„Es könnte sehr schwierig werden, den von der Gesundheitsreform angestrebten Finanzpfad einzuhalten. Während 2010 das BIP (+3,2%) deutlich stärker gewachsen ist als die Gesundheitsausgaben (+2,9%), sehen wir 2011 wieder ein starkes Wachstum im Gesundheitsbereich (BIP: +2,6%, Gesundheitsausgaben: +4,7%)“, sagte die Gesundheitsökonomin MMag. Maria Hofmarcher im Gespräch mit der Ärzte Krone.
Die Fakten: In den Jahren vor der Wirtschafts- und Finanzkrise warnten in ganz Europa Experten, Gesundheits- und Finanzpolitiker ständig vor einer „Kostenexplosion“ im Gesundheitswesen. Die Situation kippte jedoch mit dem Ausbruch der Krise schnell. Die Gesundheitsausgaben der OECD-Staaten waren im Zeitraum von 2000–2009 im Durchschnitt um jährlich fast 5% gewachsen. 2010 und 2011 lag diese Rate nur noch bei jeweils 0,5%. In Griechenland gingen die Ausgaben gar um 11% zurück.
Österreich: Real und pro Kopf wurde zwischen dem Jahr 2000 und 2009 ein jährliches Wachstum der Gesundheitsausgaben um 2% registriert (BIP +0,9%). Von 2009–2011 waren es dann jeweils nur noch plus 0,4% (BIP +1,3%). Von „Kostenexplosion“ war keine Spur mehr.
Die Gesundheitsökonomin: „Das hat sich aber wieder geändert. 2012 sind die Gesundheitsausgaben in Österreich deutlich gestiegen. Das Wachstum (zu konstanten Preisen 2005) betrug 3%, bei den Ausgaben der öffentlichen Hand waren es etwa 2%. Und das könnte die Bemühungen der österreichischen Gesundheitsreform um eine Begrenzung des Ausgabenwachstums gefährden.“ Einer der Kernpunkte der von Bund, Bundesländern und Sozialversicherung beschlossenen Gesundheitsreform ist ja die Bindung des Ausgabenwachstums im Gesundheitswesen an das prognostizierte BIP-Wachstum. Das betrug 2013 gerade einmal 0,9%!
Die Frage ist, ob die österreichische Politik ihre Rolle bei der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen schlicht und einfach überschätzt. „Wenn die Wirtschaft wächst, steigen die Gesundheitsausgaben. Stagniert die Wirtschaftsentwicklung, gibt es auch einen Rückgang der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen. Wir haben bereits 2011 für Österreich gezeigt, dass die Gesundheitsausgaben sehr prozyklisch sind. Doch eigentlich sollten sich die Gesundheitsausgaben ja antizyklisch verhalten, weil sie gute Stabilisatoren für die Entwicklung des BIP sein können“, sagte Hofmarcher.
Was Österreich und Deutschland auszeichnet: Das „Auf und Ab“ bei den Aufwendungen für die Gesundheit ist quasi schaumgebremst und hinkt hinter der wirtschaftlichen Entwicklung her. Die Gesundheitsökonomin: „Das ist der Effekt des Sozialversicherungswesens mit gesetzlichen Leistungsansprüchen, die sich nicht so einfach verändern.“ Klar: Auf ein verstaatlichtes Gesundheitswesen hat die Politik direkteren budgetären Zugriff.
Freilich, die Proponenten der österreichischen Gesundheitsreform können sich ihres geplanten Erfolges – die Dämpfung der Kostenentwicklung bis 2016 um 3,6 Milliarden Euro – noch keineswegs sicher sein. Und das trotz aller Erfolgsmeldungen zur „Übererfüllung“ der Finanzziele der Krankenkassen mit einem Bilanzüberschuss für 2013 von insgesamt 217 Millionen Euro.
„Wir sind sozusagen vom ‚Kindergarten‘ in die ‚Volksschule‘ gekommen. Vielleicht kommen wir ins ‚Gymnasium‘. Aber ‚Maturaniveau‘ haben wir bei der Reform des Gesundheitswesens noch nicht erreicht“, sagte Hofmarcher. Die Gründe dafür liegen laut der Expertin vor allem darin, dass die Finanztöpfe von Bund, Bundesländern und Sozialversicherung nicht wirklich zusammengefasst wurden. „Das macht eine straffere Steuerung besonders schwierig“, so die Expertin. Wenn aber das Wachstum der Gesundheitsausgaben real weiterhin um 2,5 oder mehr Prozentpunkte über dem BIP-Wachstum liegen, dürfen alle am Gesundheitswesen Beteiligten wohl fix mit einem rechnen: mit der nächsten Kostendebatte!