Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit etwa 70 Millionen Menschen chronisch mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infiziert sind. Die Komplikationen der chronischen Hepatitis C, wie Leberzirrhose, hepatozelluläres Karzinom und extrahepatische Manifestationen, verursachen jährlich nicht nur unzählige Todesfälle sowie eine Einschränkung der Lebensqualität der Betroffenen, sondern belasten darüber hinaus die Gesundheitssysteme mit enormen Kosten. Wir vermuten, dass in Österreich etwa 20.000–30.000 Menschen unter einer chronischen Hepatitis C leiden.
Die „alte“ Standardtherapie der chronischen Hepatitis C bestand aus einer Kombination aus pegyliertem Interferon, das einmal wöchentlich subkutan verabreicht werden musste, und Ribavirin. Die Therapiedauer betrug je nach HCV-Genotyp und viralem Ansprechen 6–18 Monate. Die virologischen Heilungsraten betrugen je nach HCV-Genotyp nur zwischen etwa 40 % und 80 %, die Therapie war mit zahlreichen, teils gravierenden Nebenwirkungen belastet, und aufgrund dieser potenziellen Nebenwirkungen bestanden bei zahlreichen Patienten, insbesondere bei jenen mit dekompensierter Leberzirrhose, Kontraindikationen gegen die Therapie.
Während der vergangenen Jahre wurden neue Medikamente entwickelt, die zusammenfassend als „direct-acting antivirals“ (DAA) bezeichnet werden. In zahlreichen Phase-II- und Phase-III-Studien sowie in „Real World“-Studien konnte gezeigt werden, dass durch Kombination von zwei oder drei dieser modernen DAA aus unterschiedlichen Wirkstoffklassen bei praktisch allen Patienten mit chronischer Hepatitis C eine virologische Heilung ohne relevante Nebenwirkungen erzielt werden kann. Die Therapiedauer beträgt im Allgemeinen zwischen 8 und 16 Wochen. Die drei Therapieregime, die derzeit in Österreich von den Krankenkassen als „First Line“-Therapie der chronischen Hepatitis C refundiert werden, sind in der Tabelle aufgelistet.
Alle drei DAA-Regime, die derzeit in Österreich zur „First Line“-Therapie der chronischen Hepatitis C refundiert werden (Tab.), zeichnen sich durch hervorragende virologische Heilungsraten (von nahezu 100 %) und eine exzellente Verträglichkeit aus. Bei der Auswahl des besten Therapieschemas für einen individuellen Patienten müssen folgende Punkte berücksichtigt werden:
Auch unter Berücksichtigung der genannten Punkte ist es bei vielen Patienten letztlich eine Frage des Geschmackes, welches antivirale Regime man bevorzugt.
Vor dem Hintergrund der überwältigenden Therapieerfolge mit modernen DAA-Regimen formulierte die WHO im Jahr 2016 das ambitionierte Ziel, die chronische Hepatitis C bis zum Jahr 2030 zu „eliminieren“, wobei der Begriff „Elimination“ als eine Reduktion von Neuinfektionen um 90 % und eine Reduktion der HCV-verursachten Mortalität um 65 % definiert wird, wobei 80 % aller HCV-Patienten, bei welchen eine Therapie grundsätzlich indiziert ist, diese auch erhalten haben sollten.
Um diese Ziele zu erreichen, ist es entscheidend, alle Risikogruppen auf das Vorliegen einer HCV-Infektion zu screenen (siehe Kasten) und geeignete „Settings“ für Therapie und Screening zu schaffen, sodass diese von den Patienten auch angenommen werden.
Besonders hoch ist die Prävalenz der chronischen Hepatitis C bei Patienten mit vergangenem oder aktuellem intravenösem Drogenkonsum („People who inject Drugs“, PWID). Insbesondere in Industrienationen stellen PWID den Großteil der HCV-infizierten Population dar. Eine große Gruppe von PWID ist aufgrund der Suchterkrankung entweder nicht zu motivieren, in ein hepatologisches Zentrum in einem Schwerpunktkrankenhaus zu gehen, oder nicht in der Lage, die Termintreue aufzubringen, die für eine erfolgreiche antivirale Therapie über ein solches Zentrum notwendig wäre.
„Standardsetting“: Patienten ohne Drogenanamnese und PWID mit guter Compliance können meist problemlos über eine in einem Schwerpunktkrankenhaus lokalisierte Leberambulanz behandelt werden, wobei ihnen jeweils das Rezept für eine Monatspackung der antiviralen Therapie ausgehändigt wird, welche sie daheim selbstständig einnehmen. („Standardsetting“)
„Directly-observed therapy“ für PWID mit „borderline compliance“: Ein beträchtlicher Teil aller PWID ist durch folgende Charakteristika gekennzeichnet:
Um auch bei der Gruppe der „PWID mit borderline compliance“ eine erfolgreiche antivirale Therapie der chronischen Hepatitis C durchführen zu können, wurde von unserer Arbeitsgruppe im Wiener Raum folgendes Therapiesetting entwickelt: Wilhelminenspital, Suchthilfe Wien gGmbH und Verein Dialog schlossen sich zu einem großen hepatologischen Zentrum zusammen. Bei der Suchthilfe Wien handelt es sich um eine niedrigschwellige Einrichtung, die ein geradezu ideales „Setting“ für die Therapie von „PWID mit borderline compliance“ darstellt, da sie über die gesamte Infrastruktur verfügt, die für eine umfassende Betreuung dieser Patientengruppe erforderlich ist. Die antivirale Therapie erhalten die Patienten täglich gemeinsam mit der OST in ihrer gewohnten Apotheke unter Aufsicht eines Apothekers oder in der Suchthilfe Wien (unter Aufsicht eines Arztes oder einer Pflegeperson). Diese Koppelung der Einnahme der antiviralen Therapie an die OST im Rahmen des Konzeptes der „directly-observ” hat sich bisher sehr bewährt.
Risikogruppen Hepatitis C