Gicht ist die häufigste entzündliche Gelenkserkrankung, weiterhin mit steigender Prävalenz, und geht mit starken Schmerzen einher. Es gibt gut definierte Behandlungsziele, die jedoch häufig nicht erreicht werden, obwohl kausale und wirksame Behandlungsansätze verfügbar sind.
Die Gichtbehandlung stützt sich auf zwei Säulen:
Aktuelle Leitlinien wie z. B. die 2020 erschienenen Leitlinien des American College of Rheumatology (ACR) geben klare Empfehlungen, wann eine Indikation zur Behandlung vorliegt und welche Therapieziele angestrebt werden sollen.
Die Leitlinien des ACR empfehlen die Einleitung einer harnsäuresenkenden Therapie (Urate-Lowering Therapy, ULT)
Bei Patient*innen mit mehr als einem Anfall kann eine Therapie erwogen werden. Beim ersten Anfall wird generell von einer Therapie abgeraten; ausgenommen sind Patient*innen mit mäßig ausgeprägter chronischer Niereninsuffizienz (≥ G3), mit sehr hohen Harnsäurekonzentrationen (> 9 mg/dl) oder Urolithiasis.
Die Leitlinien der europäischen Rheuma-Liga (EULAR) empfehlen eine harnsäuresenkende Therapie nach dem ersten Gichtanfall bei Patient*innen mit kardio-vaskulären oder renalen Komorbiditäten, mit hohen Harnsäurewerten (> 8 mg/dl) oder jungem Alter sowie bei Tophi oder chronischer Gichtarthritis.
Für die Praxis: Aus den Empfehlungen kann abgeleitet werden, dass beim ersten gesicherten Gichtanfall die Vorteile und Risiken einer ULT sowie der zu erwartende weitere Krankheitsverlauf mit den Patient*innen besprochen werden sollten. Eine ULT kann bereits während der Anfallsbehandlung eingeleitet werden. Von der medikamentösen Behandlung einer asymptomatischen Hyperurikämie ohne Gicht wird explizit abgeraten.
Bei einer harnsäuresenkenden Therapie sollte eine Harnsäure-(Uric Acid = UA-)Konzentration von zumindest < 6 mg/dl erreicht und in der Folge regelmäßig kontrolliert werden. Eine dauerhafte Senkung ist notwendig, um Anfallsfreiheit zu erzielen und Tophi aufzulösen. Auch bei optimaler Harnsäuresenkung kann es je nach „Harnsäurelast“ noch Jahre dauern, bis keine Anfälle mehr auftreten.
Daher wird von der EULAR bei tophöser Gicht eine UA-Senkung auf < 5 mg/dl empfohlen, um eine schnellere Auflösung der Tophi und eine frühere Anfallsfreiheit zu gewährleisten. Ebenso profitieren Patient*innen mit chronischer Gichtarthritis oder sehr häufigen Anfällen von einer Harnsäuresenkung unter 5 mg/dl, weil dadurch die Zeit bis zur Symptomfreiheit verkürzt wird. Von einer langfristigen Senkung auf < 3 mg/dl wird jedoch aufgrund von Bedenken zum vermehrten Auftreten mancher neurodegenerativer Erkrankungen abgeraten.
Für die Praxis: Besteht die Indikation für eine ULT, ist ein ausführliches Patient*innen-Informationsgespräch ein unverzichtbarer Baustein einer erfolgreichen Gichtbehandlung. Dabei sind die Notwendigkeit der dauerhaften ULT, der Krankheitsverlauf, die unter Therapie (insbesondere bei hoher Startdosis bzw. rascher Auftitrierung) anfangs weiterhin möglichen Anfälle sowie Prophylaxestrategien zu erklären. Die bei ULT sehr niedrige Adhärenz ist ein wesentlicher Faktor für das häufige Verfehlen der Therapieziele bei Gicht; Studien zeigen jedoch deutlich, dass mit strukturierter Patient*inneninformationausgezeichnete Adhärenzraten erreichbar sind.
Allopurinol ist die ULT der ersten Wahl, auch bei Patient*innen mit mäßig bis schwer ausgeprägter chronischer Niereninsuffizienz (≥ G3).
Eine Allopurinoltherapie sollte langsam auftitriert werden, weil dies das Risiko sowohl von Nebenwirkungen als auch von durch rasche Schwankungen des Harnsäurespiegelsbedingten Gichtanfällen vermindert. Wechselwirkungen mit Azathioprin und 6-Mercaptopurin sind zu beachten.
Mit einer fixierten Dosis von 300 mg wird das UA-Ziel bei weniger als der Hälfte der Patient*innen mit normaler Nierenfunktion erreicht; die mittlere notwendige Dosis, um das UA-Ziel zu erreichen, liegt meist um 400 mg, wobei Dosen bis 800 mg möglich sind.
