„Das Geld steht für die Ärzte nicht mehr an erster Stelle. Die sogenannte Work-Life-Balance ist mittlerweile schon wichtiger“, so fasste jetzt Dr. Jörg Garzarolli, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der Steiermark, brandneue Daten im Gespräch mit der Ärzte Krone zusammen.
Der Hintergrund: Die steirische Ärztekammer hat eine „Zukunftsbefragung“ unter ihren Mitgliedern durchgeführt. Es ging dabei um ein breites Bild über das Verfasstsein der Ärzte bis zum 45. Lebensjahr. Sie werden ja in wenigen Jahren das Gros der Ärzteschaft stellen – nach der großen bevorstehenden Pensierungswelle.
„Wir haben ein Tool für solche Abfragen und wollten im Jänner und Februar dieses Jahres die wichtigsten Themen für jüngere Ärzte ansprechen. Es geht ja darum, die richtigen Strategien für die Ärzte zu entwickeln. Und man will ja bei Verhandlungen nicht ‚daneben‘ liegen“, sagte Garzarolli.
Insgesamt konnten 494 Datensätze ausgewertet werden. Der Rücklauf lag, was für solche Online-Befragungen hoch ist, bei 20% der entsprechenden Personengruppe in der Steiermark. 58,3% der antwortenden Ärzte waren Frauen. Den größten Anteil bei den Altersgruppen hatten die 35- bis 39-Jährigen (34%). Bei 44,35% handelte es sich um Allgemeinmediziner.
Die Frage aller Fragen: „Wie planen Sie ihren weiteren beruflichen Weg?“ Und hier ist die Zusammenfassung des steirischen Niedergelassenen-Kurienobmanns kurz und bündig: „Die Kollegen denken erst später an eine Niederlassung in der Praxis. Sie bleiben länger im Spital.“
Die vor einigen Jahrzehnten für viele fertig ausgebildeten Ärzte in Österreich geltende Formel: „Auf in die Praxis!“ hat nur noch bedingt Gültigkeit. 35,64% wollen eine Kombination aus einer Anstellung und der Arbeit in der niedergelassenen Praxis ausüben (2,59% streben ein Anstellungsverhältnis an). 23,33% wollen „weiter angestellt bleiben“. Für 17,06% ist eine Kassenpraxis das Ziel, bereits für 13,82% die freiberufliche Niederlassung als Wahlarzt.
Garzarolli: „Dahinter steht auch eine Lebenseinstellung, die dem Familienleben wesentlich mehr Bedeutung zumisst. Man will mit seiner Familie irgendwo etabliert sein, um dann seine endgültige Entscheidung zu treffen.“
Roh gesagt: Ein Drittel der Ärzte will im Spital bleiben, ein weiteres Drittel als Kassen- oder Wahlarzt in die Praxis. Die Präferenzen in der niedergelassenen Praxis, wenn Ius practicandi und Facharztdiplom vorhanden sind: Fast 70% wollen dann im fachärztlichen Bereich arbeiten, der Rest als Allgemeinmediziner.
Als Arzt und somit als Unternehmer in der niedergelassenen Praxis zu arbeiten, wird ohne Zweifel als Risiko gesehen. Eine „wirtschaftlich unsichere Situation in der Praxis (insbesonders als Wahlarzt) gaben 18,46% als Entscheidungsgründe für eine Anstellung an. Für knapp 17% bietet ein „Angestelltenverhältnis mehr soziale Absicherung“. Für 11,3% ist Teamarbeit bei Arbeit in einem Angestelltenverhältnis leichter zu realisieren. Und fast 11% sorgen sich vor „zu viel Bürokratie in Kassenpraxen“. 6,36% fühlen sich „unsicher“ in einer Rolle des selbstständigen, alleinverantwortlichen Unternehmers.
Garzarolli: „Man sucht ‚Geborgenheit‘ im sozialen Bereich. Die Bereitschaft, unternehmerisch selbstverantwortlich tätig zu sein, hat eindeutig abgenommen.“
„Ein Kassenvertrag ist für die Kollegen, die in die niedergelassene Praxis gehen wollen, nicht mehr das Nonplusultra. Das hilft uns bei den Kassenverhandlungen, in denen es jetzt ja zunehmend darum geht, wie wir Stellen nachbesetzen“, betonte der steirische Kurienobmann.
So würden 27,43% die Position als „Kassenarzt“ in der niedergelassenen Praxis wählen. 16,41% würden hauptberuflich die Form des Wahlarztes präferieren. 26,57% würden am liebsten Wahlarzt neben einer Anstellung sein. Immerhin 11,45% würden vorziehen, zunächst als Wahlarzt und danach als Kassenarzt zu arbeiten. Somit ziehen fast 43% eine Arbeit als Wahlarzt vor, mehr als die Hälfte davon in Verbindung mit einer Anstellung.
Die Argumente für eine kassenärztliche Tätigkeit liegen bei 31,51% der Befragten beim „gesicherten Patientenstock“. Dann folgen schon das „geregelte Einkommen“ mit 28,25% und die „gesicherten vertraglichen Rahmenbedingungen“ (24,11%). Freilich dürfen die Krankenkassen nicht darauf hoffen, ein besonders gutes Image zu haben: Nur 12,28% bezeichneten die Krankenkassen als „verlässliche Vertragspartner“.
Gleichzeitig ist offenbar die Einzelpraxis für viele Ärzte etwas, dem man einfach „Ade!“ sagen sollte. Bei den Organisationsformen führte eindeutig die „Gruppenpraxis“ (OG oder GmbH)“, so eben eine Niederlassung erfolgen sollte: 32,4% sprachen sich dafür aus. Dann folgte die „Praxis in einem Ärztezentrum“ mit 18,57%.
An dritter Stelle fand sich schließlich die Wahlarztpraxis. Für sie sprechen bei den Ärzten „mehr Zeit für Patienten“ (22,48%), „bessere Planbarkeit des Praxisablaufes“ und „kaum Bindung an vertragliche Bestimmungen der Kassen“ mit je rund 19% sowie „keine unmittelbaren Limitierungen und Degressionen“ (15,27%).
Eine Einzelpraxis mit Gebietskrankenkassen-Vertrag ist derzeit nur für 11,66% ein gefragtes Modell.
Der steirische Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte will genau diesen Trend zu Gruppenpraxen – wie insgesamt zu Zusammenarbeitsmodellen – in Zukunft von der Politik und den Sozialversicherungen unterstützt sehen: „Man erwartet sich eine Förderung. Da sind Sozialversicherung und Politik gefordert. Man erwartet sich auch eine Förderung, damit man speziell in eine Landarztpraxis geht.“
Und so sind die Rahmenbedingungen, welche Ärzte aufs Land ziehen könnten, ein breites Spektrum: Eine gute „Work-Life-Balance“ steht mit 17,04% ganz oben. Dann folgt eine „finanzielle Unterstützung bei Praxisgründung und Praxisführung“ (14,52%), gefolgt von der Möglichkeit zur Gründung einer Gruppenpraxis (13,295) und einer „angemessenen, besseren Vergütung“ (12,24%).
Die Forderungen für die Zukunft gehen ans Grundsätzliche. Das sollte sich ändern, damit der Beruf des Arztes attraktiv bleibt:
Damit sind alle gefordert: Gesundheitspolitik, Sozialversicherung und Standespolitik. Denn ohne Rücksicht auf diese Forderungen könnte es mit den Ärzten in Österreich noch zusätzlich „eng“ werden.