Abweichungen von der als normal empfundenen Körperhöhe sind an sich nicht als krankhaft einzustufen, sondern oft Ausdruck der großen Variationsbreite des menschlichen Wachstums. Eine klare Abgrenzung von krankhaften primären oder sekundären Wachstumsstörungen unter Beachtung der Körperproportionen ist daher wichtig. Ein wichtiges Unterscheidungskriterium ist die bei sekundären Wachstumsstörungen oftmals verminderte Wachstumsgeschwindigkeit, also das Kreuzen der Perzentile.
Eine Eintragung der auxologischen Daten in populationsbezogenen Kurven für das Längenwachstum, das Gewicht, den Body-Mass-Index und den Kopfumfang ist daher ein wichtiger Teil der Dokumentation und Diagnostik. Um den genetischen Anteil des Wachstums, der den größten Einfluss auf die Erwachsenengröße hat, beurteilen zu können und auch dem geschlechtsspezifischen Größenunterschied Rechnung zu tragen, sollte man aus den Elterngrößen die sogenannte „genetische Zielgröße“ für das Kind berechnen. Unter Beachtung der aktuellen Position in der Perzentilenkurve lässt sich beurteilen, ob das Kind im Zielgrößenbereich wächst.
„wachstum.at“ ist ein kostenloses Medizinprodukt der Adliance GmbH in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ), der Arbeitsgruppe Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie (APEDÖ) und der Medizinischen Universität Wien. Eltern, Ärztinnen und Ärzte können diese Software verwenden, um die Messdaten ihrer Kinder bzw. PatientInnen zu speichern, in Perzentilenkurven darzustellen, SD-Scores zu berechnen und im Zeitverlauf zu verfolgen. Eine Registrierung ermöglicht überdies, Messdaten mehrerer Kinder dauerhaft zu verwalten und Daten mit Mitgliedern der Fachgruppe datenschutzkonform zu diskutieren oder auszutauschen.
Wachstumshormon (GH) wird überwiegend in der Nacht aus dem Hypophysenvorderlappen sezerniert. Dies erfolgt in einem pulsatilen Muster unter dem Einfluss hypothalamischer Signale und Botenstoffe. GH bindet an den Wachstumshormonrezeptor und bewirkt eine Steigerung der Produktion von Insulin-like-Growth-Factor-1 (IGF-1) vor allem in der Leber, Niere und an der Epiphysenfuge. IGF-1 ist der eigentliche Mediator des longitudinalen Knochenwachstums und beeinflusst auch metabolische Stoffwechselprozesse wie Proteinsynthese, Glukoneogenese und Lipolyse. Im Serum ist es an das Insulin-like-Growth-Factor-1-binding-Protein-3 (IGFBP-3) gebunden. Aufgrund der Pulsatilität der Wachstumshormonausschüttung sind punktuelle Messungen von GH wenig aussagekräftig. IGF-1 und IGFBP-3 spiegeln die integrierte Sekretion von GH viel besser wider (so wie HbA1c betreffend den Blutzuckerstoffwechsel) und können daher zur Basisdiagnostik des Wachstumshormonstoffwechsels herangezogen werden.
Zur Beurteilung des Vermögens der Hypophyse, Wachstumshormon zu produzieren und auszuschütten, werden nach wie vor verschiedene Provokationstests herangezogen, die nur unter klinischen Bedingungen von pädiatrischen Endokrinologen durchgeführt werden sollen.
Schilddrüsenhormone wirken synergistisch auf die GH-Produktion in der Hypophyse und erhöhen die Empfindlichkeit der Zielorgane für die Proliferationsantwort auf GH und IGF-1. Eine Schilddrüsenunterfunktion sollte daher im Zuge der Wachstumsdiagnostik immer ausgeschlossen werden.
