Der männliche Hypogonadismus ist ein klinisches Syndrom, das durch Androgenmangel verursacht wird und unterschiedliche Organfunktionen, aber auch die Lebensqualität negativ beeinflussen kann. Die Prävalenz steigt mit dem Alter und liegt um das 60. Lebensjahr bei etwa 20 %. Oft wird der Hypogonadismus nur mit sexuellen Funktionsstörungen in Zusammenhang gebracht, neuere Studien zeigen aber, dass Männer mit metabolischem Syndrom auch auf einen Testosteronmangel untersucht werden sollten und eine Hormonersatztherapie hier vorteilhaft erscheint.
Analog zu Störungen der Nebennierenrinde oder der Schilddrüse unterscheidet man einen primären, testikulären von einem sekundären, hypophysär-hypothalamischen Hypogonadismus. Typische Manifestationen treten in Form von Stimmungsschwankungen, Neigung zur Depression oder von Einschränkung kognitiver Fähigkeiten, aber auch sexuellen Funktionsstörungen auf. Nicht selten wird der Mangel auch von einer Osteoporose oder milden Anämie und von einem Verlust an Muskelmasse begleitet.
Als Mischform kann der Testosteronmangel im Zusammenhang mit dem metabolischen Syndrom angesehen werden, das oft mit der Zunahme des viszeralen Fetts einhergeht und häufiger beim alten Mann gesehen wird. Dieser funktionelle Hypogonadismus ist eine kombinierte Dysfunktionalität von zentralen und peripheren Regelmechanismen, die meist im Zusammenhang mit Adipositas, aber auch mit chronisch inflammatorischen Krankheiten stehen. Deutliche Hinweise gibt es, dass das Testosterondefizit im Zuge des metabolischen Syndroms insbesondere mit der Insulinresistenz vergesellschaftet ist. Beide Entitäten verstärken sich gegenseitig. Bereits 2006 zeigte eine große Metaanalyse, dass Männer mit Typ-2-Diabetes häufiger als die Vergleichskohorte einen niedrigen Testosteronspiegel aufwiesen.
Störungen auf der Ebene des Hypothalamus oder der Adenohypophyse führen zum hypogonadotropen oder sekundären Hypogonadismus, während Ausfälle im Bereich der Testes einen hypergonadotropen oder einen primären Hypogonadismus verursachen.
Störungen der hypothalamischen GnRH-Sekretion ziehen den Ausfall der hypophysären Gonadotropinsekretion nach sich.
Ursächlich können auch raumfordernde Prozesse im Zwischenhirnbereich zur Beeinträchtigung der hypothalamischen GnRH-Sekretion führen (Kraniopharyngeome, Meningeome, Metastasen). Traumata, Bestrahlungen oder Läsionen ischämischer oder hämorrhagischer Natur sind ebenso zu nennen wie granulomatöse Erkrankungen, die Hämochromatose, die chronische Niereninsuffizienz oder kachektische Zustände und auch die seltenen inaktivierenden GnRH-Rezeptormutationen.
Störungen der Hypophyse sind meist durch Adenome wie Prolaktinome bedingt. Ebenso können die o. g. primär extrakraniellen Ursachen Auslöser für eine Hypophysendysfunktion sein. Eine angeborene Hypophyseninsuffizienz ist selten und klinisch heterogen; viele Patienten machen noch eine spontane Pubertätsentwicklung durch.
Der hypergonadotrope (primäre) Hypogonadismus kann durch ein Fehlen der Hoden hervorgerufen werden. Der akzidentelle Hodenverlust ist Folge von Traumata, Entzündungen (z. B. Mumpsorchitis) oder Torsionen. Eine Funktionseinschränkung der Testosteronbiosynthese kann auch bei maldeszendierten Testes vorkommen. Angeborene numerische Chromosomenaberrationen wie das unterdiagnostizierte Klinefelter-Syndrom sind im klinischen Verlauf oft mit der Entwicklung eines hypergonadotropen Hypogonadismus vergesellschaftet.
Häufig wird bei älteren Männern eine Kombination aus gesenkten Testosteronspiegeln und inadäquat niedrigen Gonadotropinspiegeln angetroffen, die auf synergistische Störungen der hypothalamisch-hypophysären Funktionen und der Leydig-Zell-Kapazität zurückgehen. Dieses klinische Bild wird manchmal als Altershypogonadismus bezeichnet und stellt doch eher eine funktionelle Mischform aus primärem und sekundärem Hypogonadismus dar. Neuere Erkenntnisse zeigen, dass nicht das Alter diesen Vorgang auslöst, sondern dass ihn Komorbiditäten bedingen, deren Inzidenz im Alter höher ist.
