Unkomplizierte, chronisch rezidivierende Harnwegsinfekte (HWI) sind ein häufiges Krankheitsbild bei prämenopausalen, gesunden und sexuell aktiven Frauen und sehr oft der Grund für einen Besuch beim niedergelassenen Urologen oder praktischen Arzt. Studien bestätigen, dass zumindest eine von drei Frauen im Alter von 24 Jahren bereits einen diagnostizierten und behandelten HWI durchgemacht hat und dass mehr als die Hälfte aller Frauen innerhalb ihres gesamten Lebens zumindest einmal eine Infektion der Harnwege hatte.
In einer anderen Studie mit sechs Monaten Follow-up mit Frauen im Studentenalter wurde festgestellt, dass 27% dieser HWI zumindest einmal wieder auftreten, während sogar 3% der Infektionen ein drittes Mal zu beobachten sind. Auch Männer können unter rezidivierenden HWI leiden. Diese sind allerdings in den meisten Fällen mit einer akuten oder chronischen Prostatitis assoziiert. Frauen erkranken jedoch durchschnittlich etwa zehnmal häufiger. Der folgende Artikel beschäftigt sich mit der Definition, der Diagnose und dem Management sowie mit der Prophylaxe von chronisch rezidivierenden HWI.
Ein HWI wird als Infektion der Harnwege inklusive einer entzündlichen Reaktion definiert. Der häufigste Grund für solche Infektionen sind Bakterien. Ein HWI tritt auf, wenn die normale periurethrale Flora durch uropathogene Bakterien ersetzt wird, sodass diese in die Harnblase aufsteigen können, um dort eine bakterielle Zystitis zu verursachen. In seltenen Fällen wandert diese Infektion bis zur Niere und verursacht eine bakterielle Pyelonephritis. Die häufigsten uropathogenen Keime sind Escherichia coli, Staphylococcus saprophyticus, Klebsiella pneumoniae und Proteus mirabilis.
Ein HWI wird als Rezidiv angesehen, wenn er das gleiche klinische Ausprägungsbild eines vorangegangenen HWI aufweist. Zwei HWI innerhalb von sechs Monaten oder drei innerhalb eines Jahres werden als rezidivierende HWI bezeichnet. Die Pathogenese von rezidivierenden HWI stützt sich auf die bakterielle Reinfektion und die bakterielle Persistenz, wobei Ersteres viel häufiger auftritt. Von bakterieller Persistenz spricht man beim Nachweis desselben Erregers zwei Wochen nach konkordanter antibiotischer Therapie. Zur Reinfektion gehören entweder eine Infektion mit einem anderen Organismus oder die Infektion mit demselben nach vorheriger erfolgreicher Behandlung und zwischenzeitlich steriler Harnkultur. Obwohl die Harnkultur der Goldstandard zur Diagnose von rezidivierenden, unkomplizierten HWI bleibt, sollte das klinische Verständnis für positive Harnstreifentests sowie Mikroskopie und Symptomatik der Patienten zur Diagnose reichen.
Ein unkomplizierter HWI tritt bei gesunden Patienten auf, die üblicherweise normale anatomische und physiologische Verhältnisse aufweisen. Alle anderen HWI müssen als kompliziert angesehen werden. Obwohl sowohl eine Infektion des unteren (Zystitis) als auch des oberen Harntraktes (Pyelonephritis) als unkomplizierter HWI bezeichnet wird, sollte bei rezidivierenden Pyelonephritiden sofort eine komplizierte Ätiologie ausgeschlossen werden.
Klinische Untersuchung: Die häufigsten Symptome eines akuten HWI sind Dysurie, Pollakisurie, Urge-Symptomatik, Hämaturie und Nykturie. Faktoren wie Menopause, positive Familiengeschichte, sexuelle Aktivität, der Gebrauch von spermiziden Substanzen sowie kürzlich zurückliegende antibiotische Therapie erhöhen das Risiko für rezidivierende, unkomplizierte HWI. Es sollte bei jeder Patientin eine klinische Untersuchung inklusive Untersuchung des kleinen Beckens durchgeführt werden. Die Anamnese und klinische Untersuchung dienen dem Ausschluss einer physiologischen oder anatomischen Pathologie des Harntraktes.
Darüber hinaus sollten in jedem Fall eine Restharnmessung sowie gegebenenfalls eine Uroflowmetrie erfolgen. Auffälligkeiten bei diesen beiden Untersuchungen wären, in Zusammenschau mit anderen klinischen Parametern, ein Hinweis für einen komplizierten HWI.
Laboruntersuchungen: Bei der Diagnostik von rezidivierenden, unkomplizierten HWI sollte zumindest einmal, während der Patient symptomatisch ist, eine Harnkultur inklusive Antibiogramm durchgeführt werden. Mittels positiver Harnkultur kann die Diagnose HWI als Grund für die dysurischen Beschwerden gestellt werden. Ein Mittelstrahlharn mit einer Keimzahl von mehr als 105 Keimen pro ml wird während einer symptomatischen Phase als positiv angesehen. Bei der Verwendung von Mittelstrahlharn zur Durchführung eines Antibiogramms muss allerdings eine hohe Rate an Kontaminationen berücksichtigt werden.
