Die chronische Insomnie gilt als Risikofaktor für mehrere psychische Störungen und erschwert die Bewältigung von schwer belastenden Lebensereignissen und Stress. Aktuelle Studien zu dem Thema Insomnie und COVID-19 (Stichwort: „Coronasomnia“) zeigen eine signifikante Assoziation zwischen akuter Infektion und Insomnie bei betroffenen Personen. Die Prävalenz von Insomniesymptomen bei Personen mit COVID-19 lag bei 36–88 % und somit deutlich über der normalen Insomnie-Prävalenz der Bevölkerung von 10 %.
Schlüsselsymptome der chronischen Insomnie sind Ein- und/oder Durchschlafstörungen, ungenügende Schlafqualität sowie eine beeinträchtigte Tagesbefindlichkeit an mindestens 3 Tagen der Woche über 3 Monate.
In der Insomnie-Abklärung sollte ein störendes Verhalten im Schlaf (Parasomnie), Schnarchen mit Atempausen (Schlafapnoe), Bettzeiten, subjektive Schlafdauer und Schlafverhalten tagsüber sowie Tagesbefindlichkeit erfragt werden. Genussmittelkonsum, Medikamenten- und Systemanamnese (Depression und/oder Angststörung) sowie Fragen nach ruhelosen Beinen sollten ebenfalls exploriert werden.
Polysomnografie: Bei schweren Insomnien mit signifikanter Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit, Therapieresistenz, dem Verdacht auf eine komorbide, organisch bedingte Insomnien oder Hinweisen auf eine Schlaffehlwahrnehmung ist die Polysomnografie über ein Schlafzentrum eine wichtige Voraussetzung für die Wahl der passenden Therapie.
Kognitive Verhaltenstherapie: Europäische und amerikanische Leitlinien nennen die kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie (CBT-I) als Therapie erster Wahl, deren Behandlungseffekte über die Symptome von Insomnie hinausgehen.
Schlafrestriktionstherapie mit Schlaftagebuch: Als zentrales, wirksamstes Element gilt die Schlafrestriktionstherapie mit einem Schlaftagebuch, bei der die Bettzeit der subjektiven Schlafzeit schrittweise angeglichen wird und zumindest ein verkürztes Bettliegezeitfenster von nicht mehr als 6,5 Stunden erreicht werden soll. Die Stimuluskontrolle („Im Bett wird nur geschlafen!“), die Reduktion des nächtlichen Grübelns und dysfunktionaler Überzeugungen haben sich auch in einer Single-Shot-Intervention von 60 Minuten in unterschiedlichen Patientengruppen als wirksam erwiesen.
Face-to-Face-Therapie: Bei einer Symptomdauer von mehr als drei Monaten werden Face-to-Face-Therapien empfohlen. Allerdings wird aber in Anbetracht der Engpässe bei dieser Art von Behandlung auf digitale Therapieangebote für Insomnie hingewiesen.
Non-Benzodiazepin-Agonisten (Z-Substanzen) bewirken eine selektive Bindung an Alpha-Untereinheiten des GABA-Rezeptors und werden als gut erforschte und signifikant wirksame Hypnotika in internationalen Leitlinien empfohlen, sofern die Insomnie nicht auf einer anderen Ursache beruht.
Aus Angst vor Nebenwirkung und der Verwechslung eines Low-Dose-Hypnotikagebrauchs mit echter Abhängigkeit erfolgt häufig keine Verordnung oder eine unter 4 Wochen, was dazu führt, dass Patienten oft den Arzt wechseln oder um Privatrezepte bitten (sog. „Doctor Shopping“).
Die Fahrtüchtigkeit nach einer durchwachten Nacht entspricht etwa der unter 0,8 Promille Alkohol. Die Risiken einer Nichtbehandlung sind also auch deshalb erheblich. Alternativ eingesetzte Psychopharmaka (sedierende Antidepressiva und Neuroleptika) führen oft zu einer wesentlich stärkeren Schläfrigkeit, Müdigkeit und verlängerten Reaktionszeiten als Z-Substanzen.
Melatonin und Melatonin-Agonisten können die Einschlaflatenz verkürzen und die Einleitung einer Insomniebehandlung unterstützen.
Eszopiclon gilt als neuester Vertreter der Z-Substanzen und ist in der niedrigsten Dosierung aller Z-Substanzen wirksam (1–3 mg/Tag). Die verhältnismäßig lange Halbwertszeit von 6 Stunden macht den Einsatz dieser Substanz bei Ein- und Durchschlafstörungen plausibel. Eszopiclon ist laut Psychotropenverordnung des Bundesministeriums (BMASK) als nichtpsychotrope Substanz klassifiziert. Nachgewiesen wurde eine bis 6 Monate an-haltende Wirksamkeit in den Schlüsselvariablen „Einschlaflatenz“, „Schlafeffizienz“ und „nächtliche Wachzeit“, sowohl bei primärer als auch bei komorbider Insomnie.
Wir sollten daher im Ordinationsalltag Insomniepatienten nicht diffamieren, sondern identifizieren, ihre Beschwerden ernst nehmen und adäquat behandeln.