Die Corona-Krise und die Frage einer potenziellen künftigen Impfung führt zu einem neuen Schlagabtausch zwischen Ärzten und Apothekern: Die Apotheker wollen, um die Impfquote zu erhöhen, künftig impfen dürfen. Nun haben auch die Gesundheitslandesräte bei einer Konferenz diskutiert, wie die Impfquote erhöht werden könnte, und eine Präferenz für eine Lockerung erkennen lassen. Sie wollen verhindern, dass bei einer kommenden Influenza-Welle erneut Spitalskapazitäten für mögliche COVID-19-Patienten belegt werden. Entscheidend sei deshalb, dass der Zugang zur Grippeimpfung möglichst einfach und niederschwellig sein muss, um die Durchimpfungsrate deutlich zu erhöhen, sagt die aktuelle Vorsitzende der Gesundheitslandesräte in der Landeshauptleutekonferenz, Oberösterreichs Landeshauptmann-Stellvertreterin Mag. Christina Haberlander.
Wie genau das praktisch bestmöglich umgesetzt werden kann „und ob auch weitere Gesundheitsberufe oder neue Impfstellen zur Zielerreichung eingesetzt werden“, dazu entwickle im Auftrag der Gesundheitsreferenten und des Ministeriums eine bundesländerübergreifende Arbeitsgruppe derzeit ein Konzept für die Influenzaimpfung 2020/2021, sagt Haberlander im Ärzte Krone-Interview. Wiens Gesundheitsstadtrat Mag. Peter Hacker (SPÖ) gibt aber eine Linie vor: Das Impfen solle Basisleistung des niedergelassenen Bereichs werden. Derzeit müsse man sich den Impfstoff erst verschreiben lassen, dann das Rezept in der Apotheke holen und anschließend beim Hausarzt das Impfen noch bezahlen. Dieses umständliche Handling müsse abgestellt werden. „Apothekerinnen und Apotheker stehen bereit, wenn es darum geht, die Durchimpfungsraten in der Bevölkerung durch das Impfen in bestimmten Apotheken zu heben“, erklärte Gerhard Kobinger, Präsidiumsmitglied der Österreichischen Apothekerkammer.
„Impfen ist ausschließlich eine ärztliche Tätigkeit“, stellt Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, fest. Es bedeute mehr als die bloße Verabreichung der Impfung. „Wir Ärzte und unser geschultes Team sind ausgebildet, bei Impfreaktionen vom Kreislaufkollaps bis hin zu sehr seltenen Nebenreaktionen fachlich richtig und unverzüglich zu reagieren – wie soll das in einer Apotheke funktionieren?“, fragt MR Dr. Rudolf Schmitzberger, Leiter des ÖÄK-Impfreferates. „Die Ordinationen arbeiten mit entsprechender Notfallausrüstung und sind im Notfallmanagement geschult. Diese Sicherheit kann von Apotheken nie erreicht werden. Damit bestünde eine gesundheitsgefährdende Situation für die Bevölkerung“, warnt Schmitzberger. Zudem könnten Ärzte Impfstoff, den sie selbst in der Ordination haben, gleich impfen und somit einen bequemen „One-Stop-Shop“ für ihre Patienten bieten. Dr. Edgar Wutscher, Obmann der Bundessektion Allgemeinmedizin der ÖÄK, erläutert zudem: „Wichtig ist auch die Feststellung der Impftauglichkeit. Diese kann nur durch einen Mediziner erfolgen. Gibt es Gründe, die Impfung nicht durchzuführen, gibt es Kontraindikationen? Dies bedarf einer ärztlichen Expertise.“ Ebenso müssten die geimpften Patienten jedenfalls nachbeobachtet werden. Zum Impfen in Apotheken zieht Wutscher einen Vergleich: „Kein Mensch käme auf die Idee, sein Kfz-Service an einer Tankstelle machen zu lassen.“
Die Diskussion bringt aber nicht nur verbale Spitzen, sondern scheinbar auch eine Gegenoffensive. Die Ärztekammer will umgekehrt ärztliche Hausapotheken ausbauen. Sie sieht durch die Corona-Krise einen Mehrbedarf an ärztlichen Hausapotheken belegt. Damit könne vermieden werden, dass kranke Patienten weite Wege in Kauf nehmen müssen, um ein Medikament zu bekommen. Mehr Hausapotheken können in einer künftigen Pandemiezeit, etwa bei einer möglichen zweiten COVID-19-Welle, maßgeblich zu einer niedrigeren Infektionskurve beitragen, forderte MR Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. „Über 90 Prozent der niedergelassenen Kassenärztinnen und Kassenärzte haben ihre Ordinationen in den vergangenen Wochen trotz der grassierenden COVID-19-Pandemie offengehalten. Im Sinne größerer Patientensicherheit wäre es optimal, wenn Patientinnen und Patienten künftig ihre Medikamente gleich beim Arzt bekommen und sich den Weg in die Apotheke sparen könnten“, fordert Steinhart ein Dispensierrecht für Ärzte. Durch diese Maßnahme könne man die Versorgung wesentlich verbessern, stellt Steinhart klar, „besonders dadurch, dass Ärzte in den Ordinationen 24 Stunden zu erreichen sind – auch außerhalb der Geschäftszeiten der gerade offenen Apotheken“. Damit könne auch vermieden werden, dass kranke Patienten weite Wege in Kauf nehmen müssen, um ein Medikament zu bekommen. Gebrechliche Patienten müssten aktuell oft sogar ein Taxi bitten, die Medikamente zu besorgen, beschreibt Steinhart die Vorteile von mehr Hausapotheken. „Das Dispensierrecht für Ärzte ist dringend notwendig, um die Versorgung der Bevölkerung zukunftssicher zu machen“, sagt der ÖÄK-Vizepräsident.