Ein Großteil der Verbesserung der Lebenserwartung wurde – das muss man klar sagen – in den letzten 20 Jahren auf Grund der guten Versorgung auf kardiovaskulären Gebieten erzielt. Natürlich ist das häufigste Krankheitsbild des Kardiologen, bei dem – auch medikamentös – die größten Fortschritte erzielt wurden, der Herzinfarkt. Man muss ich vorstellen, dass vor 30, 40 Jahren die Sterblichkeit weit über 30% betrug, heute liegt sie bei 5%. Das ist schon eine dramatische Senkung der Sterblichkeit bei diesem Krankheitsbild, wie sie in der Medizin nicht üblich ist: eine 70%ige Senkung der Sterblichkeit seit den 1980er oder 1990er Jahren! Das ist nicht nur auf die verbesserte Reperfusion zurückzuführen. Begonnen hat es pharmakologisch mit der Lyse, hinzu kamen die Begleittherapie beim akuten Infarkt, also nach der Eröffnung des Gefäßes, die neuen Antithrombotika und die neuen Antiplättchentherapien – da hat sich enorm viel geändert und damit das Überleben nach einem Infarkt dramatisch beeinflusst. Das war für mich der größte Erfolg des letzten Jahrzehnts.
Enorme Fortschritte wurden auch auf dem Gebiet der Hypertonie gemacht. Die Vielfalt von Antihypertonika macht es zu einem hohen Prozentsatz möglich, eine Hypertonie zu normalisieren. Etwas enttäuschend ist nach wie vor der Umstand, dass es noch immer Menschen gibt, die nicht wissen, dass sie eine Hypertonie haben.
Ein ganz wesentlicher Fortschritt ist auf dem Gebiet des Fettstoffwechsels, einem weiteren Risikofaktor für Herzerkrankungen, erzielt worden. Die Hypercholesterinämie wurde durch die Statine sehr effektvoll beseitigt. Wenn wir heute in Studien nach Patienten suchen, die erhöhte Cholesterinwerte haben, ist das ein schwieriges Unterfangen. Das ist also auch in Österreich einer der Risikofaktoren, der am wirkungsvollsten bekämpft wurde. Der Großteil der Österreicher weist ein relativ gutes Cholesterinprofil auf, das muss klar gesagt werden. Es hat sich hier auch sehr viel geändert: Die hoch dosierten Statine sind kein Problem mehr, seit wichtige Statine jetzt auch als Generika auf dem Markt sind, daher gibt es die preislichen Probleme aus der Anfangszeit nicht mehr. Seit wenigen Wochen gibt es beispielsweise Sortis 80 mg als Generikum zum halben Preis.
Sehr gute Fortschritte wurden auch auf dem Gebiet der Herzinsuffizienz gemacht. Heute gibt es eine ganze Palette von Medikamenten, die hier zur Verfügung stehen. Früher waren es nur ACE-Hemmer und Beta-Blocker, inzwischen hat sich auf diesem Gebiet sehr viel getan. Erstmals können damit auch Leben verlängert werden. Früher, als man nur Diuretika oder Digitalis hatte, gab es diese Lebensverlängerung nicht, heute werden den Patienten Jahre geschenkt.
Eine weitere wichtige Rolle spielen auch die Devices (Schrittmacher, Defibrillatoren etc.), denn auch diese haben das Leben in diesem großen Patientenkollektiv, das nach wie vor im Steigen begriffen ist, substanziell günstig beeinflusst.
Eine Enttäuschung für Kardiologen war, dass trotz der vielen Rauchverbote die Zahl der Raucher nicht abgenommen hat. Die Zahl der rauchenden Teenager ist viel zu hoch. Die gesetzlichen Maßnahmen haben also bisher nichts verändert.
Die zweite große Enttäuschung ist, dass wir einer Pandemie des Übergewichts entgegensteuern und damit einer Zunahme des Diabetes und vieler anderer Probleme. Damit wird die schon erreichte Lebensverlängerung wieder reduziert. Denn übergewichtige Menschen erleben im Alter nicht nur kardiovaskuläre Probleme, sondern sind zunehmend auch mit Diabetes, diversen orthopädischen Problemen und anderen Beeinträchtigungen konfrontiert. Hier schon im jugendlichen Alter entgegenzusteuern ist – glaube ich – derzeit die größte Herausforderung auf dem Gebiet der Prävention. Wir vom Herzfonds haben in zwei Haupt- und zwei Mittelschulen in Wien ein Projekt gestartet, das Erschreckendes aufzeigt. Die Anzahl an unter 14-Jährigen mit über 100 kg Körpergewicht ist erschreckend hoch. Gegen diese Megaadipositas, die hier auf uns zukommt, muss schon in den Schulen angegangen werden, in welchen die Bewegung derzeit viel zu kurz kommt.
Auf dem Gebiet der Akutmedizin wurden generell große Erfolge erzielt. Nach einem Akutgeschehen verlassen zwar viele Patienten das Spital heute lebend, dafür entstehen dann aber Langzeitprobleme. So entwickelt beispielsweise ein Überlebender eines Herzinfarktes dann häufiger eine Herzinsuffizienz.
Zu den wichtigsten Medikamenteneinführungen zählt auf dem Gebiet der Thrombozyten-Aggregationshemmer die Einführung von Plavix, das generell bei der Arteriosklerose, sei es beim Schlaganfall oder in der Peripherie – also für den Neurologen, aber auch für den Kardiologen – viel gebracht hat. Die Kombinationstherapie aus Aspirin und Plavix war ein Meilenstein.
Ein weiter Meilenstein war in den letzten Monaten die Einführung der neuen Gerinnungshemmer. 50 Jahre hatten wir für das Koronarsyndrom nur die Vitamin-K-Antagonisten. Jetzt gibt es Alternativen, die für den Patienten wesentlich angenehmer sind, da er nicht mehr zur Bestimmung gehen muss, die das Schlaganfallrisiko deutlich besser als die Vitamin-K-Antagonisten reduzieren und darüber hinaus weniger Blutungen verursachen.
Inzwischen sind die ersten Nachfolgepräparate von Plavix (welches bei gewissen Indikationen sicher Mittel erster Wahl bleiben wird) auf dem Markt. Beim akuten Koronarsyndrom wirken diese neuen Thrombozytenaggregationshemmer (Efient, Ticagrelor etc.) jedoch wesentlich besser und haben die Ereignisraten deutlich reduziert.
In der Rhythmologie war die Möglichkeit, Rhythmusstörungen mit Ablationsverfahren beseitigen zu können, eine Innovation. Damit können Vorhofflimmern, aber auch supraventrikuläre Störungen behandelt werden. Es gab aber auch Fortschritte bei den Antiarrhythmika, obwohl hier seit der Einführung von Sedacoron kein wirklich ausschlaggebender Meilenstein mehr erreicht werden konnte.
Zuletzt seien noch die neuen Operationsverfahren erwähnt. Stichwort: Herzklappen. Heute können Klappen auch perkutan bei Patienten eingeführt werden, die zu alt für eine Herzoperation sind. Mit dieser neuen Technik kommt es auch hier zu großen Fortschritten.