Welchen Stellenwert hat die Inhalationstherapie bei chronischen Lungen-erkrankungen wie Asthma und COPD?
Prim.a Hartl: Sowohl bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung als auch beim Asthma bronchiale stellt die inhalative Therapie die Grundlage jeder Behandlung dar und kommt dementsprechend ab Stufe 1 vor jeglicher oraler Therapie zum Einsatz. Dies hat einen einfachen Grund: Durch die geringe Medikamentendosis von nur wenigen tausendstel Gramm, die durch die Inhalation direkt in die Atemwege an Ort und Stelle der Entzündung gebracht werden, reduzieren sich systemische Nebenwirkungen auf ein Minimum. Im Idealfall gelangen 80 Prozent des Wirkstoffes in die Lunge, der Rest wird durch Speichel oder Trinken weggeschwemmt und von der Magensäure neutralisiert.
Es gibt verschiedene Arten von Inhalatoren – worin liegen die wesentlichsten Unterschiede?
Wir kennen grundsätzlich zwei Prinzipien: Beim Dosieraerosol wird der Wirkstoff mit Treibgasen beschleunigt und vernebelt, um in die Atemwege zu gelangen. Bei Trockenpulverinhalationssystemen wird die Generierung des Aerosols hingegen durch die Einatmung ausgelöst. Der Atemstrom selbst bewegt und verwirbelt das Pulver. Von diesen zwei Systemen gibt es vielfältige Ausführungen auf dem Markt mit unterschiedlichen Bedienbarkeiten. Für Patienten, die mehrere Wirkstoffe einnehmen, stehen außerdem Zwei- oder Dreifachkombinationspräparate zur Verfügung. Üblicherweise kommt für die Therapie der COPD die duale Bronchodilatation und beim Asthma bronchiale ein oder zwei Bronchodilatatoren in Kombination mit Kortison zum Einsatz. Notfallmedikamente werden mittels Dosieraerosols appliziert, da dieses im Fall einer akuten Verschlechterung leichter inhaliert werden kann.
Wie entscheiden Sie, welchen Inhalator Sie welchem Patienten verschreiben?
Der erste Faktor, den es von unserer ärztlichen Seite zu beachten gilt, ist der Atemfluss. Um die Inhalation korrekt durchführen zu können, bedarf es einer gewissen Atemtiefe und -länge. Das ist insbesondere bei Trockenpulverinhalatoren eine wichtige Voraussetzung. Für die Anwendung des Dosieraerosols hingegen bedarf es einer guten Koordinationsfähigkeit. Nicht jeder Patient schafft es, das Atemmanöver gleichzeitig mit dem Drücken des Auslösers zu starten. Weitere Hilfsmaßnahmen zur Erleichterung des korrekten Inhalationsvorganges sind etwa große Füllstandanzeigen für fehlsichtige Personen oder Klickgeräusche, die als Feedback bei korrekter Auslösung zu hören sind.
Zur objektiven Überprüfung der korrekten Inhalation kommen mittlerweile auch Produkte mit Sensoren zum Einsatz, die über eine App ausgelesen werden können. Damit lässt sich beispielsweise nachvollziehen, wie oft der Notfallspray angewendet wird, und in der Folge wird die Notwendigkeit einer Therapieeskalation überprüft.
Nicht zu unterschätzen ist auch der Faktor Handlichkeit – denn es hilft nicht, wenn der oder die Betroffene zwar grundsätzlich korrekt inhaliert, das Medikament aber nicht mitnimmt, weil es nicht in die Hosen- oder Handtasche passt.
Die richtige Wahl des Inhalators ist wahrscheinlich nicht mit einem Mal getroffen. Wir Ärzte können nur eine Vorauswahl treffen und mit Hilfe des Feedbacks unserer Patienten die Therapie optimieren.
Worauf gilt es speziell bei Kindern zu achten?
Bei Kleinkindern werden Masken angewendet, mit deren Hilfe geführte Inhalationen durch die Eltern möglich sind. Schulkinder sind grundsätzlich sehr geschickt im Umgang mit Inhalatoren, brauchen aber eine Möglichkeit zur Selbst- und Fremdüberprüfung. Daher gibt es für diese Altersgruppe spezielle Produkte, die nicht nur verspielter und bunter sind, sondern durch Pfeifgeräusche eine erfolgreiche Anwendung hörbar machen. Mindestens ebenso wichtig wie eine gute Inhalationsschulung ist es, dem Kind zu verstehen zu geben, dass es zwar mit der Erkrankung leben muss, es sich dafür aber nicht genieren muss und trotzdem eine ganz normale Kindheit haben kann. Hierbei bedarf es der Unterstützung des gesamten Umfeldes, inklusive des Lehrpersonals.
Ist ein Kombinationspräparat mehreren einzelnen Inhalatoren vorzuziehen?
