Vollmundige Bilanz: 2011 – und damit auch früher als der Bund – rief OÖ-Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer eine bis 2020 angelegte Spitalsreform aus. Bettenabbau, Neuorganisation und Schließen von Abteilungen und Verlagerung von Therapien zu Tageskliniken und in die niedergelassene Ärzteschaft sind das Ziel.
2009 waren noch 285 von 1000 Einwohnern Oberösterreichs im Spital, 2013 waren es 256 (Österreichdurchschnitt: 222). „Ein Rückgang von 10%“, stellte der Landeshauptmann fest. Man habe im Vergleich zu 2009 auch 800 Spitalsbetten abgebaut. Ohne alle Umschweife: Es geht in Oberösterreich mit seinem sogar noch im Vergleich zum Österreich-Durchschnitt noch mehr aufgeblasenen Spitalssektor ums Geld. Pühringer präsentierte Ende Oktober stolz eine „Kostendämpfung“ für 2013 von 190 Millionen Euro. Bis 2020 sollen es 2,2 Milliarden Euro sein.
Freilich, die Gesundheitspolitiker versprechen nun seit Jahren ein Handeln nach dem Prinzip „Geld folgt Leistung“. Das hätte in Oberösterreich schon längst beginnen müssen. Es geschah nicht.
„Wenn sich das Land dreistellige Millionenbeträge erspart, müsste eigentlich zumindest ein Teil davon ‚draußen‘ zur Verfügung stehen“, sagte gegenüber der Ärzte Krone Dr. Wolfgang Ziegler, Kurienobmann-Stellvertreter der niedergelassenen Ärzte in der OÖ Ärztekammer, selbst ein Allgemeinmediziner.
Er fügte hinzu: „Was natürlich nicht geht, aber stattfindet: Jede Menge Leistungen werden von den Spitälern hinaus verlagert. Die niedergelassene Medizin ist durchaus kostengünstiger.“ Von dreistelligen Euro-Millionen-Einsparungen müsste schon ein zweistelliger Betrag in der Medizin der niedergelassenen Ärzte ankommen. Die Kurie der niedergelassenen Ärzte sinnt auf Abhilfe: „Wir werden unsere Wünsche zu einem günstigen Zeitpunkt, bei den Kassenvertragsverhandlungen (gerade angelaufen; Anm.) deponieren.“
Obmann der OÖ Gebietskrankenkasse (OÖGKK) Albert Maringer stellte bisher – trotz (anders als die Ärztekammer) voller Vertretung in allen verantwortlichen Gremien (Landesplattform, Zielsteuerungskommission) – vor allem zukünftige Notwendigkeiten in den Raum. „Wenn man Leistungen aus dem Spital zu den niedergelassenen Ärzten verlagern will, dann müssen auch die Finanzströme geändert werden“, erklärte Maringer im September vergangenen Jahres in einem Interview.
Dabei wären im Honorarkatalog der niedergelassenen Ärzte zumindest in Oberösterreich auch grundsätzliche Änderungen notwendig, um mehr Leistungen zu ermöglichen. „Als niedergelassene praktische Ärzte haben wir in Oberösterreich einen strikt degressiven Leistungskatalog. Bis 500 Patienten bekommen wir einen Zuschlag von je rund zwei Euro, bis 808 Patienten dann den normalen Fallwert.“
Darüber hinaus gibt es für die Kassenpatienten bis zur Grenze von 1100 bereits einen Rabatt auf den Fallwert von 20%. Für die Patienten über der Grenze von 1100 sind es dann gar 80% Reduktion. Ziegler: „Das zahlt sich nicht mehr aus.“ Intensivere Betreuung nach immer kürzer werdenden Spitalsaufnahmen, Wundversorgung und vieles mehr – das kann sich bei einem minimalen Fallwert von 4,74 Euro (ab 1100 Patienten) einfach nicht abspielen.
„Unnötige Spitalsaufenthalte“ seien kein Gewinn, sondern eher ein Risiko plus finanzielle Belastungen, erklärte man gegenüber der Ärzte Krone bei der OÖGKK: „Ziel der Spitalsreform war und ist daher, Über- und Fehlversorgungen zu vermeiden – und nicht nur zu verschieben. Im Hinblick auf Kostenverlagerungen muss der immer wieder angeführte Grundsatz gelten, dass allfällige Mehrkosten im niedergelassenen Bereich aus den erzielten Einsparungen im Spitalsbereich zu finanzieren sind, sprich: ‚Das Geld muss dorthin bezahlt werden, wo die Leistung erbracht wird‘.“
Ein Kernsatz: „Tatsächlich registriert die OÖGKK einen deutlichen Anstieg von Leistungen im niedergelassenen Bereich, vor allem bei den Fachärzten.“ Dies vor allem durch Kürzungen in den Ambulanzen.
Dr. Thomas Fiedler, Niedergelassenen-Kurienobmann in OÖ (Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe) stellte die vermehrten Anforderungen im niedergelassenen Bereich an einem illustren Beispiel dar: Eine Frau nach Kaiserschnitt war bis zu 14 Tage im Spital. Heute wird sie am fünften Tag mit liegenden Nähten und der Notwendigkeit der Verbandswechsel etc. entlassen. Postoperative Kontrollen und vieles mehr würden ausgelagert.
Der Kammerfunktionär: „Und das trifft jetzt auf eine Situation, in der wir in den Spitälern einen Ärztemangel haben und ihn in Zukunft wohl auch in der niedergelassenen Praxis haben werden.“
Es gehe aber auch noch um andere Dinge. „In der niedergelassenen Praxis sind wir ständig mit höheren Anforderungen konfrontiert. Wenn ein niedergelassener Arzt kleine Eingriffe mit kleiner Wunderversorgung etc. machen soll, benötigt er nach der Hygieneverordnung ein Sterilisationsgerät etc., etc. Das kostet 4.000 Euro. Bei dem Tarif dafür amortisiert sich das nicht. Er kann jetzt Einmalbesteck verwenden – das ist ökonomisch nicht sehr sinnvoll. Oder er sagt dem Verletzten mit einer Platzwunde: ‚Fahren S‘in die Ambulanz!‘.“
Für den seit Jahren für mehr Ehrlichkeit in der gesundheitspolitischen Diskussion auftretenden OÖ-Ärztekammerpräsidenten Dr. Peter Niedermoser ist das alles nicht neu. „Österreich ist ein reiches Land. Das Geld ist da. Man müsste halt darüber diskutieren, was die Hauptaufgaben eines Staates sind. Für mich ist das zuvorderst auch der Gesundheitsbereich.“
Man könne schon alles „effizient“ machen, doch organisatorische Umstrukturierungen, Verkleinerung von Spitalsabteilungen, Zusammenlegungen und Reduktion von Ambulanzen hätten eben auch unbestreitbar folgenden Effekt: „Bestimmte Leistungen werden nicht mehr durchführbar.“ Das werde aber der Öffentlichkeit von den Verantwortlichen ständig verschwiegen.