Andrologische Diagnostik: Erst kürzlich wurde in Österreich ein standardisierter Referenzbereich für den normalen Testosteronspiegel zwischen 3,5 und 8,4 ng/ml festgelegt. Bei allen Werten darunter liegt demnach ein Hypogonadismus vor. Die andrologische Diagnostik umfasst neben der Anamnese auch die körperliche Untersuchung, bildgebende Verfahren und die Laboranalytik der betroffenen Hormonachse sowie der Fertilität.
Endokrinologische Diagnostik: Diese erfasst in den ersten Schritten die Serumspiegel von Gonadotropinen, Testosteron, sexualhormonbindendem Globulin (SHBG) und im Einzelfall auch von Prolaktin. Die Testosteronsekretion unterliegt Tagesschwankungen, daher werden die Serumwerte aus morgendlich gewonnenen Proben bestimmt.
Bei einem gesenkten Testosteronspiegel gibt die Konzentration der Gonadotropine die Richtung der weiteren Diagnostik an: Hohe Gonadotropinspiegel weisen auf eine testikuläre (primäre) Ursache des Hypogonadismus hin, niedrige eher auf eine zentrale Ursache. Die Bestimmung des Karyotyps zum Ausschluss eines Klinefelter-Syndroms sollte bei deutlich erhöhten Gonadotropinspiegeln erfolgen.
Wird eine zentrale Störung vermutet, schließt sich die Kernspintomografie als bildgebendes Verfahren zur Darstellung der Hypophysen-Hypothalamus-Region an. Bestimmungen des Blutbildes und der Blutfette gehören ebenfalls dazu. Diese Parameter müssen auch im Verlauf einer Substitutionstherapie kontrolliert werden. Die Knochendichte kann durch geeignete Verfahren optional bestimmt werden.
Eine Ejakulatanalyse sollte nicht zwingend, aber bei jüngeren Patienten doch in der Regel in der Diagnostik des Hypogonadismus enthalten sein. Eine Kontrolle der Prostata (PSA-Werte, Tastbefund) ist vor einer Therapieeinleitung zwingend nötig.
Die Therapie des männlichen Hypogonadismus wird durch zwei Kriterien beeinflusst:
Liegt kein Kinderwunsch vor, erfolgt die Substitution durch ein Testosteronpräparat, das nach Ausschluss von Kontraindikationen an die individuellen Bedürfnisse und Präferenzen des Patienten angepasst wird. Dabei kommen als Darreichungsform orale, intramuskuläre oder transdermale Applikationen zur Anwendung. Die orale Therapie wäre zwar eine angenehme Darreichungsform, allerdings erreicht man messbare Wirkungsspiegel nur bei gleichzeitiger Einnahme fettreicher Nahrung. Das transdermale Pflaster stellt die physiologischste Applikationsform dar und wird morgens auf eine rasierte Hautpartie aufgeklebt. Die intramuskuläre Testosteronsubstitution stellt den Goldstandard des Langzeittestosteronersatzes dar, mit dem Vorteil, dass nur alle 12–14 Wochen eine Injektion verabreicht werden muss.
Kontraindikationen einer Ersatztherapie sind medizinisch vor allem das Vorliegen eines Prostatakarzinoms oder Mammakarzinoms.
Liegt ein Kinderwunsch vor, muss mit Gonadotropinen behandelt werden, was aber dem sekundären Hypogonadismus vorbehalten ist! Dies erfolgt durch subkutane Injektion oder pulsatile Minipumpe.
Der Hypogonadismus des Mannes ist eine Krankheit, die zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität führt und den Patienten weiteren Gesundheitsrisiken aussetzt. Urologen haben eine Bandbreite therapeutischer Optionen zur Testosteronsubstitution, die nach standardisierter Diagnostik unter erfahrener Kontrolle nach festgelegten Schemata eingesetzt werden können.
Immer gilt es die Ursachen des Hypogonadismus zu behandeln. Dies ist besonders bei dem funktionellen Hypogonadismus der Fall, der durch zugrundeliegende Komorbiditäten verursacht wird. Meist sind dies Adipositas und metabolische Störungen. Adäquate Änderungen der Lebensgewohnheiten müssen auf jeden Fall grundlegender Teil des Therapiekonzeptes sein.