Aus rein praktischer Sicht wäre man verleitet, zu sagen, dass ein Kombipräparat immer besser ist – es kommt aber darauf an, ob die Medikation in einer konstanten Dosis eingenommen wird.
Wird auch nur ein Wirkstoff variabel dosiert, brauche ich mehrere Inhalatoren. Manche Firmen stellen ihre Wirkstoffe in verschiedenen gebräuchlichen Dosierungen zusammen, der Patient kann in diesem Fall je nach Krankheitsverlauf den entsprechenden Inhalator verwenden. Auf keinen Fall zielführend ist es, unterschiedliche Inhalationsprinzipien zu mischen – für manche Patienten ist es bereits herausfordernd, das Atemmanöver für ein Produkt ausreichend zu erlernen. Man ist daher dazu übergegangen, bei Bedarf mehrerer Inhalatoren – wenn möglich – denselben Hersteller zu verschreiben.
Welche Nebenwirkungen können auftreten?
Es gibt einige wenige Nebenwirkungen, die zwar nicht lebensbedrohlich, aber unangenehm sein können. Die Candidose ist eine klassische Nebenwirkung des Kortisonsprays, wenn zu viel des Wirkstoffes im Mund verbleibt. Werden Betamimetika durch zu häufige Inhalation überdosiert, kann es zu Unruhe, Zittern und Palpitationen kommen – in sehr seltenen Fällen auch zum Kreislaufkollaps. Wichtig ist daher, die Patienten auf die tägliche Maximaldosis hinzuweisen. Bei anticholinergen Bronchodilatatoren und bestehender Prostatahyperplasie kann ein Harnverhalt auftreten – in diesem Fall sollte die Medikation abgesetzt werden. Selbiges gilt beim Engwinkelglaukom.
Woran lässt sich erkennen, dass der Patient mit der Handhabung des Inhalators nicht zurechtkommt oder diesen falsch anwendet?
Hat der Patient das Gefühl, dass das Medikament nicht wirkt, sollte als erster Schritt die Inhalation überprüft werden. Der mit Abstand häufigste Fehler ist, dass die Patienten vor der Inhalation nicht vollständig ausgeatmet haben – das lässt sich gut erkennen, wenn man dem Patienten beim Inhalationsmanöver zuschaut. Ansonsten gibt es vielfältige Möglichkeiten zur Schulung. Bringen auch diese keine Besserung, muss eine Therapieanpassung in Erwägung gezogen werden.
Wie kann eine gute Inhalationsschulung gewährleistet werden?
Die Schulung kann beispielsweise mit Atemtherapeuten in der Ordination, aber auch telemedizinisch erfolgen. Hilfreich sind hierbei vor allem die Apps der Herstellerfirmen oder der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie, die unter anderem Anleitungsvideos für die verschiedenen Inhalatoren enthalten. Auch viele Apotheken sind in diesem Bereich sehr engagiert: Sie bieten Schulungen und Unterstützung bei Handhabungsproblemen an – was zu Zeiten von COVID-19 natürlich eine Herausforderung darstellt.
Ein niederschwelliger Zugang zu standardisierter Schulung und interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Apothekern, Physiotherapeuten und Pflege ist extrem wichtig, denn diese Thematik betrifft eine große Anzahl von Menschen, die die Inhalationstherapie über lange Zeit und – vor allem beim Asthma – auch variabel einnimmt und sich daher immer wieder aufs Neue mit der Technik vertraut machen muss. Meiner Meinung nach sind hier auch die Herstellerfirmen gefordert, noch stärker in den Bereich der digitalen Selbstüberprüfung mittels Biofeedbacks zu gehen, damit Betroffene mithilfe einer Animation – zum Beispiel eines sich füllenden Luftballons – erkennen können, wie tief sie eingeatmet haben. Werden die klassischen Inhalationssprays auch bei COVID-19-Erkrankten eingesetzt? Es gibt hier eine recht bekannte Studie, die zu dem Ergebnis kam, dass sich inhalative Kortikosteroide im frühen Stadium einer COVID-19-Erkrankung günstig auf den Verlauf auswirken können. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine Evidenz, die stark genug ist, um daraus eine Empfehlung zu formulieren. Was wir jedoch wissen, ist, dass Asthma- und COPD-Patienten nicht anfälliger für eine Infektion mit SARS-CoV-2 sind, solange sie ihre Medikamente weiternehmen. Zwar haben sie ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf,
nicht aber für eine Ansteckung. Ob ein Spray mit Kortikosteroid auch einen Gesunden schützen kann, ist noch unklar. Während der langen Lockdowns konnten wir eine Zunahme der Patientenzahl mit einer Verschlechterung ihres Asthmas beobachten; dies lag jedoch in erster Linie daran, dass aus Sorge vor einer Ansteckung die Medikamente nicht abgeholt und/oder Arztbesuche vermieden wurden.
Vielen Dank für das Gespräch!