Die Zeiten, in denen verschiedene Krankenkassen unterschiedliche Leistungen etwa im Bereich von Zahnregulierungen beziehungsweise bei Heilbehelfen bezahlt haben, sollen der Vergangenheit angehören. Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) hat in der jüngsten Ausgabe der Ärzte Krone die Linie vorgegeben: Leistungsharmonisierungen sind nötig, aber nur durch eine Anhebung und keinesfalls durch eine Nivellierung nach unten, wie es Ärzte und andere Gesundheitsberufe fürchten, betonte Stöger im Interview mit der Ärzte Krone.
Mit Anfang Oktober sind nun bereits erste Anpassungen in Kraft getreten, die die Kassen im Sommer beschlossen haben. Drei Tage später wurden in der Trägerkonferenz weitere, weitreichende Harmonisierungen beschlossen: Ab 1. Jänner 2018 gilt bei Zahnspangen-Zuzahlungen, Zahnprothesen, Krankentransporten oder Kontaktlinsen gleiche Leistung für gleiches Geld. Die Kassen wenden dafür rund 36 Millionen Euro auf. Inklusive des ersten Harmonisierungspakets sind es sogar rund 45 Millionen Euro, teilte der Hauptverband der Sozialversicherungsträger in einer Aussendung kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe mit. Der Vorstandsvorsitzende, Dr. Alexander Biach, sprach von einem „sehr guten Tag für die Sozialversicherten in diesem Land“. Zwei Drittel aller bestehenden Leistungsunterschiede seien damit per Beginn nächsten Jahres behoben, erklärte er.
In einem ersten Beschluss im Juni hatten die Kassen Unterschiede beim Zuschuss für die Zeckenimpfung, Rollstühle, Zahnspangen, PSA-Tests, PAP-Abstriche, endovaginale Sonografie oder Blutzuckermessgeräte in den verschiedenen Kassen behoben. Nun wurden die größeren Brocken angegangen. So wurden die Zuschüsse für Zahnspangen mit mittelschweren Fehlstellungen vereinheitlicht und um einige Indikationen erweitert. Der Zuschuss für festsitzende Spangen wurde auf einheitlich 70 % festgelegt, für die meisten Kassenpatienten eine Verbesserung. Noch stärker wirkt sich die Harmonisierung des Selbstbehalts bei unentbehrlichem Zahnersatz aus, der einheitlich auf 25 % gesenkt worden ist. Die Versicherten sparen sich damit rund 24,1 Millionen Euro. Dass die Krankentransporte künftig frei von Selbstbehalten sind, bringt den Versicherten weitere 5,67 Millionen Euro. Einheitliche Zuschüsse gibt es zudem für Kontaktlinsen, Perücken etwa für Krebskranke oder für Flüssigsauerstoff. Finanziert wird all dies durch interne Umschichtungen sowie durch den Ausgleichsfonds der Kassen. Parallel sollen die Verwaltungskosten der Krankenkassen mittelfristig um 120 Millionen Euro pro Jahr gesenkt werden. Das sind nach Angaben der Kassen rund 10 %. Künftig will man über Aufgabenbündelung weitere Synergiepotenziale heben, betonte die Vorsitzende der Trägerkonferenz, WGKK-Obfrau Mag. Ingrid Reischl. So könnte es etwa eine gemeinsame Beitragseinhebung geben.
Fünf weitere Punkte gibt es, wo die Harmonisierung noch aussteht. Das betrifft die Physiotherapie, die Psychotherapie, Kinderbrillen, Hörgeräte und Schuheinlagen. Diese Punkte (und ihre Finanzierung) müssten dann aber mit der nächsten Bundesregierung besprochen werden, meint man im Hauptverband.
Die für die Ärzteschaft wichtigen Themen wie das „strategische Vertragspartnermanagement“, das Leistungsportfolio und die medizinische Qualität sowie das „Problemmanagement für Versicherte und Patienten“ sollen in den kommenden Wochen und Monaten ebenfalls analysiert werden. Reischl: „Die Zeit der Alleingänge ist vorbei.“ Gesundheitsministerin Dr. Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) begrüßte die Entwicklung.
