INITIATIVE STOP SCHMERZ! Vernachlässigter Durchbruchschmerz

„In der Behandlung von Tumorpatienten wird dem Durchbruchschmerz noch immer viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt“, erklärt Univ.-Prof. Ing. Dr. Andreas Schlager, MSc, Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin der MedUni Innsbruck. „So erhalten sehr viele Tumor-Patienten nur Medikamente, um den Grundschmerz zu behandeln, die spontan auftretenden Schmerzspitzen bleiben jedoch häufig untherapiert.“
Wie wichtig die Behandlung des Durchbruchschmerzes ist, zeigt eine aktuelle Studie, die auf dem Schmerz-Weltkongress in Mailand präsentiert wurde. Von 1.000 Tumor-Patienten, die in 28 Zentren in 13 europäischen Ländern rekrutiert wurden, litten 440 an belastungsabhängigen, 415 an spontanen Durchbruchschmerzen und 143 an einem Mix aus beidem. Diese Durchbruchschmerzen traten im Schnitt dreimal täglich auf. 61,8% der Teilnehmer beschrieben den Schmerz als stark, 33,7% als mittelstark und 3,6% als leicht.

 

Schnellwirksame Opioide helfen

„Mehr als 60% der Tumorschmerzpatienten leiden an Durchbruchschmerzen, das darf man nicht ignorieren“, so Schlager. Im Schnitt dauerte es nur fünf bis zehn Minuten von Beginn der Schmerzepisode bis die Schmerzspitze erreicht war. Nach 60 Minuten war die Schmerzepisode bereits abgeklungen. In der Therapie sind daher Medikamente gefragt, die ihre Wirksamkeit sehr schnell entfalten, aber nicht allzu lange wirken. Hier werden vor allem schnell wirksame Opioide eingesetzt, die ihre Wirkung innerhalb von fünf bis sieben Minuten entfalten und die es in zahlreichen Darreichungsformen als Stick, Buccaltablette und als Nasalspray gibt.
„In Österreich sind diese Arzneimittel leider großteils in der No-Box bzw. in der roten Box gelandet und müssen daher jedes Mal neu bewilligt werden. Das verkompliziert die Therapie unnötig, und Betroffene müssen häufig unter diesen oft extrem peinigenden Schmerzspitzen leiden, obwohl es dagegen hochwirksame Medikamente gibt“, so Schlager. Der Schmerzexperte zeigt zwar Verständnis dafür, dass die Krankenkassen in Zeiten stagnierender Budgets auf ihre Ausgaben achten müssen, dennoch plädiert er dafür, diese Präparate in die Grüne Box zu verschieben: „Die betroffenen Tumorpatienten sind allesamt Opioid-pflichtig und der Zeitraum, über den die Medikamente verabreicht werden, ist zeitlich begrenzt. Daher wäre es Aufgabe der Politik dafür zu sorgen, dass diese schwer kranken Menschen eine angemessene Schmerztherapie bekommen.“

 

Schmerzmittelmissbrauch im Hobbysport

Schmerzmittelmissbrauch im Laiensport ist ein größeres Problem als bisher angenommen. Die Hälfte der 4.000 Teilnehmern des Bonn-Marathons hatte bereits vor Beginn des Marathonlaufes nichtsteroidale Antirheumatika eingenommen, obwohl nur ein kleiner Teil der Befragten vor Beginn des Laufes tatsächlich an Schmerzen gelitten hatten. „Schmerzmittel haben eine leistungssteigernde Wirkung, daher ist Missbrauchspotenzial vorhanden“, erklärt Dr. Michael Ausserwinkler, Facharzt für Innere Medizin. Nicht grundlos finden sich Schmerzmittel auch auf den Dopinglisten wieder.
In der Bonner Befragung, die auf dem deutschen Schmerzkongress vorgestellt wurde, zeigte sich, dass vor allem Läufer mit Marathonerfahrung zu Schmerzmitteln griffen. Die Gründe dafür waren Schmerzen beim Training und Probleme beim Lauf. „Schmerzmittel werden vor allem bei Überlastungen von Sehnen und Sehnenansätzen eingesetzt. Dadurch werden aber die Symptome unterdrückt und das Problem verschlimmert sich, weil keine Schonung stattfindet“, so Ausserwinkler. So verhinderte die Einnahme von Schmerzmitteln vor dem Start nicht das Auftreten von Muskelkrämpfen während des Marathonlaufes oder danach. Lediglich Laufabbrüche aufgrund von Muskelschmerzen kamen bei den Sportlern, die Schmerzmittel eingenommen hatten, seltener vor.

 

Häufiger Lauf-Abbruch wegen Darmkrämpfen

Häufiger war hingegen der Laufabbruch wegen Darmkrämpfen. Insgesamt traten in der Gruppe, die Schmerzmittel eingenommen hatte, Herz-Kreislauf-Beschwerden fünfmal häufiger, Darmkrämpfe und Blutungen siebenmal häufiger und Nierenprobleme sogar achtmal häufiger auf.
Auch in Österreich gibt es ein Problem mit dem Schmerzmittelmissbrauch im Hobbysport. „Trainer und Sportwissenschaftler berichten, dass mindestens 15–20% der Laiensportler Schmerzmittelmissbrauch betreiben“, erklärt Ausserwinkler. Da diese Zahlen allerdings nur Schätzwerte sind, fordert er, genaue Erhebungen zu machen, um das volle Ausmaß des Problems abschätzen zu können. Auch die Sportverbände sollen auf das Problem aufmerksam gemacht werden.
Der Einsatz von Schmerzmitteln im Sport kann auch sinnvoll sein, so Ausserwinkler, nämlich dann, wenn Sportler aufgrund von Verletzungen an Schmerzen leiden. In diesen Fällen sollten allerdings keinesfalls mehrere Schmerzmittel miteinander kombiniert werden: „Die Wirkung wird nicht stärker, aber die Nebenwirkungen potenzieren sich.“ Die Folgen sind Magengeschwüre, Darmprobleme oder Blutdruckentgleisungen. Daher sollte zwischen der Einnahme verschiedener Rheumaschmerzmittel eine Zeitspanne von mindestens 24–48 Stunden liegen.