich über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten durchgehend und in mehreren Lebensbereichen (Schule, Familie, Freizeit) Symptome zeigen, die von der alterstypischen Entwicklung deutlich abweichen und sich im Alltag unmittelbar negativ auswirken. Eine Diagnose sollte erst ab dem Schulalter gestellt werden. Andere mögliche somatische Ursachen (Hyperthyreose, Sehstörungen, Hörstörungen) müssen ausgeschlossen werden. Als Goldstandard gilt, die klinische Diagnose durch psychodiagnostische Testverfahren sowie standardisierte Fragebögen (für Betroffene, Eltern, Lehrer:innen) zu bestätigen sowie adjuvant eine kognitive Leistungsdiagnostik durchzuführen.
Je nach individuellen Anforderungen und Lebensabschnitt sollte ein Therapieplan erstellt werden, der in jedem Fall eine ausführliche Aufklärung und „Schulung“ (Psychoedukation) der Betroffenen und ihrer Familien beinhaltet. Eine Diagnosestellung bringt letztlich Klarheit, warum sich bestimmte Herausforderungen in manchen Lebensabschnitten so schwierig gestalteten. Für schwerer betroffene Patient:innen kann eine zusätzliche medikamentöse Einstellung durch Fachärzt:innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie erwogen werden. Dafür sind in Österreich 4 Substanzen (Methylphenidat, Atomoxetin, Lisdexamfetamin, Guanfacin) zugelassen, die allesamt auf dopaminerge und/oder noradrenerge Transmittersysteme wirken.
Praxismemo