Eine frühe Beratung kann dabei helfen, die Schwangerschaft entsprechend zu planen und damit möglichen Risikokonstellationen vorzubeugen.
Im Folgenden soll ein Leitfaden für das strukturierte Erstgespräch mit Typ-1-Diabetes-Patientinnen vorgestellt werden. Als „Goldene Regel“ gilt: Patientinnen, die lange Zeit mit ihrer chronischen Erkrankung leben und konfrontiert sind, sind als Expertinnen für ihre Erkrankung zu betrachten und auch so zu behandeln.
Idealerweise erfolgt die Anamneseerhebung bereits vor dem Eintreten einer Schwangerschaft. Diese sollte neben der Erkrankungsdauer und der Erhebung biometrischer Daten der werdenden Mutter (Alter, Gewicht, Größe und Adipositas-Status) die Erfassung von Informationen über die Erstmanifestation der Grunderkrankung (stationäre Aufnahme im Rahmen der Diabetesmanifestation, Diabetesantikörper) und das Vorhandensein von diabetesassoziierten Sekundärkomplikationen (Nieren- und Augenstatus) sowie weiterer Erkrankungen und des allgemeinen Gesundheitszustands beinhalten. Dies hilft dabei, die Diabetesklassifikation zu reevaluieren, die Patientinnen über die empfohlene Gewichtszunahme im Rahmen der Schwangerschaft zu informieren und gegebenenfalls die Kobetreuung zusammen mit anderen Fachdisziplinen zu planen. Als wesentlicher Aspekt der Anamneseerhebung gilt es, festzustellen, ob die Patientin bereits Schwangerschaften hinter sich hat und somit Erfahrung im Umgang mit der Erkrankung im Schwangerschaftsverlauf sammeln konnte.
Im weiteren Verlauf geht es darum, festzustellen, ob die Patientin in der intensivierten Insulintherapie geschult ist. Das bedeutet, dass neben einem basalen (langwirksamen) Insulin jeweils vor den Haupt- und Zwischenmahlzeiten eine auf die Kohlenhydratzufuhr angepasste Dosis schnellwirkendes Insulin gespritzt wird. Diese Therapie ermöglicht den Patientinnen entsprechende Flexibilität im Umgang mit ihrer Ernährung, erfordert jedoch eine exakte Dokumentation der gemessenen Blutzuckerwerte, der Insulindosis sowie der zugeführten Kohlenhydratmengen. Daher soll das Vorhandensein der Protokolle (die analog oder digital geführt werden können) beim Erstbesuch evaluiert werden bzw. die Patientin dazu angeleitet werden, diese zu führen.
Weiters wird der aktuelle HbA1c-Wert erfasst, da dieser bei Schwangerschaftseintritt mit einer erhöhten Fehlbildungsrate sowie einem erhöhten Risiko für ein schlechtes perinatales Outcome assoziiert sein kann. Grundsätzlich wird ein HbA1c-Wert von < 6,5 % zu Beginn der Schwangerschaft und < 6,0 % im weiteren Verlauf angestrebt, sollte dieser nicht ohne Inkaufnahme verstärkter Hypoglykämien erreicht werden, kann auch ein Wert von bis zu 7,0 % toleriert werden.
Der HbA1c-Wert bildet grundsätzlich nur einen Durchschnitt der Blutzuckerwerte über die letzten zwei bis drei Monate ab. Eine genauere Evaluierung der glykämischen Lage ist mittels kontinuierlichem Glukosemonitoring (CGM) möglich. Für die Anwendung von CGM-Systemen konnten rezent Vorteile für das perinatale Outcome von Patientinnen mit Typ-1-Diabetes gezeigt werden. Die Anwendung von CGM bei anderen Diabetesformen wird derzeit im Rahmen klinischer Studien evaluiert. CGM-Systeme können bei Patientinnen mit Typ-1-Diabetes auch mit Insulinpumpen kombiniert werden; eine rezente Studie konnte eine signifikante Verbesserung der glykämischen Kontrolle (Zeit im Zielbereich von 63 bis 140 mg/dl) zeigen, wobei jedoch kein Effekt auf das maternale oder neonatale Schwangerschaftsoutcome nachgewiesen werden konnte. Der klinische Alltag zeigt jedoch, dass eine Insulinpumpentherapie individuelle Vorteile für Patientinnen bringen kann, wie zum Beispiel bei solchen mit starken Blutzuckerschwankungen und Hypoglykämie-Neigung. In jedem Fall wird auch Vorhandensein und Frequenz von Hypoglykämien abgefragt (Level 1: Blutzuckerwerte < 70 mg/dl; Level 2: < 54 mg/dl; Level 3: schwere kognitive Einschränkungen mit Notwendigkeit zur Fremdhilfe).
Die Feindiagnostik im Ultraschall (Erst- und Zweittrimesterscreening) ist ein essenzieller Bestandteil der Behandlung, um strukturelle Fehlbildungen frühzeitig zu erkennen oder aber auch das Risiko für Präeklampsie abzuschätzen. Wenn das Ersttrimesterscreening fehlt und/oder der HbA1c-Wert bei Konzeption über 6,5 % liegt, sollte eine zusätzliche feindiagnostische Untersuchung vor der 20. SSW erfolgen. Es ist bekannt, dass sich die Insulinsensitivität und damit der Insulinbedarf im Schwangerschaftsverlauf ändert und angepasst werden muss. Während in der Frühschwangerschaft häufig eine erhöhte Insulinsensitivität mit abnehmendem Insulinbedarf besteht und sich somit das Risiko für Hypoglykämien erhöht, nimmt die Insulinsensitivität ab der ca. 16. Schwangerschaftswoche kontinuierlich ab, was in einer Steigerung des Insulinbedarfs von etwa 5 % pro Woche resultiert. Besonderes Augenmerk sollte auf einen fallenden Insulinbedarf (> 15 % im Vergleich zum maximalen Insulinbedarf) in der 2. Schwangerschaftshälfte gelegt werden, da dies ein Zeichen für eine plazentare Dysfunktion mit assoziierten Komplikationen wie fetale Wachstumsretardierung, Präeklampsie oder vorzeitige Plazentalösung sein kann. Patientinnen sollten auch darüber aufgeklärt werden, dass während der Schwangerschaft das Empfinden für Hypoglykämie herabgesetzt sein kann.
Wenn möglich werden Nüchternglukosewerte unter 95 mg/dl und postprandiale Werte unter 140 mg/dl (eine Stunde nach den Mahlzeiten) bzw. unter 120 mg/dl (zwei Stunden nach den Mahlzeiten) empfohlen, soweit dies ohne signifikante Hypoglykämien erreicht werden kann. Sollte die Patientin ein CGM-System verwenden, sollten bei Patientinnen mit Typ-1-Diabetes mindestens 70 % der Werte zwischen 63 und 140 mg/dl liegen. Bei anderen Diabetesformen gelten andere Zielwerte während der Schwangerschaft.