Zu den Chefverhandlern der Wiener Ärztekammer zählten VP Dr. Johannes Steinhart und Kurienmanager Christian Frank. „Wir konnten uns mit unserer Forderung durchsetzen, für jede Ärztegruppe zumindest die jährliche Inflationsrate als reine Tariferhöhung abzuschließen. Alle Wiener Hausärzte mit WGKK-Vertrag erhalten sogar 6,5% Erhöhung per 1. 10. 2015, 3% Erhöhung per 1. 10. 2016 und noch einmal 2% Erhöhung per 1. 7. 2017. Kinderärzte und Gynäkologen erhalten mit insgesamt 7,3% für diese drei Jahre auch ein deutliches Plus gegenüber den prognostizierten Inflationsraten. In Summe haben wir uns sehr bemüht, die Tariferhöhungen entsprechend der Einkommenssituation der einzelnen Ärztegruppen fair zu staffeln“, meint Steinhart. Konkret ist nun für den Zeitraum von 2015–2017 eine Gesamtsumme von 1,58 Milliarden Euro vorgesehen, das entspricht im Schnitt einer jährlichen Honorarsteigerung von 4%. „Dies erlaubt den Kolleginnen und Kollegen auch eine gewisse Planungssicherheit.“
Der Zunahme an chronischen Erkrankungen und dem steigenden Bedarf an Zuwendungsmedizin mit einer höheren Zahl an Patientenkontakten wurde Rechnung getragen: „Die Position 8 (6,60 Euro) konnte bisher nur bei jedem vierten Besuch abgerechnet werden, nun ist dies auch beim fünften, sechsten, siebten und achten Besuch im Quartal möglich“, so Frank. Für Vertretungspatienten kann man zukünftig die volle Fallpauschale von 18,74 Euro abrechnen, „das entspricht einer Steigerung von ca. 30%.“
Die Honorarkataloge der Neurologen und Psychiater wurden modernisiert. Frank dazu: „Beide Fachgruppen erhalten für diese Umsetzung die entsprechenden finanziellen Mittel: 15%iges Plus für die Psychiater und 9% für die Neurologen. Ich glaube, dass sich 15% bzw. 9% Tariferhöhung bis 31. 12. 2017 durchaus sehen lassen können und als Erfolg zu bezeichnen sind. Damit kann zumindest ein erster wichtiger Schritt zu einer zeitgemäßen Medizin gegangen werden.“
Die Wiener Bevölkerung hat dadurch die Sicherheit, dass die professionelle Versorgung im niedergelassenen Bereich bis Ende 2017 sichergestellt ist. „Ein Tarifplus von insgesamt 11,5% für die Hausärzte leistet hoffentlich einen kleinen Beitrag, diesen Beruf für junge Kolleginnen und Kollegen wieder etwas attraktiver zu machen. Die Hausärzte wie die Fachärzte leisten tagtäglich aufopferungsvolle Arbeit und sind allein verantwortlich dafür, dass die niedergelassenen Ärzte in Wien bei den Patienten so hoch im Kurs stehen“, so Steinhart.
