Die flächendeckende medizinische Versorgung in Österreich ist in Gefahr. Kassenstellen müssen mehrfach ausgeschrieben werden. Die Zahl der Bewerbungen sinkt. Die Umsetzung aller denkbaren Zusammenarbeitsformen für Ärzte muss kommen, lautet die Forderung in Österreichs östlichstem Bundesland.
„Es geht uns noch nicht so ganz schlecht. Aber wir haben zum Beispiel bei einer Ausschreibung – keine so kleine Ordination mit 900–1.000 Krankenscheinen und Hausapotheke – null Bewerbungen“, schilderte der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte im Burgenland, Dr. Michael Schriefl, gegenüber der Ärzte Krone die wachsenden Probleme. Mehrfache, auch bundesweite Ausschreibungen werden im Burgenland häufiger. Bei einer Kassenstelle fand sich beispielsweise ein etwa 60-jähriger Bewerber, der bisher Wahlarzt in einem anderen Bundesland war.
„Das ist die Realität, die jetzt sichtbar wird. Und das noch vor der großen Pensionierungswelle, die uns in den nächsten Jahren bevorsteht“, so der Vizepräsident der burgenländischen Ärztekammer.
Was noch hinzukommt: Der Spitalsbereich steht auch im östlichsten Burgenland massiv unter Druck. „Im Krankenhaus in Oberwart laufen die Ärzte reihenweise davon. Das kann man bald in ein Pflegeheim oder sonst etwas umbenennen. Die Politik spielt brutal auf Zeit und rührt sich nicht bzw. nur sehr langsam unter maximalem Druck“, betonte der Standespolitiker.
Damit werden aber die Herausforderungen für die niedergelassenen Ärzte nur noch größer. „Wir haben 144 Kassenärzte in der Allgemeinmedizin und etwa 80 Facharzt-Kassenstellen. Um hier für die Zukunft halbwegs gerüstet zu sein, brauchen wir alle neuen ärztlichen Kooperationsformen. Alles was möglich ist, muss auch umsetzbar werden. Was für den einen passt, passt nicht für den nächsten“, sagte Schriefl.
Die Konsequenz, so der Standesvertreter: „Als nächsten Schritt müssen wir die Zusammenarbeitsformen mit der Burgenländischen Gebietskrankenkasse neu verhandeln.“
Derzeit gibt es schon mehrere verschiedene mögliche Kooperationsmodelle bei den Kassenpraxen:
Das große Problem liegt darin, dass ein guter Teil dieser Regelungen einfach „totes Recht“ geblieben ist. Dafür gibt es handfeste Gründe. „Wir haben bei der originären Gruppenpraxis und bei der Zusammenlegungspraxis einen Abschlag bei den Honoraren von 8,5%. Damit sind solche Kooperationen nicht interessant. Das müssen wir wegbekommen – ähnlich wie zuletzt in Niederösterreich“, sagte Schriefl.
Besser funktioniert die Job-Sharing-Praxis auf Grundlage eines Kassenvertrages. „Da haben wir im Burgenland drei laufen. Aber auch hier haben wir Deckelungen und Fallwertbegrenzungen. Deshalb müssen wir zu vernünftigen Regelungen kommen, damit das nachhaltig wirksam wird“, so der Standesvertreter. Drei solcher Kassenpraxen von 144 Kassenstellen für Allgemeinmediziner belegen, dass auch dieses Modell zahlenmäßig noch nicht wirklich durchschlägt, wenn der Honorardeckel in einem starken Quartal, etwa bei einer Grippewelle, erreicht wird …
Das Schicksal der Nachfolge- und Übergabepraxis steht im Zuge der demografischen Entwicklung bei der Ärzteschaft ebenfalls auf wackeligem Grund. Da geht es um Umsetzung von Ablösemodellen, keine einfache Frage in Zeiten des aufkommenden Ärztemangels.
