Die Inzidenz vieler Infektionen und das Risiko für einen schweren Verlauf steigen mit dem Alter. Dieses Phänomen ist z. B. für Influenza und viele andere Infektionen seit langem bekannt und zeigt sich aktuell bei der SARS-CoV-2-Infektion. Daten aus den USA zeigen, dass 75- bis 84-Jährige ein 11-mal höheres Risiko haben, aufgrund von COVID-19 hospitalisiert zu werden, als 18- bis 29-Jährige. Das Risiko, an COVID-19 zu versterben, ist sogar 320-fach erhöht. Die Folgen von Infektionen bei älteren Personen sind außerdem oftmals weitreichender als nur die akute Erkrankung. Altersassoziierte Veränderungen des Immunsystems, die als Immunseneszenz bezeichnet werden, tragen zur erhöhten Anfälligkeit für Infektionen bei und sind auch dafür verantwortlich, dass viele Impfstoffe bei älteren Personen weniger immunogen und dadurch weniger wirksam sind.
Im Impfplan Österreich sind eine Reihe von speziellen Empfehlungen für ältere Erwachsene enthalten, z. B. wurden die Abstände für die regelmäßigen Auffrischungsimpfungen gegen Tetanus/Diphtherie/Pertussis von zehn auf fünf Jahre verkürzt. Ähnliches gilt für die Auffrischungen der FSME-Impfung (drei statt fünf Jahre). Ältere Erwachsene bilden bei diesen Impfungen geringere Antikörper-Mengen, die dadurch schneller wieder unter die schützende Konzentration fallen. Eine häufigere Auffrischung soll gewährleisten, dass zu jedem Zeitpunkt der entsprechende Schutz gegeben ist. Die Impfung gegen Streptococcus pneumoniae ist für Personen über 60 Jahren empfohlen. Dabei wird zuerst ein 13-valenter Konjugat-Impfstoff und 1 Jahr später ein 23-valenter Polysaccharid-Impfstoff verabreicht. So sollen die Vorteile beider Impfstoffe genutzt werden. Die Impfung gegen Herpes Zoster ist ab dem 50. Lebensjahr vorgesehen. Aufgrund der besseren Wirksamkeit wird statt des in den letzten Jahren eingesetzten Lebendimpfstoffs nun ein adjuvantierter Proteinimpfstoff empfohlen. Die Schutzwirkung gegen Herpes Zoster liegt für diesen Impfstoff bei ca. 90 % – und zwar für alle Altersgruppen über 50 Jahre, ohne altersassoziierte Abnahme.
Die jährliche Impfung gegen Influenza ist für alle Erwachsenen empfohlen, ihre Bedeutung für Senioren wird im Impfplan jedoch besonders hervorgehoben. Da die Standard-Impfstoffe bei älteren Erwachsenen weniger effektiv sind als bei jüngeren Altersgruppen, wurden angepasste Impfstoffe speziell für diese Altersgruppe entwickelt. Es handelt sich dabei um einen Hochdosis-Impfstoff, der viermal mehr Antigen enthält als der Standardimpfstoff und um einen adjuvantierten Impfstoff, der neben den Influenza-Antigenen das Adjuvans MF59 enthält. Seit einigen Jahren sind Standard-Impfstoffe verfügbar, die statt der bisherigen drei nun vier Virusstämme enthalten, allerdings waren die „speziellen“ Impfstoffe für Senioren nur in der trivalenten Form erhältlich. In der kommenden Influenza-Saison sind erstmalig beide Impfstoffe in der quadrivalenten Formulierung erhältlich, und der Impfplan empfiehlt explizit die Verwendung dieser Impfstoffe für Senioren. Viele Experten befürchten für den Winter 2021/2022 eine besonders starke Influenza-Saison, weil aufgrund der Corona-Maßnahmen im vergangenen Winter Influenza-Viren nur eingeschränkt zirkuliert sind und so die natürliche Exposition und damit die Auffrischung unseres immunologischen Gedächtnisses geringer war als in „normalen“ Jahren.
Die Impfung gegen SARS-CoV-2 wird vom Nationalen Impfgremium derzeit unabhängig vom restlichen Impfplan behandelt. Derzeit beschäftigen die Experten vor allem die Fragen, wie gut die verschiedenen Impfstoffe gegen aktuelle und potenzielle zukünftige Virus-Varianten schützen und wie lange der Impfschutz anhält. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Antworten auf diese Fragen für verschiedene Altersgruppen unterscheiden werden, und es ist essenziell, dass dies bei zukünftigen Entscheidungen z. B. über nochmalige Impfungen berücksichtigt wird.
Die wichtigste Strategie, um ältere Menschen von Impfungen zu überzeugen, ist die umfassende Aufklärung, die mehrere Ebenen umfasst und die ich am Beispiel Influenza erläutern möchte:
Außerdem ist es wichtig, Gelegenheiten zur Impfung zu nutzen. Regelmäßige Arztbesuche bei chronischen Erkrankungen oder z. B. die Gesundenuntersuchung sind gute Gelegenheiten, den Impfstatus zu überprüfen und gegebenenfalls Impfungen zu verabreichen. Grundvoraussetzung für regelmäßige Auffrischungen und optimale Umsetzung der Impfempfehlungen ist eine zuverlässige Dokumentation der Impfungen. Zu guter Letzt lassen sich viele Personen überzeugen, wenn der behandelnde Arzt bzw. die behandelnde Ärztin auch selbst überzeugt ist. Aussagen wie „Meine MitarbeiterInnen und ich sind auch geimpft“ oder „Ich habe diese Impfung natürlich meinen Eltern empfohlen“ sind sicher immer ein gutes Argument.
Wissenswertes für die Praxis