„Mein Ziel ist klar: Egal wo die Menschen versichert sind, ob in Oberösterreich, Vorarlberg oder in der Steiermark – sie sollen die gleichen umfassenden Leistungen erhalten, unabhängig von der Brieftasche“, unterstrich Rendi-Wagner.
Im Hinblick auf Vertragsverhandlungen mit den Kassen hat die Ärztekammer dieser Tage auch ihre Forderungen auf den Tisch gelegt. „Es ist sehr offensichtlich, dass die Verträge mit den Kassen für junge Ärztinnen und Ärzte inzwischen unattraktiv geworden sind: Die Zahl der fachärztlichen Kassenpraxen ist seit dem Jahr 1999 geringfügig auf rund 3.270 angestiegen – und das bei einer immer älter werdenden und wachsenden Bevölkerung. Die Anzahl der Wahlarztpraxen hingegen hat sich seither auf rund 7.150 deutlich mehr als verdoppelt“, betonte der Stellvertretende Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte, Dr. Norbert Meindl, bei der Vorstellung der Kampagne „Ohne Ärzte geht’s nicht“.
Die Ärztekammer kritisiert dabei, dass viele politische Parteien zwar für die Stärkung der niedergelassenen Ärzte eintreten, ohne jedoch konkrete Schritte zu setzen. Die geplanten Primärversorgungszentren seien kein Allheilmittel, sondern ein „Ideologiepapier ohne echten Nutzen für Patienten“. Mit der Kampagne wolle man dazu beitragen, dass der dringende Reformbedarf auf der gesundheitspolitischen Agenda bleibt, sagte der Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), MR Dr. Johannes Steinhart. Die drei Kernforderungen seien: Behebung des drohenden Ärztemangels, Reparatur des Primärversorgungsgesetzes und mehr ärztliche Kompetenz in die Politik.
„Ohne attraktivere Rahmenbedingungen der kassenärztlichen Tätigkeit ist der steigende medizinische Versorgungsbedarf einer immer größer und älter werdenden Bevölkerung nicht zu bewältigen“, verdeutlicht Steinhart. Für die Verhandlungen mit der Wiener Gebietskrankenkasse legte er deshalb auch einen Forderungskatalog vor mit fünf konkreten Schritten zur Stärkung des niedergelassenen Bereichs. Dazu gehören die Umsetzung eines Wiener Hausarzt- und Kinderarztmodells, das Setzen von Maßnahmen gegen den Ärztemangel, die Aufhebung der Leistungsdeckelungen in den Kassenordinationen, der Ausbau der Sachleistungsversorgung für Patienten sowie die Anpassung und Modernisierung der Tarife aller Ärztegruppen.
Steinhart: „Herkömmliche Honorarverhandlungen reichen nicht, wir brauchen hier einen echten Systemwechsel.“ Für eine auch in Zukunft gesunde Bundeshauptstadt werde daher vor Aufnahme der Vertragsverhandlungen ein Spitzengespräch, bestehend aus Land, Gebietskrankenkasse und Ärztekammer, eingefordert. Mit der Umsetzung der Forderungen der Ärztevertretung entspräche die Gesundheitspolitik sogar den – nicht unumstrittenen – Empfehlungen der vom Sozialministerium beauftragten Studie der London School of Economics, die ausdrücklich zur Entlastung der Spitäler einen Ausbau des niedergelassenen Bereichs befürwortet, betonten die Ärztevertreter.
Wie die Zukunft aussehen könnte, wenn der Ausbau des niedergelassenen Bereichs weiter auf sich warten lässt, zeigt die „Aktion Stockbett“ der Initiative „Kranke Zukunft? Nicht mit uns Ärzten!“. „Schon jetzt liegen die Patienten auf den Spitalsgängen. Mit der Aktion wollen wir aufrütteln und zeigen, was uns ohne Stärkung der Kassenärzte drohen könnte: Die Patienten werden sich in den Spitälern stapeln“, beschreibt Steinhart das drohende Szenario.