Infektionskrankheiten im Alter

Beim älteren Menschen stellen Infektionen nach wie vor die vierthäufigste Todesursache dar. Im Vordergrund stehen dabei Atemwegsinfektionen wie Pneumonien oder aktuell COVID-19. Infektionen sind bei älteren PatientInnen nicht nur häufiger, sie verlaufen auch schwerer und öfter letal als bei jungen Menschen.

Dafür gibt es mehrere Ursachen:

  1. die Immunoseneszenz, d. h., das Immunsystem altert, was sowohl die zellvermittelte als auch die humorale Immunantwort betrifft. Dabei sind sowohl die Abwehr von viralen und fungalen Pathogenen als auch die Impfantwort beeinträchtigt.
  2. Ältere Menschen sind eher multimor­bid und brauchen daher bereits mehrfa­che Dauertherapien. Wegen dieser Vortherapien und Umgebung ist mit einem anderen Keimspektrum und auch mit einer höheren Inzidenz von resistenten Erregern zu rechnen.
  3. Eine wesentliche Tatsache – auch in reichen Ländern – ist die Malnutrition älterer Menschen, deren Ausmaß und Auswirkungen wohl noch immer unterschätzt werden.
  4. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Infektionen atypisch präsentieren können. Einerseits ist dies durch Funktionsänderungen wie Schluckstö­rungen nach Schlaganfällen oder infolge einer Demenz bedingt. Andererseits bestehen oft für eine Infektion nicht typische Symptome, psychische Auffäl­ligkeiten, und eventuell fehlt Fieber, was die Abklärung besonders in der Grippesaison für die Behandelnden erschweren kann. Als Ursache für z. B. einen Sturz findet sich manchmal erst in der physikalischen Untersuchung, in Laborbefunden oder im Röntgen die zugrundeliegende Pneumonie.

Diese genannten Veränderungen im Alter und ein zunächst stiller Verlauf können zur Folge haben, dass die Diagnose verzögert gestellt und die Therapie verspätet initiiert wird.

Infektionskrankheiten, die häufig auftreten

Die häufigsten Infektionskrankheiten im Alter sind Harnwegsinfektionen, Pneu­monie und Exazerbation einer chroni­schen Bronchitis.
Zunehmend an Bedeutung gewinnen Haut- und Weichgewebeinfektionen wie der dia­betische Fuß und Dekubitalulzera, infektiö­se Endokarditis und intraabdominelle Infektionen (Cholezystitis, Divertikulitis).

Harnwegsinfekt: Eine besondere Herausforderung stellt die Diagnose eines therapiebedürftigen Harnwegsinfektes dar: Wir haben es im Alter mit einer höheren Prävalenz von chronischen Symptomen des Harntraktes und kognitiven Einschränkungen zu tun, die es schwer machen, für Harnwegsinfektionen spezifische Symptome zu identifizieren. Dazu kommt noch die hohe Prävalenz der asymptomatischen Bakteriurie bei älteren Menschen (10–15 % bei selbständig lebenden Frauen, 25–50 % bei Frauen in Pflegeheimen und bei Männern jeweils halb so häufig), die auch in dieser Personengruppe nicht behandlungsbedürftig ist. Bei dauerhaft liegendem Harnkatheter lassen sich spätestens nach 3 Wochen in allen Fällen Bakterien im Harn nachweisen. Unnötig verordnete Antibiotika bringen nicht nur unnötige Nebenwirkungen mit sich, sie sind auch ein Treiber für die Selektion von resistenten Bakterien.

Pneumonie: Für die ambulant erworbene Pneumonie („community-acquired pneumonia“/CAP) der älteren PatientInnen steht uns für die Entscheidung, ob wir die/den Erkrankte/n stationär aufnehmen und behandeln sollen, mit dem CURB-65 oder dem CURB-Score ein hilfreiches Tool zur Verfügung. Der häufigste Erreger ist S. pneumoniae, während bei COPD-PatientInnen und HeimbewohnerInnen polymikrobielle Infektionen und gramnegative Bakterien (Legionella pneumophila, Moraxella catarrhalis und Klebsiella spp.) mit in Betracht gezogen werden müssen. Eine rezente Publikation zeigt, dass die Adhärenz zu Leitlinien der CAP die Prognose für PatientInnen signifikant verbessert.

COVID-19 und Kollateralschäden

Nach 15 von COVID-19 dominierten Monaten gibt es auch in der Infektiologie so etwas wie Kollateralschäden, gerade bei älteren Menschen sind es Bakteriämien, die wohl vielfach durch späte Diagnostik kompliziert verlaufen und eine entsprechend hohe Mortalität nach sich ziehen.
Auch bei COVID-19 haben ältere Menschen ein höheres Risiko der Morbidität und Mortalität. Auch hier kann die Symptomatik nichttypisch oder abgeschwächt sein. Die Behandlung von COVID-19 bei älteren ist grundsätzlich die gleiche wie bei jüngeren Menschen. Die Entscheidungsfindung, ob ein älterer Mensch mit einer schweren COVID-19-Erkrankung einer intensivmedizinischen Behandlung zugeführt werden soll, ist am besten im Team, gemeinsam mit dem/der Betroffenen bzw. deren Angehörigen und/oder mit dem Ethikkreis zu besprechen. Die sogenannte Triage findet bereits seit langem laufend statt und ist nicht auf COVID-19 beschränkt.

Impfungen

Zugleich ist auch an Hausärztinnen und Hausärzte sowie Heimleitungen zu appellieren, dass nicht nur die COVID-19-Impfungen gegebenenfalls wiederholt angeboten werden sollten, sondern auch die anderen Impfungen, die so wesentlich zum Überleben und zur niedrigeren Morbidität beitragen, wie z. B. die jährliche Grippeschutzimpfung, Pneumokokken- und VZV-Impfungen (Varizella-Zoster-Virus).

Antibiotische Therapie

Um eine möglichst spezifische Antibiotikatherapie einzuleiten, ist es erforderlich, das mögliche Keimspektrum abschätzen zu können. Bedingt durch Vorerkrankungen, häufige Krankenhausaufenthalte, Unterbringung in Pflegeheimen und nicht zuletzt antibiotische Vortherapien ist das Erregerspektrum unterschiedlich einzuschätzen, und potenziell kommen multiresistente Keime in Betracht.
Prinzipiell können Antibiotika in den meisten Fällen bei älteren PatientInnen in denselben Indikationen wie bei jüngeren eingesetzt werden. Jedoch ist aufgrund der reduzierten Nierenfunktion und des oft niedrigen Körpergewichts auf Dosis, Dosierungsintervall und Dauer (so kurz wie möglich) zu achten. In der Infektiologie gilt im Gegensatz zu den anderen Therapieindikationen („start low, go slow“) der Grundsatz: „hit hard and early“.

Wissenswertes für die Praxis
  • Infektionen sind im Alter häufiger und verlaufen schwerer.
  • Durch die oft untypische oder asymptomatische Präsentation werden sie verzögert oder zu spät diagnostiziert.
  • Die Behandlung richtet sich nach Vorgeschichte und Vortherapien und sollte angepasst an die Nierenfunktion so hoch wie möglich und so kurz wie möglich verabreicht werden.