Gesundheitskompetenz in Österreich

„Gesundheitskompetenz (GK) umfasst das Wissen, die Motivation und die Fähigkeiten von Menschen, relevante Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden, um im Alltag in den Bereichen Gesundheitsförderung (zur Erhaltung und Stärkung der Gesundheit), Prävention (zur Vorbeugung von Beschwerden oder Erkrankungen) und Krankenversorgung (bei bestehenden Beschwerden oder Erkrankungen) Entscheidungen treffen zu können, die zur Erhaltung oder Verbesserung der Lebensqualität und Gesundheit während des gesamten Lebensverlaufs beitragen“, so die Definition von Sörensen et al. aus dem Jahr 2012.

Handlungsbedarf

Im Jahr 2011 wurde in Österreich die erste Erhebung zur Gesundheitskompetenz durchgeführt – die Ergebnisse zeigten im Vergleich zu anderen Ländern Handlungsbedarf auf und waren für zahlreiche positive Entwicklungen ausschlaggebend: Der Stärkung der Gesundheitskompetenz wurde eines der 10 Gesundheitsziele Österreich gewidmet, die dazu beitragen sollen, die Zahl der gesunden Lebensjahre anzuheben. Außerdem wurde die Einrichtung der Österreichischen Plattform Gesundheitskompetenz (ÖPGK) beschlossen. Die ÖPGK koordiniert, unterstützt und entwickelt die Umsetzung dieses „Gesundheitsziels Nr. 3“.

Um für die Planung und Bewertung gesundheitspolitischer Maßnahmen zur Förderung der GK verlässliche Daten zu rekrutieren, wurde die Erhebung im Jahr 2020 wiederholt (HLS19-AT = Health Literacy Population Survey 2019–2021, AT für Österreich): Rund 3.000 Personen im Alter über 18 Jahre wurden zu Themen der allgemeinen GK und auch zu speziellen GK-Bereichen (digitale GK, Navigationskompetenz im Gesundheitssystem, kommunikative GK, GK in puncto Impfentscheidungen) befragt.

Deutliche Herausforderungen bestehen nach wie vor u. a. bei der Beurteilung und dem Anwenden von Gesundheitsinformationen aus den Medien – speziell bei digitalen Medien – sowie bei der Orientierung im Gesundheitssystem (Navigationskompetenz). Erfreulich für uns Ärzt:innen wurde die kommunikative GK im Rahmen ärztlicher Gespräche bewertet.

Unterschiede in den Bevölkerungsgruppen

Eine Herausforderung sind auch die Unterschiede in den verschiedenen Bevölkerungsgruppen: Niedrigere Bildung und prekäre finanzielle Situation führen zur geringeren GK, ebenso chronische Erkrankungen.

Bekannt ist, dass Menschen mit einer geringeren GK ungünstigere Bewegungs- und Ernährungsverhalten und einen höheren BMI aufweisen sowie häufiger von chronischen Erkrankungen bzw. Einschränkungen im Alltag betroffen sind oder schlechter mit chronischen Gesundheitsproblemen zurechtkommen. Außerdem nehmen diese Menschen das Gesundheitssystem stärker in Anspruch und verbringen mehr Tage im Krankenstand. Somit muss die Anhebung der GK ein echtes Anliegen sein. Die GK-Maßnahmen sind in einer 34-seitigen Empfehlungsbroschüre des BMSGPK zur Verbesserung der GK gut beschrieben, bewährte zur Gesundheitsförderung beitragende Maßnahmen im Gesundheitssystem und in anderen Sektoren sowie auch für verschiedene Zielgruppen in Österreich werden in einer 207-seitigen Toolbox der ÖPGK dargestellt.

Fazit

Der Ordinationsalltag ist oftmals stressig, keine Frage. Dennoch ist es befriedigender bzw. eigentlich dem Berufsethos entsprechend, wenn man gewisse Ansprüche an die eigene Arbeitsqualität stellt. Natürlich ist die Therapie von akuten und chronischen Krankheiten der Schwerpunkt in der Primärversorgung, eine moderne Arztpraxis soll aus meiner Sicht unbedingt auch verstärkt auf Gesundheitsorientierung im Sinne von Gesundheitsförderung, Gesundheitskompetenz und Krankheitsprävention setzen.

Checkliste: Förderung der Gesundheitskompetenz

Ich beschränke mich auf Möglichkeiten zur Gesundheitsförderung in der Hausarztpraxis – sowohl in Einzel- oder Gruppenordinationen als auch in Primärversorgungseinheiten. Maßnahmen betreffen einzelne Patient:innen, die Bevölkerung im Einzugsgebiet der Praxis sowie auch die Mitarbeiter:innen. Die Gliederung in 3 Teilbereiche möchte ich hier in Form einer Checkliste – wie sie ja auch existiert – übersichtlich beschreiben, die einzelnen Punkte als Fragen und somit als Möglichkeit zur Selbstreflexion darstellen:

  1. Organisation und Praxisführung
    – Werden in der Ordination stetige Verbesserungsprozesse zur Gesundheitsorientierung eingegangen?
    – Werden Weiterbildungen zur GK auch finanziell unterstützt?
  2. Gesundheitsförderung der Mitarbeiter:innen
    – Gibt es Weiterbildungen hinsichtlich patientenzentrierter Gesprächsführungen oder Umgang mit schwierigen Patient:innen?
    – Gibt es in der Praxis Angebote für die Mitarbeiter:innen zur Förderung der Gesundheit (z. B. ergonomische Arbeitsplätze, Umgang mit Stress u. a.)?
  3. Gesundheitsförderung der Patient:innen
    – Gibt es Beratungsangebote zu Risikofaktoren, bzw. werden Patient:innen an regionale Gesundheitsförderungsangebote weitervermittelt? Wird mit anderen Einrichtungen in der Region kooperiert?
    – Wie werden Patient:innen bei der Orientierung und Navigation im Gesundheitssystem unterstützt?
    – Sind die schriftlichen Dokumente (Informationsblätter u. a.) verständlich und relevant?
    – Wird den Gesprächen angemessene Zeit gewidmet? Wird die Kommunikationsqualität immer wieder hinterfragt und evtl. durch Schulungen angehoben?
    – Gibt es frei zugängliche Gesundheitsinformationen bzw. Hinweise auf entsprechende Veranstaltungen? Sind diese hinsichtlich Qualität und Aktualität passend?
    – Werden z. B. Medikamentenverschreibungen ausreichend gut erklärt bzw. evtl. auch in Form von Tabellen bereitgestellt?
Quelle: Österreichische Plattform Gesundheitskompetenz, Checkliste Gesundheitsförderung und Gesundheitskompetenz in der Hausarztpraxis, Stand Oktober 2023