Der unerfüllte Kinderwunsch stellt international ein wachsendes Problem dar.
Weltweit leidet eines von 6 Paaren an Infertilität, in der westlichen Welt liegt die Inzidenz aufgrund des immer höher werdenden Alters zum Zeitpunkt des Kinderwunsches noch höher. Da in den meisten Fällen nicht Einzelpersonen, sondern Paare behandelt werden, stellt die Kinderwunschbehandlung eine Einzigartigkeit innerhalb der Medizin dar. Darüber hinaus dringt die Kinderwunschbehandlung tief in persönliche Sphären wie Sexualität, Familienplanung und Partnerschaft vor und erfordert deshalb entsprechendes Feingefühl und Multidisziplinarität.
Je nach Alter der Patientin wird geraten, einen unerfüllten Kinderwunsch nach 12 Monaten regelmäßigen Geschlechtsverkehrs ohne Eintritt einer Schwangerschaft abzuklären.
Hierbei gilt: Je älter eine Patientin bei Auftreten des Kinderwunsches ist, desto früher sollte der Kinderwunsch abgeklärt werden. So wird bis zu einem weiblichen Alter von 35 Jahren empfohlen, den unerfüllten Kinderwunsch nach einem Jahr abzuklären, ab 35 jedoch bereits nach 6 Monaten. Ab einem Alter von 40 sollten bereits zu Beginn des Kinderwunsches erste Untersuchungen durchgeführt werden, um keine wertvolle Zeit zu verlieren. Insbesondere bei Symptomen sowie anamnestischen Besonderheiten oder bekannten Vorerkrankungen sollte eine medizinische Abklärung auch bei jungen Paaren mitunter schon zu Beginn des Kinderwunsches erfolgen.
Die besondere „Kunst“ auf Seiten der Beratung besteht darin, einerseits, wo angebracht, Patientinnen zu beruhigen, um den natürlichen Schwangerschaftseintritt durch einen zu frühen Behandlungsbeginn nicht zu gefährden. Andererseits sollte gegebenenfalls eine Behandlung frühzeitig begonnen werden, um dem Paar maximale Chancen zu ermöglichen. Viel zu häufig werden Paare immer noch von verschiedenen Ärzt:innen mit dem stiefmütterlichen Rat vertröstet, die ungewollte Kinderlosigkeit sei nur auf zu viel Stress zurückzuführen. Das Paar solle sich einfach entspannen und mehr Zeit lassen. Daraus resultierend suchen viele Paare oft erst nach mehreren Jahren unerfüllten Kinderwunsches Hilfe bei Expert:innen, die dann nur noch mit Mühe dem Paar sein Elternglück erfüllen können.
Bereits vor dem Auftreten eines Kinderwunsches ist es wichtig, eine entsprechende Bewusstseinsbildung zu fördern. Viele Frauen und Männer machen sich lange Zeit überhaupt keine Gedanken zum Thema Kinderwunsch. Den nicht zu unterschätzenden Schritt des Ansprechens auf mittel- bis langfristige Pläne zum Thema „Kinderwunsch“ machen oft Hausärzt:innen oder niedergelassene Gynäkolog:innen. Ein entsprechendes Vertrauensverhältnis ist hierbei von großer Wichtigkeit. Besonders wichtig ist diesbezüglich, sowohl Frauen als auch Männer langfristig auf die Fruchtbarkeit beeinflussende Lebensstilfaktoren wie Übergewicht und Rauchen aufmerksam zu machen.Die ersten Schritte der Abklärung liegen ebenfalls häufig bei Haus- und Frauenärzt:innen sowie Urolog:innen und beinhalten die Bestimmung des Hormonstatus der Frau zum Zyklusbeginn sowie ein Spermiogramm des Mannes. Viele Patient:innen lassen erste Untersuchungen auf eigene Faust durchführen, sind danach jedoch mit der Interpretation der Ergebnisse alleingelassen, weshalb eine entsprechende ärztliche Begleitung unbedingt empfohlen ist.
Die Diagnostik des Kinderwunsches verläuft in weiterer Folge schrittweise. Wenn bereits im Rahmen der ersten Untersuchungen der mögliche Grund einer Infertilität gefunden wurde, kann die Therapie eingeleitet werden; ansonsten werden weitere Abklärungsschritte durchgeführt. Der gynäkologische Ultraschall als nichtinvasive Methode spielt hierbei eine zentrale Rolle und kann anatomisch-pathologische Ursachen eines unerfüllten Kinderwunsches aufdecken, wie zum Beispiel Uterusfehlbildungen, entzündlich veränderte Eileiter, Eierstockzysten oder einen mangelnden Schleimhautaufbau. Zur Abklärung der Eileiterdurchgängigkeit kann im Rahmen einer Spezialuntersuchung bei vielen Gynäkolog:innen oder Kinderwunschzentren eine HYCOSY (Hysterokontrastsonografie) schmerzfrei durchgeführt werden.
Je nach Ergebnissen werden die ersten Schritte einer Behandlung eingeleitet, wie zum Beispiel ein Zyklusmonitoring oder eine leichte Stimulation der Eierstöcke bei dem/der Gynäkolog:in sowie eine Beratung des Mannes durch den/die Urolog:in. Sollten diese Maßnahmen mittelfristig nicht zum Erfolg führen, sollten betroffene Paare ein Kinderwunschzentrum aufsuchen, um dort die entsprechende Abklärung und Therapie fortzusetzen. Hier können verschiedene Behandlungen durchgeführt werden, von der Insemination bis zur künstlichen Befruchtung, Samen- und Eizellspende sowie Hodenpunktion. Die IVF (In-vitro-Fertilisation) wird in Österreich unter bestimmten Voraussetzungen durch den IVF-Fonds staatlich unterstützt.In Spezialambulanzen sowie bei niedergelassenen Gynäkolog:innen und Urolog:innen können, falls notwendig, operative Therapien der Kinderwunschursache bei Frau und Mann eingeleitet werden. Gleichzeitig fungieren sie als wesentliche Zuweiser an Kinderwunschinstitute.
Im Falle einer erfolgreich eingetretenen Schwangerschaft wird die weitere Schwangerschaftsbetreuung von niedergelassenen Fachärzt:innen fortgeführt, und die Patientin wird vom Kinderwunschinstitut zu ihrem/ihrer Gynäkolog:in zurücküberwiesen. Sollte die Kinderwunschbehandlung nicht zu einer Schwangerschaft geführt haben, wird oft eine psychologische Begleitung sowohl nach als auch während der Kinderwunschtherapie unterstützend in Anspruch genommen.