Bei normaler Nierenfunktion sollte die Startdosis ≤ 100 mg betragen und bei guter Verträglichkeit alle 2–4 Wochen um maximal 100 mg erhöht werden, bis das Harnsäureziel erreicht ist. Bei Dosen über 300 mg kann eine Aufteilung auf eine zweimal tägliche Gabe die gastrointestinale Verträglichkeit verbessern. Bei chronischer Niereninsuffizienz ist die Dosierung von Allopurinol kontroversiell. Traditionell wird diese bei eingeschränkter Nierenfunktion an die errechnete glomeruläre Filtrationsrate (GFR) angepasst, um das Risiko von Nebenwirkungen, insbesondere schwerer allergischer Reaktionen, zu vermindern, die bei dieser Patient*innengruppe häufiger beobachtet werden. Ein juckendes makulopapulöses Exanthem tritt bei etwa 2 % der mit Allopurinol behandelten Patient*innen auf, selten (< 1/1.000) kann es jedoch auch zum Allopurinol-Hypersensitivitätssyndrom (AHS) kommen. Bei letzterem handelt es sich um eine schwere systemische Reaktion mit Exanthem, Fieber, Eosinophilie, Leber- und Nierenversagen und hoher Mortalität. Die Literatur weist darauf hin, dass die Allopurinol-Startdosis (nicht die Erhaltungsdosis) mit dem Auftreten eines AHS assoziiert ist, woraus die aktuellen britischen Leitlinien Empfehlungen für eine sichere, niedrige Startdosis ableiten (Tab.).
Mit GFR-adaptierten Allopurinol-Erhaltungsdosen erreichen weniger als ein Viertel der Patient*innen mit CKD das UA-Ziel. Eine Studie verglich bei 183 Patient*innen eine langsame Dosissteigerung mit einer Fortführung der GFR-adaptierten Dosis und zeigte, dass die Zielwerterreichung bei langsamer Dosissteigerung (50–100 mg/Monat) wesentlich gesteigert werden konnte. Mit Ausnahme häufigerer GGT-Anstiege gab es in der Eskalationsgruppe keine signifikant häufigeren Nebenwirkungen, es trat kein AHS auf. Einschränkend ist anzumerken, dass die Patient*innenanzahl in dieser Studie nicht ausreichend groß war, um eine seltene Nebenwirkung wie das AHS sicher zu detektieren.
Aus diesem Grund wird in den EULAR-Leitlinien eine Anpassung der maximalen Erhaltungsdosis an die GFR empfohlen; ACR und BSR (British Society for Rheumatology) empfehlen eine vorsichtige, langsame Titration, die, wenn notwendig, auch über die GFR-basierte Dosis hinausgehen kann.
Für die Praxis: Patient*innen sollten über Frühzeichen eines AHS (Juckreiz, Ausschlag) und sofortiges Absetzen der Therapie bei deren Auftreten aufgeklärt werden. Bezüglich Erhaltungsdosis erscheint dem Autor bei gut aufgeklärten Patient*innen mit CKD ≥ G3, die eine niedrige Startdosis (Tab.) tolerieren, eine langsame Dosissteigerung (≤ 50 mg alle 4 Wochen), vereinbar mit den ACR- und BSR-Leitlinien, unter regelmäßigen Laborkontrollen bis zum Erreichen des UA-Ziels als sinnvoll.
Febuxostat erfordert bis zu einer GFR < 30 keine Dosisanpassung. Im Vergleich mit Allopurinol (300 mg) war Febuxostat bezüglich der UA-Senkung überlegen. Hinsichtlich kardiovaskulärer (CV) Sicherheit zeigte sich in einer kontroversiell diskutierten Studie an Gichtpatien*innen mit schwerer CV-Begleiterkrankung kein Unterschied im kombinierten primären Endpunkt (CV-bedingter Tod, nichttödlicher Herzinfarkt oder Schlaganfall und Notfallrevaskularisation bei instabiler Angina Pectoris), jedoch traten unter Febuxostat die Endpunkte Tod und CV-bedingter Tod signifikant häufiger auf. In einer weiteren großen Studie zeigte sich verglichen mit Allopurinol kein erhöhtes Risiko für CV-Ereignisse oder Tod, es wurden jedoch Patient*innen mit weniger schweren CV-Erkrankungen untersucht als in der oben genannten Studie.
Für die Praxis: Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint es angemessen, Febuxostat vorerst nur bei Kontraindikation, Unverträglichkeit oder Versagen von Allopurinol zu verwenden und bei CV-RisikoPatient*innen mit besonderer Vorsicht einzusetzen, eine absolute Kontraindikation besteht nicht.
Ein wichtiges Praxisproblem mit großen negativen Auswirkungen auf die Therapieadhärenz ist das häufige Auftreten von Anfällen in der Einleitungsphase einer ULT. Dies betrifft etwa 65 % der Patient*innen in den ersten drei Monaten; eine Prophylaxe konnte in einer Studie die Rate auf 19 % senken, und die Anfälle waren weniger schwer.
Zur Anfallsprophylaxe wird Colchicin (0,5–1 mg) für 3–6 Monate, je nach Schwere der Gichterkrankung (Anzahl der Tophi, Häufigkeit der Anfälle) empfohlen. Die sorgfältige Prüfung von Wechselwirkungen (u. a. Azole, Clarithromycin, Ciclosporin, Amiodaron, Simvastatin, Atorvastatin) und eine Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz sind wichtig. Bei Dosisreduktion verbessern sich dosisabhängige gastrointestinale Beschwerden als häufigste Nebenwirkungen oft.
Bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeit ist bei geeigneten Patient*innen auch eine Prophylaxe mit niedrigdosierten nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) möglich.
Wissenswertes für die Praxis: Als am sinnvollsten erscheint es, eine medikamentöse Prophylaxe und eine langsame Titration der ULT zu kombinieren. Bei Unverträglichkeit oder Kontraindikationen gegen Prophylaxemedikamente kann eine individualisierte, langsamere ULT-Titration ein Ausweg sein.
Literatur beim Verfasser
Originalversion des Artikels ist in der Zeitschrift FAKTEN der Rheumatologie 3/2020 erschienen.