Franz Xaver Roithinger: Aus den Ergebnissen der SPRINT-Studie, die erst im November 2015 publiziert wurden, geht klar hervor, dass eine intensive Blutdrucksenkung unter 120 mmHg bei Erwachsenen ohne Diabetes ab 50 Jahren im Vergleich zu einer Senkung unter 140 mmHg zu einer signifikanten Reduktion tödlicher und nichttödlicher kardiovaskulärer Ereignisse und der Gesamtmortalität führt. Ausschlussgründe für die Studie waren: Alter unter 50 Jahre, schwer kontrollierbare Hypertonie, Orthostase, deutlich erhöhte Proteinurie, weit fortgeschrittene Niereninsuffizienz, Z.n. Organtransplantation, Diabetes mellitus, früherer Schlaganfall, asymptomatische Herzinsuffizienz oder Auswurffraktion unter 35%. Die Nebenwirkungen scheinen hinsichtlich der Vorteile, die die intensive Blutdrucksenkung bringt, akzeptabel. Insgesamt kann gesagt werden, dass die Behandlung der Hypertonie wieder individueller wird.
In der PATHWAY-2-Studie zeigte sich, dass bei Patienten mit therapieresistenter Hypertonie immer auch ein Aldosteron-Antagonist (Spironolacton) zusätzlich zur Therapie gegeben werden sollte. Dies senkte den Blutdruck signifikant besser als die Vergleichspräparate. In der Praxis wird das Diuretikum bereits jetzt in vielen Fällen eingesetzt.
Roithinger: Seit Ende November steht uns ein Kombinationspräparat der Wirkstoffe Sacubitril und Valsartan (Entresto®) für die Behandlung zur Verfügung. In der PARAMETER-Studie, die 454 Patienten mit systolischer Hypertension und erhöhtem Pulsdruck – ein Marker für Gefäßsteifigkeit – inkludierte, konnte gezeigt werden, dass das Präparat im Vergleich zum Standard-Angiotensin-Rezeptor-Blocker bei diesen Patienten nicht nur den systolischen Blutdruck und den Pulsdruck signifikant senkt, sondern dass es sich zusätzlich auch günstig auf die Endothelfunktion und auf die Gefäßsteifigkeit auswirkt. Diese ist ein wichtiger prognostischer Faktor für kardiovaskuläre Ereignisse.
In der PARADIGM-HF-Studie zeigteEntresto® als erstes Therapeutikum einen signifikanten Mortalitätsvorteil gegenüber einem ACE-Hemmer. Die Daten von 8.442 Patienten demonstrierten eine Verringerung der kardiovaskulären Todesfälle um 20% gegenüber Enalapril, sowie eine Reduktion um 21% bei den Krankenhauseinweisungen aufgrund Herzinsuffizienz und eine Verringerung um 16% bei der Gesamtmortalität.
Hinsichtlich der Behandlung von Herzinsuffizienz-Patienten mit zentraler Schlafapnoe (Cheyne-Stokes-Atmung) gibt es Ergebnisse aus der SERVE-HF-Studie, in der 1.325 dieser Patienten entweder ausschließlich den Guidelines entsprechend behandelt wurden oder für fünf Stunden pro Nacht adaptive Servoventilation erhielten. Die Idee war, dass bekannt ist, dass Apnoen prognostisch schlecht sind und somit ihre Behebung durch die Ventilation zu einem Benefit für die Patienten führen müsste. Das Ergebnis war überraschend: Nicht nur, dass die Ventilation den Outcome nicht positiv beeinflusst, war die Mortalität bei den beatmeten Patienten sogar höher als in der Vergleichsgruppe. Das Fazit: Die Cheyne-Stokes-Atmung könnte ein Kompensationsmechanismus sein. Wird dieser behindert, schadet das dem Patienten.
Roithinger: Generell gilt: the lower, the better. In der PROVE-IT-Studie zeigte sich beispielsweise ein tendenziell geringeres kardiovaskuläres Risiko für Patienten mit LDL-C-Werten unter 40 mg/dl im Vergleich zu jenen mit einem LDL-C unter 80 mg/dl. Die Daten der IMPROVE-IT-Studie zeigten, dass es hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils der Patienten durch die Senkung des LDL-C-Spiegels auf unter 30 mg/dl keine Unterschiede zu jenen mit höheren Werten gibt. Die positiven Ergebnisse sind auch unabhängig von der Art des cholesterinsenkenden Mechanismus. Diese Daten stimmen auch mit den Ergebnissen der PROVE-IT- und der OSLER-Studie überein.
