Telemedizin bezieht sich auf die Fernversorgung von Patient:innen mit Hilfe von Technologie. Gerade zu Beginn der COVID-19-Pandemie wurden telemedizinische Konsultationen in der allgemeinmedizinischen Praxis vielfach als sicherere Alternative gewählt, hier vor allem in Form der Beratung über das Telefon, gelegentlich über Videochat. Sobald es irgendwie ging, sind wir in Österreich meistens zum persönlichen Kontakt in der Arztpraxis zurückgekehrt. Geblieben ist die Technologie in mehreren Bereichen – beispielsweise beim Buchen eines Termins, Anfordern von Rezepten, zum Teil als telemedizinische Krankmeldung, auch wird die Beratungsmöglichkeit über das Telefon beliebter und vermehrt in Anspruch genommen. Es ist zu erwarten, dass Telemedizin in Zukunft eher an Bedeutung gewinnen wird.
Im Vereinigten Königreich wurden in den ersten 4 Wochen der Pandemie 71 % aller Konsultationen bei Allgemeinmediziner:innen virtuell durchgeführt – im Jahr zuvor betrug der Anteil im gleichen Zeitraum noch 25 %. Dies veranlasste den britischen Gesundheitsminister, 2020 zu verkünden, dass Telekonsultationen zukünftig Standard sein sollen1: „So from now on, all consultations should be teleconsultations unless there’s a compelling clinical reason not to.“ Tatsächlich sind die Websites der allgemeinmedizinischen Gemeinschaftspraxen in Großbritannien ausgeklügelt: Gibt man beim Buchen eines Arzttermins den Beratungsanlass „grippaler Infekt“ ein, wird man auf die Apotheke oder auf eine Beratungshotline verwiesen. Gibt man ein dringenderes medizinisches Problem ein, wird man aufgefordert, je nach Situation direkt die Praxis für einen Termin anzurufen oder den Notruf zu wählen. Die Ordinationsassistent:in-nen (receptionists) buchen dann entweder den Termin oder arrangieren einen Rückruf durch die diensthabenden Ärzt:innen, um gemeinsam mit den Patienten:innen zu entscheiden, ob ein persönlicher Termin erforderlich ist oder diese Telefonkonsultation ausreicht. Fragt man heute bei NHS-Versicherten nach, lautet der Tenor: Es sei beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, persönlich eine:n Ärzt:in zu Gesicht zu bekommen.
Ein eigenes Gesetz, das den Bereich der Telemedizin regelt, haben wir in Österreich nicht. Den allgemeinen gesetzlichen Rahmen geben unter anderem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 – Gegenstand dieses Bundesgesetzes ist die Verarbeitung personenbezogener elektronischer Gesundheitsdaten und genetischer Daten durch die GDA – sowie das Ärztegesetz vor. In letzterem findet sich in § 49 Abs. 2 das Unmittelbarkeitsgebot: „Die Ärztin/Der Arzt hat ihren/seinen Beruf persönlich und unmittelbar, erforderlichenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Ärztinnen/Ärzten und Vertreterinnen/Vertretern einer anderen Wissenschaft oder eines anderen Berufes, auszuüben.“ Die Zulässigkeit telemedizinischer Anwendung hängt nach gängiger juristischer Meinung davon ab, ob über den digitalen Weg alle notwendigen Informationen zur Abklärung des Gesundheitszustandes erhalten werden können. Hat die/der Ärzt:in Zweifel oder kann die/den Patient:in nicht allumfassend beurteilen, hat sie/er sie/ihn persönlich, d. h. in diesem Fall von Angesicht zu Angesicht, zu untersuchen und sie/ihn in die Ordination oder Ambulanz zu bestellen.2, 3 Telemedizin ist in Österreich schon Alltag, die rechtlichen Grundlagen sollten dementsprechend angepasst werden.