Bei einer Minderheit der Patienten gibt es unter antibiotischer Therapie bereits eine negative Kultur, obwohl diese noch symptomatisch sind. Allerdings indiziert eine negative Kultur ohne jegliches Ansprechen auf die Therapie die Suche nach einer anderen Diagnose.
Eine Keimbesiedelung ab 105 Keimen pro ml in Verbindung mit Beschwerden sollte antibiotisch behandelt werden. Anders sieht es bei Schwangeren aus. Da Frauen während einer Schwangerschaft häufiger zu Pyelonephritiden neigen, muss auch jede asymptomatische Bakteriurie mit einem Aminopenicillin oder Cephalexin behandelt werden. Der Grund dafür liegt in einer durch das Schwangerschaftshormon Progesteron verursachten verminderten Peristaltik des Ureters oder einer Obstruktion des Ureters durch den Uterus, wodurch Keime leichter aszendieren können.
Weitere Untersuchungen: Einige Studien haben bestätigt, dass durch eine Zystoskopie bei rezidivierenden HWI nur eine geringe Rate an anatomischen Unregelmäßigkeiten diagnostiziert wird (0–15%). Es scheint daher nicht notwendig zu sein, bei jeder Frau, die an rezidivierenden HWI leidet, eine Zystoskopie durchzuführen. Folgende Faktoren sind allerdings ein Hinweis für einen komplizierten HWI und indizieren daher eine Zystoskopie:
Besondere Vorsicht ist hier bei bestehender Hämaturie nach Infektsanierung geboten. Durch weitere antibiotische Therapie ohne durchgeführte Zystoskopie könnte ein eventuell gleichzeitig bestehendes Urothelkarzinom der Harnblase übersehen werden. Diese Patienten sollten in jedem Fall zu einem Facharzt für Urologie zur weiteren Diagnostik zugewiesen werden.
Genauso wie die Zystoskopie sind auch bildgebende Verfahren nur bei Vorhandensein o.g. Kriterien bei Frauen mit rezidivierenden HWI indiziert. Ein standardmäßiger Einsatz wäre eine Überdiagnostik. Mehrere Studien haben eine geringe Rate an nichtinzidentell gefundenen anatomischen Korrelaten für rezidivierende HWI gezeigt, und daher wird der routinemäßige Einsatz auch von einigen radiologischen Gesellschaften nicht empfohlen.
Gibt es allerdings einen großen Verdacht auf eine anatomische Unregelmäßigkeit ist die Computertomografie von Abdomen und kleinem Becken mit und ohne Kontrastmittel das beste bildgebende Verfahren, um die Ursache eines komplizierten HWI zu diagnostizieren. Um die Strahlenbelastung zu senken, ist ein Ultraschall des oberen und unteren Harntraktes in Verbindung mit einem gut durchgeführten Abdomen-Röntgen in vielen Fällen auch ausreichend.
Die meisten Patienten mit rezidivierenden, unkomplizierten HWI können erfolgreich durch einen praktischen Arzt behandelt werden. Die Überweisung an einen Facharzt für Urologie sollte lediglich bei Vorliegen eines der o.g. Kriterien oder bei einer diagnostizierten, chirurgisch sanierbaren Ursache für den HWI erfolgen.
Für konservative Maßnahmen besteht für die Behandlung und Prophylaxe von rezidivierenden HWI keine gute Evidenz. Jeder Patient sollte allerdings über prädisponierende Faktoren für einen HWI, wie z.B. sexuelle Aktivität und der Gebrauch von spermiziden Substanzen, aufgeklärt werden. Auch das Urinieren vor und nach sexuellem Kontakt ist nicht gesundheitsschädlich, jedoch gibt es hierfür ebenso keine Evidenz. Gleichermaßen ist der positive Effekt für die Verwendung von probiotischen Lactobacillus-Produkten nicht nachgewiesen. Anders sieht es bei Preiselbeer-Produkten aus. Ein systematischer Review der Cochrane Database aus dem Jahr 2008 zeigte, dass Preiselbeer-Produkte rezidivierende HWI verhindern können. Eine andere placebokontrollierte Studie widerlegte allerdings diese These und fand keinen Unterschied bei der Rezidiv-Rate von HWI bei Patienten mit und ohne Preiselbeer-Produkten. Es besteht somit keine sichere Evidenz für den positiven Effekt von Produkten auf Preiselbeer-Basis, und es kann keine sichere Empfehlung hinsichtlich ihres Gebrauchs gegeben werden.
Kontinuierliche Gabe von niedrig dosierten Antibiotika: DieProphylaxe von rezidivierenden HWI mittels kontinuierlicher Gabe von niedrigdosierten Antibiotika scheint sehr effektiv zu sein. Ein Review der Cochrane-Database aus dem Jahr 2008 schloss zehn Studien mit insgesamt 430 Frauen ein. In allen Studien wurde die prophylaktische Antibiotikagabe vs. Placebo verglichen. Das relative Risiko für ein klinisches Rezidiv pro Jahr wurde mit 0,15 zugunsten der Antibiotikagabe berechnet. Das relative Risiko für Nebenwirkungen lag allerdings bei 1,78. Zu den häufigsten zählten hier der vaginale oder orale Pilzbefall und gastrointestinale Symptome. Schwere Nebenwirkungen wie Hautausschlag oder Übelkeit waren vernachlässigbar.