Mit der neuen Medikamentenklasse der PCSK9-Inhibitoren, eine Immuntherapie für Hyperlipidämie, kann das LDL-C noch weiter als bisher gesenkt werden. Dadurch steht nun auch eine Therapieoption für Patientengruppen, die bisher nicht oder nicht ausreichend behandelt werden konnten, zur Verfügung. Bereits im vergangenen Jahr wurde die dramatische Senkung der LDL-Spiegel bei primärer Hypercholesterinämie durch PCSK9-Hemmer um rund 60% des Ausgangswertes gezeigt. Dies revolutioniert ohne Zweifel die Lipid-therapie.
Roithinger: Die interessantesten Daten gibt es zu den leadless cardiac pacemaker, also zur Stimulation durch eingeschraubte Mikroschrittmacher direkt im Herz ohne Gehäuse und ohne Sonde. In der LEADLESS-II-Studie waren 526 Patienten eingeschlossen, für 300 gab es Daten über ein halbes Jahr. Erfolgreich war die Implantation bei 96% aller miteingeschlossenen Patienten. Bei 93% der 300 Patienten, zu denen es Daten über ein halbes Jahr gab, wurde der primäre Endpunkt – keine schweren Komplikationen innerhalb der ersten sechs Monate – erreicht. Von diesen Patienten zeigte sich bei 90% eine ausgezeichnete Funktion des Schrittmachers und eine errechnete Batteriehaltbarkeit von 15 Jahren.
Roithinger: Zum Thema Vorhofflimmern wurde gezeigt, dass die Gabe von Antiarrhythmika für 90 Tage nach einer Ablation die Rezidivrate nicht senken kann. Bei Patienten, die schon sehr lange an Vorhofflimmern leiden, könnte es sein, dass die elektrische Herzohr-Isolation einen Nutzen bringt und diese Patienten dadurch häufiger im Sinusrhythmus bleiben. Diese Prozedur ist nicht ganz unumstritten, weil das Herzohr durch die Isolation auch Gefahr läuft, nicht zu kontrahieren, wodurch die Emboliegefahr steigt. In einigen Zentren wird das Herzohr frühzeitig mit einem Schirm verschlossen. Das wäre in Zukunft bei ausgewählten Patienten ein aggressiver, aber doch möglicher Kombinationseingriff.
Hinsichtlich Primär- und Sekundärprävention bei Patienten mit ventrikulärer Arrhythmie gibt es keine Daten zum Defibrillator (ICD) bei der Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF, heart failure with preserved ejection fraction). Daher empfehlen Experten vorläufig auch keinen ICD – auch nicht bei NYHA-3-Patienten mit HFpEF.
Bei NYHA-1-Patienten, die keine Beschwerden haben, besteht ebenfalls keine Indikation für einen ICD, unabhängig davon, wie schlecht der Ventrikel ist.
Neu in den Guidelines ist die Indikation für die LifeVest. Dieser wie eine Weste tragbare Defibrillator kommt zur Überbrückung von Spezialsituationen zum Einsatz und entspricht einer Klasse-2b-Indikation. Zum Einsatz kommt die Weste bei Bridging-to-Transplant, oder bei Myokarditis-Patienten mit ganz schlechtem Ventrikel, bei denen die Hoffnung besteht, dass dieser sich wieder erholt, oder auch bei Schwangerschaftskardiomyopathie mit schlechtem Ventrikel, wo man davon ausgehen kann, dass sich dieser wieder erholt.
Roithinger: Für implantierbare Aortenklappen sind laufend mehr Produkte erhältlich. Die kommenden zwei Jahre werden zeigen, wie der Markt durch die neuen Modelle bereichert wird.
Hinsichtlich der Therapie der Mitralinsuffizienz sind sich Chirurgen und Kardiologen einig, dass die Operation schwierig ist, da der Papillarmuskelapparat auch in Mitleidenschaft gezogen ist. Die hohe Rezidivrate nach der Operation lässt darauf schließen, dass die Patienten davon profitieren, wenn diese Klappe rekonstruiert wird. Daher muss individuell für jeden Patienten von den Mitgliedern des Heart- Teams entschieden werden, ob operiert wird. Man muss sich im Heart-Team sehr genau überlegen, ob man operiert. Eine sinnvolle Option stellt möglicherweise die interventionelle Therapie (MitraClip) dar. Auch für die Trikuspidalinsuffizienz gibt es eine neue Behandlungsoption. Bei schwerkranken Menschen ist die Möglichkeit einer Operation zwar gegeben, allerdings ist die Mortalitätsrate sehr hoch, da zumeist das linke Herz die Ursache ist. Die interventionelle Korrekturprozedur mit dem Mitraline-System ist zwar noch in Entwicklung, aber vielversprechend. Bei dieser Prozedur werden das anteriore und das posteriore Segel über eine Naht zusammengeknüpft, indem von der Ven-trikelseite aus ein Anker in die Segel gelegt wird und diese Fäden dann auf Vorhofseite verbunden werden. Das septale Segel bleibt unverändert. So wird aus der Tri- eine Bikuspidalklappe gemacht.