Der mj. Kläger im Schulpflichtalter war im Alter von 17 Monaten das erste Mal gegen Mumps, Masern und Röteln (MMR) geimpft worden, ohne dass es Komplikationen gegeben hätte. Die zweite Impfung erfolgte mit dem Impfstoff „Priorix“ im Rahmen einer Schulimpfaktion, die vom Obersten Sanitätsrat für Kinder empfohlen wurde, die bislang noch keine oder erst eine MMR-Impfung erhalten haben. In der dazu beigelegten Information wurde darauf hingewiesen, dass die MMR-Impfung mit einem sehr gut verträglichen Kombinationslebendimpfstoff verabreicht wird. Zudem wurde auf die möglichen Folgen einer MMR-Erkrankung (u.a. Lungen-, Gehirn-, Mittelohrentzündung) hingewiesen. Die Eltern stimmten der Impfung zu, ein persönliches Aufklärungsgespräch erfolgte nicht. Im Beipacktext des Impfstoffes ist die Erkrankung an idiopathischer thrombozytopenischer Purpura (ITP) als sehr seltene Nebenwirkung ausgewiesen. Zehn Tage nach der Impfung wurde beim Kind eine akute ITP festgestellt, über einen Zeitraum von zwei Monaten durfte es weder am Schulunterricht teilnehmen, und auch sonst war jede Tätigkeit mit Verletzungsgefahr zu unterlassen; beschwerdefrei war es erst nach drei Monaten. In der Klage gegen das betreffende Bundesland als Dienstgeber der Amtsärztin forderte der mj. Kläger 7.000 Euro Schmerzengeld.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, dass eine Aufklärung über mögliche nachteilige Folgen einer Behandlung dann nicht erforderlich sei, wenn solche Folgen nur in äußerst seltenen Fällen auftreten und anzunehmen ist, dass sie für einen verständigen Patienten bei seinem Entschluss, in die Behandlung einzuwilligen, nicht ernsthaft ins Gewicht fallen. Im vorliegenden Fall habe die Wahrscheinlichkeit, an ITP zu erkranken, 0,0025–0,0045% betragen, wobei die Wahrscheinlichkeit, nach der ersten komplikationslos verlaufenden Teilimpfung anlässlich der zweiten Teilimpfung zu erkranken, nochmals um 97% geringer sei.
Das Berufungsgericht hingegen gab der Klage (zum überwiegenden Teil) statt und begründete dies damit, dass die Aufklärungspflicht eines Arztes umso umfassender sei, je weniger dringlich ein Eingriff sei oder gar geboten erscheine. Deshalb hätte die Amtsärztin auch über äußerst seltene, aber umso schwerer wiegende Risken zumindest hinweisen müssen, zumal gegenüber den Eltern der Eindruck der völligen Ungefährlichkeit der Impfung erweckt worden sei.
Der Oberste Gerichtshof stellte das erstinstanzliche Urteil wieder her. Er führt aus, dass der Arzt auch bei nicht-dringlichen Behandlungen nicht auf jede nur denkbare nachteilige Nebenwirkung hinweisen muss. Unter Abwägung der bekannten Vorteile der MMR-Impfung mit den möglichen nachteiligen Folgen der Behandlung sei bei einem verständigen Impfkandidaten davon auszugehen, dass er – bzw. dessen Eltern bei einem mj. Kind – auch dann in die Impfung eingewilligt hätte, wenn er über die sehr geringe Wahrscheinlichkeit des Eintritts der nachteiligen Folge aufgeklärt worden wäre.
Überzogenen Aufklärungspflichten des Arztes hat der OGH damit eine Absage erteilt. Praktisch wäre es im Rahmen einer Schulimpfaktion nicht realisierbar, jeden einzelnen Schüler bzw. dessen jeweilige Eltern über jede noch so unwahrscheinliche Nebenwirkung der Impfung aufzuklären. Das wäre im Ergebnis auch kontraproduktiv: Zahlreiche Impfkandidaten würden sich gegen eine Impfung entschließen, sodass der eigentliche Zweck der Impfaktion vereitelt würde. Solche Überlegungen wird man zwar in keiner Urteilsbegründung finden, im Ergebnis ist jedoch der Entscheidung des OGH beizupflichten.