Die Grundvoraussetzung für die Therapie einer tiefen Beinvenenthrombose (TBVT) und/oder einer Pulmonalembolie (PE) ist eine objektive Diagnose basierend auf einem Kompressionsultraschall, einer Phlebographie, einer Computertomografie oder einer Ventilations- bzw. Perfusionsszintigraphie. Das Ziel der Behandlung ist die Reperfusion sowie die Verhütung einer Embolisation, eines Rezidivs und des postthrombotischen Syndroms. Eine Reperfusion kann unmittelbar nur mit einer Lysetherapie (oder einer Thrombembolektomie) hergestellt werden. Aufgrund des relativ hohen Blutungsrisikos ist eine Lysetherapie nur bei Patienten, die aufgrund einer PE hämodynamisch instabil sind, indiziert. Eine Indikation für eine Embolektomie ergibt sich äußerst selten und nur bei Kontraindikationen für eine Lyse oder Lyseversagen. Die Behandlung der TBVT oder PE muss umgehend erfolgen. Bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit (basierend auf dem Wells-Score oder dem Geneva-Score) soll eine Akuttherapie sofort begonnen werden, die bei verifizierter Diagnose fortgesetzt und im Falle eines Ausschlusses unmittelbar beendet wird. Die Richtlinien zur Behandlung basieren im Wesentlichen auf den Empfehlungen des American College of Chest Physicians (ACCP-Guidelines; Kearon et al., Chest 2012;141;e419S-e494S), die im Februar 2012 aktualisiert wurden, und den S3-Richtlinien der deutschen Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (www.awmf.org).
Die akute Therapie der TBVT und PE besteht in der Verabreichung eines gerinnungshemmenden Medikaments. In Österreich wird dafür fast ausschließlich niedermolekulares Heparin (NMH) in therapeutischer gewichtsadaptierter Dosierung verwendet. Unfraktioniertes Heparin wird nur in Ausnahmefällen (z.B. bei schwerer Niereninsuffizienz) verwendet. Fondaparinux (Arixtra®) ist ebenfalls für die Behandlung der TBVT und PE zugelassen. Es weist vergleichbare Sicherheit und Wirksamkeit wie NMH in der Behandlung der TBVT und wie unfraktioniertes Heparin in der Behandlung der PE auf, wird aber nur selten eingesetzt. Rezent steht auch ein neues orales Antikoagulans (Xarelto®; Rivaroxaban, ein direkter Faktor-Xa-Inhibitor) für die Akutbehandlung der TBVT zur Verfügung. Xarelto® ist bei vergleichbarem Blutungsrisiko ebenso wirksam wie die konventionelle Behandlung mit NMH, gefolgt von einem Vitamin-K-Antagonisten. Mit Xarelto® ist eine orale Behandlung einer TBVT vom Zeitpunkt der Diagnosestellung an möglich. Die Substanz ist derzeit noch nicht für die Behandlung von Patienten mit akuter symptomatischer Pulmonalembolie zugelassen.
Aufgrund des hohen Rezidivrisikos ist eine gerinnungshemmende Therapie für mindestens drei Monate erforderlich. Dafür werden die Patienten üblicherweise von NMH überlappend auf einen Vitamin-K-Antagonisten (Marcoumar®, Sintrom®) eingestellt. Die Dauer der Behandlung mit NMH (oder Arixtra®) beträgt mindestens fünf Tage und danach so lange, bis eine stabile Einstellung mit dem Vitamin-K-Antagonisten gemessen an einer INR > 2,0 für 24 Stunden gegeben ist. Im Fall von Xarelto® beträgt die Dosierung initial zweimal 15 mg für drei Wochen gefolgt von einmal 20 mg täglich. Patienten mit einer mittelschweren (Kreatininclearance 30–49 ml/min) oder einer schweren Nierenfunktionsstörung (Kreatininclearance 15–29 ml/min) sollten in den ersten drei Wochen ebenfalls mit 15 mg zweimal täglich behandelt werden. Anschließend beträgt die empfohlene Dosierung 15 mg einmal täglich. Tumorpatienten mit einer TBVT oder PE werden nicht auf Vitamin-K-Antagonisten umgestellt, sondern erhalten eine Behandlung mit NMH für mindestens sechs Monate (ein Monat therapeutische Dosierung, danach Reduktion auf 75% der Initialdosis).
Bei Patienten, deren TBVT oder PE sekundär nach einem zeitlich begrenzten Risikofaktor aufgetreten ist, kann aufgrund des zu erwartenden niedrigen Rezidivrisikos und des doch nicht unbeträchtlichen Blutungsrisikos unter fortgesetzter Antikoagulation die gerinnungshemmende Therapie nach drei Monaten beendet werden (Abb.).
Patienten mit spontaner TBVT oder PE haben ein hohes Rezidivrisiko (ca. 30% nach fünf Jahren). Für diese Patienten wird deshalb eine längerfristige Antikoagulanzientherapie bereits nach der ersten TBVT oder PE empfohlen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass eine gute Kontrolle der Vitamin-K-Antagonisten-Therapie erfolgt und das Blutungsrisiko des Patienten nicht höher als üblich ist.
Xarelto® ist auch für die Prophylaxe von rezidivierenden Venenthrombosen und PE nach akuter TBVT in einer Dosierung von 20 mg täglich zugelassen. Xarelto® war in dieser Indikation sehr wirksam in der Verhütung von Rezidivereignissen (Risikoreduktion 82% im Vergleich zu Placebo). Bei vier (0,7%) der mit Xarelto® behandelten Patienten kam es jedoch zum Auftreten von schweren Blutungen, wohingegen diese Komplikation in der Placebogruppe nicht auftrat. Der Unterschied war zwar statistisch nicht signifikant, doch muss man eine Erhöhung des Blutungsrisikos bei der Indikationsstellung einer längerfristigen Antikoagulanzientherapie auch bei Xarelto® immer mit ins Kalkül nehmen.