Frauen sind überproportional häufiger von Alzheimer-Demenz betroffen als Männer. Etwa zwei Drittel der Alzheimer-Patient:innen sind weiblich. Der Hauptgrund für diesen Geschlechterunterschied wird in der höheren Lebenserwartung von Frauen gesehen, da das Risiko, an Demenz zu erkranken, mit dem Alter zunimmt. In zahlreichen Studien konnte jedoch, nach Herausrechnen der Lebensdauer, gezeigt werden, dass Frauen weiterhin öfter an einer Alzheimer-Demenz erkranken.
Dieser Unterschied in der erhöhten Prävalenz ist zwar nicht abschließend erforscht, lässt sich jedoch zum Teil multifaktoriell, allen voran durch hormonelle, jedoch auch genetische und auch sozioökonomische Faktoren erklären. Insbesondere den Östrogenen wird eine wesentliche Rolle im Sinne einer neuroprotektiven Wirkung in Bezug auf neurodegenerative Erkrankungenzugeschrieben. Mit dem Absinken des Östrogenspiegels nach den Wechseljahren geht dieser Schutz verloren, was zu einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz führen könnte. Einige Studien konnten einen schützenden Effekt einer Hormonersatztherapie (HRT) durch Reduktion der schädlichen Tau- Ablagerungen im Gehirn, die in Zusammenhang mit der Entwicklung einer Alzheimer- Demenz stehen, nachweisen. Aktuell ist die Studienlage diesbezüglich jedoch umstritten, da dieser positive Effekt zeitpunktabhängig ist und lediglich beim Übergang in die Menopause bzw. in der frühen Postmenopause gezeigt werden konnte. In späteren Stadien könnte es sogar zu einem erhöhten Demenzrisiko führen, weswegen die HRT aktuell nicht zur Prävention einer Alzheimer-Demenz empfohlen wird. Weiters konnte eine Studie im Fachmagazin Neurology im Jahr 2019 einen Zusammenhang zwischen der Länge der Reproduktionsphase und einem erhöhten Demenzrisiko zeigen, wobei das späte Einsetzen der Menstruation oder das frühe Einsetzen der Menopause zu einem rund 26 Prozent höheren Demenzrisiko führte.
Ein bekannter genetischer Risikofaktor ist das Apolipoprotein-E-(ApoE-)Gen, das drei Isoformen aufweisen kann: E2, E3 und E4, wobei das E4-Allel mit einem erhöhten Alzheimer-Demenz-Risiko assoziiert ist. ApoE4 geht bei Frauen nachweislich mit höheren Tau-Ablagerungen einher und senkt das durchschnittliche Alter des Symptombeginns um ein Jahrzehnt. Etwa zwei Drittel der Personen mit Alzheimer-Demenz haben mindestens eine ApoE4-Kopie. Obwohl Frauen und Männer gleichermaßen häufig ApoE4-Träger:innen sind, scheint der Einfluss auf das Demenzrisiko bei Frauen aufgrund der erhöhten Tau-Pathologie ausgeprägter zu sein und häufig zu einem früheren Erkrankungsbeginn zu führen. Die Gründe hierfür sind bislang noch nicht gänzlich geklärt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die unterschiedliche Symptomatik bei Männern und Frauen. In der frühen Phase oder Vorstufe der Alzheimer-Demenz (MCI, milde kognitive Beeinträchtigung) erzielen Frauen häufig bessere Ergebnisse in klassischen neuropsychologischen Testungen, da diese Tests meist den Schwerpunkt auf das verbale Gedächtnis legen. Diese Domäne ist bekanntermaßen bei Frauen stärker ausgeprägt, weshalb eine geschlechtsspezifische Anpassung der Testverfahren von Vorteil sein könnte. Auch in Bezug auf Verhaltensstörungen erkennt man geschlechtsspezifische Unterschiede. Während Männer häufiger zu aggressivem Verhalten neigen, kommt es bei Frauen eher zu Depressionen.
Neben biologischen und genetischen Unterschieden beeinflussen auch psychosoziale Faktoren das Risiko und den Verlauf der Alzheimer-Demenz. Frauen haben im Durchschnitt ein niedrigeres Bildungsniveau als Männer und sind häufig alleinlebend oder verwitwet, wodurch das Risiko für Demenzerkrankungen erhöht ist. Soziale Isolation und Einsamkeit haben ebenso negative Auswirkungen auf die kognitive Gesundheit und können den Krankheitsverlauf beschleunigen. Darüber hinaus übernehmen Frauen häufiger die Rolle der pflegenden Angehörigen für Familienmitglieder. Diese zusätzliche Belastung kann sich negativ auf die eigene Gesundheit auswirken und das Risiko für psychische Erkrankungen, insbesondere Depressionen erhöhen, die wiederum mit einem höheren Demenzrisiko assoziiert sind.
Angesichts der geschlechtsspezifischen Unterschiede der Alzheimer-Demenz stellt sich die Frage, ob diese (biologischen) Unterschiede die Ergebnisse klinischer Studien beeinflussen. Derzeit berücksichtigen die meisten Studien zur Alzheimer-Demenz und Therapie die geschlechtsspezifischen Unterschiede nicht ausreichend. Es ist notwendig, dass zukünftige klinische Studien die biologischen, genetischen und psychosozialen Unterschiede zwischen Männern und Frauen systematisch untersuchen.
Es finden sich deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede in Prävalenz, Symptomatik und Krankheitsverlauf der Alzheimer-Demenz. Frauen sind überproportional häufig betroffen, was teilweise auf ihre höhere Lebenserwartung und hormonelle Einflüsse zurückzuführen ist.
Genetische Risikofaktoren wie das ApoE4-Allel führen bei Frauen über vermehrte Tau- Ablagerungen zu einem erhöhten Demenzrisiko und einem früheren Erkrankungsbeginn. Zudem variieren die Symptome: Frauen zeigen in der frühen Krankheitsphase oft bessere Leistungen in verbal orientierten Tests und bemerken häufiger psychiatrische Symptome wie Depressionen, während Männer tendenziell zu aggressivem Verhalten neigen. Der Krankheitsverlauf ist bei Frauen oft schwerer und schneller, was spezielle Behandlungsansätze erforderlich macht. Es besteht ein dringender Bedarf an klinischen Studien, die geschlechtsspezifische Unterschiede in der Alzheimer-Demenz umfassend berücksichtigen.