Neben den Tariferhöhungen wurden auch wichtige vertragliche Änderungen, wie die erstmalige Möglichkeit der Verrechnung von Honorarpositionen ohne Anwesenheit des Patienten, vorgenommen. Frank: „In Zukunft ist es daher möglich, dass Angehörige oder Heimhilfen Rezepte abholen kommen und trotzdem eine reguläre Fallpauschale mit Zuschlägen verrechnet werden darf.“
Auch das Jobsharing-Modell wurde adaptiert und attraktiver gemacht: Ein Kassenarzt kann seinen Kassenvertrag in Zukunft für maximal sieben Jahre teilen lassen; eine Verlängerung um weitere sieben Jahre ist möglich. Abgesehen davon muss ab jetzt kein spezieller Grund für ein Jobsharing genannt werden. Weitere Verbesserungen wurden hinsichtlich der Vertragspartnerschaft ausgehandelt: Die Abteilung „Missbrauchsentdeckung und Prävention“ der WGKK wurde durch die Abteilung „Vertragspartner und Versichertenrevision“ ersetzt. Steinhart: „Eventuelle Probleme müssen nun ohne Nennung des betroffenen Arztes innerhalb von 14 Tagen im Vorfeld mit der Ärztekammer besprochen werden.“
Auch zum Thema Ärztefunkdienst gibt es Erfreuliches zu berichten: Die bisherigen Stundenhonorare von knapp 40 Euro werden bis zum Sommer 2017 auf ca. 80 Euro verdoppelt. Steinhart: „Diese Aufwertung ist insofern von enormer Wichtigkeit, als wir davon ausgehen, dass der Ärztefunkdienst durch die Reduzierung der Nachtdiensträder in den Gemeindespitälern in den nächsten Jahren noch mehr in Anspruch genommen werden wird, als dies jetzt schon der Fall ist. Jetzt gilt es auch, die Strukturen im Ärztefunkdienst in Zusammenarbeit mit der Sozialversicherung und der Stadt Wien entsprechend auszubauen.“
Steinhart sieht den Hintergrund für die positiven Verhandlungen in dem perfekt abgestimmten und erfahrenen Verhandlungsteam der Kurie niedergelassene Ärzte, „alle ziehen an einem Strang und verhalten sich hochprofessionell, abseits jeglicher Fraktionszugehörigkeit. Das ist mir persönlich ganz wichtig.“
Bezüglich der Verhandlungsergebnisse mit der SVA, BVA und VAEB führte die Ärzte Krone ein Interview mit Mag. Jürgen Schwaiger, Bundeskurie niedergelassene Ärzte der Österreichischen Ärztekammer.
Jürgen Schwaiger: Wir haben mit allen drei Sonderversicherungsträgern längerfristige Verträge abgeschlossen. Ein sehr wichtiges Thema war bei allen drei Versicherungen die Verrechnung der Laborleistungen. Nach langen internen Diskussionen haben wir die Labor Roadmap ins Leben gerufen. Diese sieht vor, dass die Laborleistungen ab 2019 von den Ordinationen in die Großlabors verschoben werden. Das frei werdende Honorar wird auf die Kernleistungen der klinischen Fächer umgeschichtet. Natürlich wurden daneben noch Valorisierungen ausverhandelt – aber auch Ergebnisse abseits von Finanzierungsfragen.
Bei den Allgemeinmedizinern wurden beispielsweise die Hausbesuche und die Wegegebühren teilweise massiv erhöht (BVA Hausbesuche +12%, Wegegebühren +37,5%). Aber auch einigen anderen „Kernpositionen“ haben wir noch einen Extraschub gegeben.
Besonders bei der SVA wurden neue Wege beschritten. Hier haben wir uns mit jeder Fachgruppe zusammengesetzt und den Katalog durchforstet. Viele neue Leistungen werden sich im neuen Katalog wiederfinden. Darunter ein neuer Katalog für die Psychiatrie, Pathologie und für die Physikalische Medizin. Uns wurde von den anderen beiden Kassen schon signalisiert, den neuen Katalog für die Psychiatrie zu übernehmen.
Mit der BVA hat es sich „gezogen“, und die Verhandlungen waren wirklich schwierig. Insgesamt hat es beinahe zwei Jahre gedauert, bis wir zu einem Abschluss gekommen sind. Viel schneller ging es mit der VAEB. Fairerweise muss man sagen, dass wir inhaltlich nicht so viele Diskussionspunkte hatten wie vorher mit der BVA. Mit der SVA waren wir uns auch relativ zügig handelseins – bei dieser Versicherung waren allerdings die Vorbereitungen ziemlich zeitaufwendig.
Wie vorher schon kurz erwähnt, konnten wir vor allem mit der SVA ein Strukturpaket verhandeln, das viele neue Leistungen beinhaltet. Außerdem werden wir auch den Junior Check österreichweit einführen sowie ein Call- und Recall-System für die Vorsorgeuntersuchungen implementieren. Neben den allgemeinen Tariferhöhungen ist es uns auch gelungen, den Verhandlungsmodus umzudrehen – das heißt, dass wir ab jetzt in die Zukunft verhandeln und nicht mehr, wie bisher, dem Geld nachlaufen müssen.
Nachdem die Laborproblematik gelöst war, ging es mit den Verhandlungen eigentlich gut voran. Wir haben an sich mit allen drei Sonderversicherungsträgern ein gutes vertragspartnerschaftliches Verhältnis – mit dem einen weniger mit den anderen mehr.
Mit VAEB und SVA haben wir Ende 2018 vereinbart, mit der BVA April 2016.