Das Problem der medizinischen Grundversorgung ist seit Jahren ein relevantes Thema im österreichischen Gesundheitssystem. Es geht unter anderem um die Frage, ob es jedem Menschen in Österreich ermöglicht wird, einen Kassenarzt oder eine Kassenärztin für medizinische Notwendigkeiten in absehbarer Zeit aufsuchen zu können. Oder ob das Ausweichen auf Wahlärzt:innen aus verschiedenen Gründen alternativlos ist. In Oberösterreich sind – Stand Anfang Mai 2022 – 45 Kassenstellen (Allgemeinmedizin und Fachärzt:innen) unbesetzt. Im Jahr 2005 gab es in diesem Bundesland ca. 800 Wahlärzt:innen, jetzt sind es beinahe 1.500 – 340 davon Wahlärzt:innen für Allgemeinmedizin. Dem stehen in Oberösterreich 1.240 Kassenärzt:innen gegenüber.
Wahlärzt:innen sind eine inhomogene Gruppe: Einige arbeiten die gesamte Woche in ihrer Wahlarztpraxis, andere sind für 1–2 ½ Tage in einer Praxis eingemietet, finanziell halten sie sich z. B. mit Nachtdiensten über Wasser. Nicht wenige Fachärzt:innen im Krankenhaus haben nebenbei eine Wahlarztpraxis in Betrieb, mit der sie mehr Zeit für die Betreuung ihrer Patient:innen anbieten möchten.
Wie auch immer man dazu steht, interessant ist auch die Situation, wenn man gleichzeitig als Kassen- und als Wahlärzt:in tätig ist:
Für ÖGK-Versicherte gibt es für Vertragsärzt:innen keinen kassenfreien Raum: Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs werden mit dem Patienten bzw. der Patientin privat verrechnet, Patient:innen wird nichts rückerstattet. Für die SVS bzw. VAEBVA kann alles, was nicht im „Katalog“ steht, privat verrechnet und bei der Kassa eingereicht werden.
Laut § 10 des Ärztegesetzes gilt allerdings Folgendes für eine ärztliche Behandlung:
Die Vorgaben hinsichtlich privatärztlicher Leistungen für Kassenmediziner:innen wurden in den letzten Jahren gelockert, da der Mangel an Vertragspartner:innen zunimmt und man den motivierten Kassenärzt:innen möglichst wenig Steine in den Weg legen möchte. Aus Sicht der hausärztlichen Primärversorgung sollte aber raschest überlegt und definiert werden, welche Leistungen und Versorgungsaufgaben in der hausärztlichen Grundversorgung abgedeckt werden sollten, das Berufsbild „modernisiert“ und eine verbesserte Versorgungsqualität – über die Kasse abrechenbar – erreicht werden, denn: Ein modernisierter „Leistungskatalog“ würde auch die Attraktivität der kassenärztlichen Tätigkeit steigern, vorübergehend offene Kassenstellen sollten dann die Ausnahme darstellen.
Durch die „Teuerung“ droht eine zunehmende Armut in der Bevölkerung, nicht wenige Menschen müssen – um sich einen Wahlarzt/eine Wahlärztin leisten zu können – auf andere Dinge verzichten. Wenn Patient:innen einen Wahlarzt/eine Wahlärztin für mehr Zeit fürs Gespräch oder ein nobleres Ambiente bevorzugen, ist das ja absolut in Ordnung. Ein gerechterer Zugang zum medizinischen Kassensystem muss dem Gesundheitssystem jedoch ein Anliegen darstellen.