Aber einige Übergabepraxen gab es im Burgenland in der jüngeren Vergangenheit. Hier ist der Unterschied zur Nachfolgepraxis (auf mindestens sechs Monate und maximal drei Jahre angelegt), dass sie maximal sechs Monate dauert und keine Gründung einer Gesellschaft erforderlich ist. Doch auch hier gibt es eine Fallzahl- und Fallwertbeschränkung, die strenger als bei der Job-Sharing-Praxis ausfällt.
„In Zeiten des Ärztemangels sind Abschläge und allzu rigide Beschränkungen, welche die Kollegen abschrecken, sicher anachronistisch. Wir fordern auf alle Fälle ein Ende der Abschläge bei der Zusammenlegungspraxis und bei der originären Gruppenpraxis sowie eine Abschaffung der Fallzahl- und Fallwertbeschränkungen bei den anderen Zusammenarbeitsformen“, so der Standesvertreter.
Gar nicht einfach ist generell die Frage der Rechtsform für Gruppenpraxen. „Die GmbH wird wohl nur für große Labor- oder Radiologenpraxen sinnvoll sein“, so Schriefl. Der Nachteil einer OG liegt vor allem in einer steuerlichen Benachteiligung. Aber es kommt noch etwas hinzu. „Ganz ungefährlich ist eine OG wegen der an sich wechselseitigen vollen Haftung der Partner nicht. Da braucht man schon gute Steuerberater und einen Anwalt, um das im Innenverhältnis zu regeln. Das kostet am Anfang Geld“, sagte Schriefl.
Doch es gibt noch ein großes Anliegen, das man verfolgen will: die Anstellung von Ärzten bei Ärzten. „Wir haben das rechtlich geprüft. Laut dem Standesrecht der Ärzte ist das möglich. Man braucht aber einen Kollektivvertrag, der sich irgendwie an den Verträgen im Krankenhaus orientieren wird. Es muss halt in der Realität auch leistbar für Kollegen sein“, sagte Schriefl.
Eindeutig ist allerdings, dass Kassenordinationen mit der Anstellung von Ärzten bei Ärzten im Gesamtvertrag mit den Kassen derzeit nicht vorgesehen sind. „Das muss man halt in den Gesamtvertrag aufnehmen. Ein Gesamtvertrag ist kein Naturgesetz“, betonte der burgenländische Kammer-Vizepräsident.
Hier geht es um das Heben sonst nicht wirksamer Personalressourcen bei den Ärzten. „Es gibt da ein gar nicht so kleines Potenzial, zum Beispiel bei Ärztinnen, die 30, 40 Jahre alt sind und nicht ständig Vertretungen machen wollen, sondern vielleicht 20 Stunden pro Woche angestellt sein wollen. Sie können fix arbeiten und bekommen ein Gehalt – das bietet Vorteile“, sagte Schriefl.
Auch hier müssen sich die Krankenkassen erst bewegen, um einen Beitrag zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit ärztlichen Leistungen außerhalb der Krankenhäuser in der Zukunft zu leisten. Eine Ärzte-interne Initiative wird derzeit im Burgenland gerade realisiert: Der Aufbau von regionalen Ärzte-Netzwerken mit Absprache von Ordinations- und Urlaubszeiten, gezielteren Überweisungen etc. Das erfolgt nach dem Vorbild in der Steiermark (StyriamedNet).
„Eine Flächendeckung im gesamten Bundesland haben wir noch nicht erreicht, aber wir arbeiten daran. Für die Patienten bedeutet ein solches Netz deutliche Vorteile. Damit kann man eventuell auch in Zukunft bei guter Koordination innerhalb des Netzwerkes verfügbare Ordinationen bei Öffnungszeiten zwischen 8 Uhr und 19 Uhr gewährleisten“, sagte Schriefl. Das österreichische Gesundheitswesen wird im niedergelassenen Bereich insgesamt wohl noch viel flexibler werden müssen …