Die Ermittlung der Knochenreife erfolgt üblicherweise durch vergleichende Betrachtung vom Röntgenbild der linken Hand mit einem normativen Bild in einem Atlas (Greulich & Pyle) oder mit Hilfe eines aufwändigen und daher kaum angewendeten Scoring Systems (Tanner & Whitehouse). Diese Methodik unterliegt allerdings erheblichen inter- und intraindividuellen Unterschieden in der Beurteilung des Knochenalters, insbesondere wenn die Knochenreifung von Handwurzel- und kleinen Handknochen disharmonisch verläuft. Die Software „BoneXpert“ ermöglicht eine kostengünstige, automatisierte und exakt reproduzierbare Analyse eines Handröntgenbildes. Ein kostenloses Programm zur Prognose der Erwachsenengröße („Adult Height“) ist über die Website abrufbar. Zudem erhalten Untersuchende eine Berechnung der Kortikalisdicke dreier Mittelhandknochen als „Bone-Health-Index“, beruhend auf Messmethoden der Knochenmasse aus den 1960er-Jahren.
Mit der Entwicklung biotechnologischer Verfahren steht seit 1985 rekombinantes Wachstumshormon (rHGH) in ausreichender Menge zur Verfügung. rHGH ist in Österreich in folgenden Indikationen zugelassen:
Die Behandlung mit rHGH erfolgt durch tägliche subkutane Injektionen abends unter Verwendung eines Injektions-Pens oder einer elektronischen Injektionshilfe, welche auch eine Speicherung der Injektionsdaten und eine telemetrische Übermittlung an den behandelnden Facharzt ermöglicht. Die Therapieabstimmung wird dadurch erleichtert, die sonst mühsame und lückenhafte Kontrolle der Therapietreue durch Zählen verbrauchter Ampullen entfällt, da Injektionszeitpunkt und injizierte Dosis nachvollziehbar dokumentiert werden.
Für Kinder mit hypophysärem Kleinwuchs (absoluter Wachstumshormonmangel) wird ein Therapiebeginn zwischen dem 4. und 5. Geburtstag empfohlen, kann aber bei angeborenen Formen mit signifikanten Hypoglykämien oder frühzeitigem Wachstumsstillstand schon früher erfolgen. Sonst sollte die Behandlung unmittelbar nach Diagnosestellung erfolgen, je später behandelt wird, desto schlechter der Erfolg. Dies zeigt sich insbesondere bei Mädchen mit dem Ullrich-Turner-Syndrom. Durch späte Diagnosestellung – im Median erst mit 9,8 Jahren – erfolgt oft auch ein sehr später Therapiebeginn.
Die üblicherweise verwendete Wachstumshormondosis liegt zwischen 25 und 35 µg/kg/Tag, bei einzelnen Indikationen auch etwas höher. Das Sicherheitsprofil ist hervorragend, mögliche Nebenwirkungen (Pseudotumor cerebri, Epiphyseolysis capitis femoris, Insulinresistenz) treten äußerst selten und dosisabhängig auf. Eine Langzeitstudie zur Sicherheit von rHGH in Europa (SAGHE) hat widersprüchliche Ergebnisse erzielt: Während bei Kindern, die zwischen 1985 und 1996 in Frankreich (z. T. mit Dosen > 50 µg/kg/Tag) behandelt wurden, eine um 30 % erhöhte Langzeitmortalität festgestellt wurde, konnte dieser Befund in anderen europäischen Ländern nicht beobachtet werden. Die EMA empfiehlt daher, die Dosis von 50 µg/kg/Tag nicht zu überschreiten.
Für eine kleine Gruppe von Patienten sind die täglichen Injektionen belastend. Einige Pharmaunternehmen versuchen, durch Konjugation an Polyethylenglykol (PEGylierung) oder andere Technologien ein langwirksames Wachstumshormon herzustellen. Eine dieser Firmen hat nun ein Präparat entwickelt, das kurz vor der Zulassung in Europa steht und mit Hilfe der CTP-Technologie (dabei wird das C-terminale Peptid der Beta-Kette von hCG mit dem Zielprotein rHGH fusioniert) ein 7 Tage lang wirksames Wachstumshormon anbieten will. Die Ergebnisse der Phase-III-Studie zeigten gleichwertige Erfolge wie das täglich angewendete Präparat.