Da die Frage nach dem optimalen Antibiotikum zur HWI-Prophylaxe noch nicht geklärt ist, sollten Faktoren wie etwaige Allergien, lokal bekannte Resistenzmuster, vorherige Antibiotika, die Kosten sowie die Nebenwirkungen, die Wahl des richtigen Antibiotikums mitbestimmen. Nitrofurantoin scheint, gefolgt von Cephalexin, sehr gute Behandlungsergebnisse zu zeigen. Vor jeder prophylaktischen Antibiotikagabe sollten die Patienten ausführlich über gängige Nebenwirkungen aufgeklärt werden.
Eine Frage, die ebenfalls noch offen bleibt, ist die optimale Dauer der prophylaktischen Antibiotikagabe. In einigen Studien wurde ein Zeitraum zwischen sechs und zwölf Monaten mit einem Vorteil assoziiert. Ab diesem Zeitpunkt gibt es in der Literatur keine klare Evidenz für weitere Behandlungen, obwohl die niedrig dosierte Gabe von Trimethoprim/Sulfamethoxazol in einer weiteren Studie bis zu fünf Jahre angedauert hat. Falls die Patienten die prophylaktischen Antibiotika für einen längeren Zeitraum einnehmen wollen, sollten diese über die unklare Datenlage sowie die Wahrscheinlichkeit für schwere Nebenwirkungen und Infektionen mit resistenten Keimen aufgeklärt werden.
Postkoitale Antibiotika: Die postkoitale prophylaktische Antibiotikagabe ist für Frauen ebenfalls eine effektive Methode zur Prävention von rezidivierenden Harnwegsinfekten, falls diese in Assoziation mit sexueller Aktivität stehen. Eine Studie mit 16 Patienten im Behandlungs- und elf Patienten im Placeboarm zeigte 0,3 klinische Rezidive pro Jahr im Behandlungsarm, im Gegensatz zu 3,6 bei Placebogabe. Eine andere Studie mit ähnlichem Setting und einer größeren Patientenzahl konnte allerdings keinen Unterschied zwischen prophylaktischer Behandlung mit Ciprofloxacin nach dem Geschlechtsverkehr und Placebo zeigen. Die postkoitale Antibiotikagabe wird in der Literatur als eine einmalige Einnahme innerhalb von zwei Stunden nach dem sexuellen Kontakt definiert. Dadurch ist es eine kostengünstige und nebenwirkungsarme Methode zur Prävention.
Self-Start-Antibiotika: Die Self-Start-Antibiotikatherapie ist eine zusätzliche Behandlungsmethode für Frauen, die anhand der Symptome einen beginnenden HWI erkennen und frühzeitig mit der Therapie beginnen. Man sollte den Patientinnen ein Rezept für eine Drei-Tage-Antibiotikakur mitgeben. In diesem Setting ist es nicht notwendig, eine Harnkultur zur Diagnosesicherung anzulegen, da in einer Studie eine 86–92%ige Konkordanz zwischen Selbstdiagnose und positiver Harnkultur bewiesen wurde. Man muss den Patientinnen allerdings raten, einen Arzt aufzusuchen, sollten die Symptome nicht innerhalb von 48 Stunden vergangen sein.
Wichtiges Wissen schnell vermittelt:
von Dr. Bernhard Grubmüller
Die meisten Patienten mit rezidivierenden, unkomplizierten HWI können erfolgreich von einem praktischen Arzt behandelt werden. Die häufigsten Symptome eines akuten HWI sind Dysurie, Pollakisurie, Urge-Symptomatik, Hämaturie und Nykturie. Ein Aminopenicillin- oder Cephalosporin-Antibiotikum ist hierbei die Therapie der ersten Wahl. Die Prophylaxe von rezidivierenden HWI kann mithilfe von Nitrofurantoin oder Cephalexin erfolgen. Eine Überweisung an einen Facharzt für Urologie sollte bei Vorliegen eines komplizierten HWI oder bei einer diagnostizierten, chirurgisch sanierbaren Ursache für den HWI erfolgen.
Vaginale Östrogene sind eine gute Behandlungsmethode zur Prophylaxe von rezidivierenden HWI für postmenopausale Frauen. Dies wurde in zwei unterschiedlichen Studien bestätigt. Allerdings ist diese Methode mit einigen Nebenwirkungen verbunden. Dazu zählen die erhöhte Empfindlichkeit der weiblichen Brust, vaginale Blutungen, unphysiologischer Ausfluss sowie vaginale Reizungen und Schmerzen. Leider gibt es bisher keine direkt vergleichenden Studien von vaginalen Östrogenen und Antibiotika.
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Literatur bei den Verfassern