Worauf es ankommt? Fast immer ist eine erfolgreiche Kommunikation in der Medizin die Basis für kurz-, mittel- oder langfristig ebenso erfolgreiches Management von Gesundheitsproblemen. „Ärzt:innen und Patient:innen gemeinsam zum Ziel – sprechen wir darüber“, lautete deshalb das Motto einer Podiumsdiskussion des Gesundheitspolitischen Forums im Haus der Ärzte in Wien-Alsergrund.
„Der Herbst hält Einzug. Die ersten Ausfälle wegen Erkrankungen gibt es schon. In dieser Woche sollen die an B.4 und B.5 angepassten Omikron-Impfstoffe vorhanden sein“, sagte der Leiter des Gesundheitspolitischen Forums, Dr. Jan Oliver Huber. Zu hoffen sei, dass die Kommunikationsaktivitäten der Bundesregierung nun endlich „wirklich“ greifen würden. „Kommunikation ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor“, hier hätte es bisher politisch deutliche Versäumnisse gegeben.
Freilich, die Veranstaltung selbst stand ganz im Zeichen der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa als den zwei hauptsächlichen Erkrankungsbildern. „Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind heute nicht heilbar, aber gut behandelbar. Das Ziel ist eine Remission und mehr Lebensqualität“, sagte Huber.
Der Weg dorthin ist allerdings für die Betroffenen oft von Beginn an lang und mühsam, wie Ing.in Evelyn Groß, Präsidentin der Österreichischen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (ÖMCCV) erklärte: „Normalerweise bedeutet krank zu sein, zur Ärztin oder zum Arzt zu gehen, ein Arzneimittel verschrieben zu bekommen – und dann wird wieder alles gut.“ Bei CED – in Österreich sind davon rund 80.000 Menschen betroffen – ist das anders. „Ich gehe mit Durchfällen und Müdigkeit zur Hausärztin oder zum Hausarzt. Wer kann da schnell die Diagnose stellen? Man geht wieder und wieder hin“, sagte Groß. Es dauert oft ein bis drei Jahre, bis die richtige Diagnose gestellt werde. Und schließlich bedeute diese Diagnose einer lebenslangen Erkrankung einen erheblichen Schock.
Die Betroffenen hätten gleichzeitig viele „Rucksäcke“ zu schultern. Das fange schon mit den vielen Ansprechpartner:innen im Gesundheitswesen an – Hausärzt:innen, Chirurg:innen, Rheumatolog:innen, Gastroenterolog:innen, Dermatolog:innen, Radio-log:innen und vielen mehr. Die ÖMCCV versuche hier als Initiative zur Selbsthilfe (gegründet 1984, mehr als 1.000 zahlende Mitglieder) auf mehrfacher Ebene aktiv zu sein. Das schließt auch Online-Aktivitäten wie den CED-Kompass mit ein: „Wir schauen oft nach außen nicht ‚auffällig‘ aus, wir tragen innen aber einen enorm großen Rucksack“, resümierte die ÖMCCV-Präsidentin.
Entscheidend in der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist das Finden von adäquaten Therapiezielen unter Berücksichtigung einer möglichst weitgehenden Reduktion der Krankheitsprozesse. „Bei den Therapiezielen müssen wir immer einen Mittelweg zwischen Unter- und Übertherapie finden“, sagte Priv.-Doz. Dr. Andreas Blesl (Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie an der Grazer Universitätsklinik).
Dies bedeute auch ein Ausrichten der Therapie auf bestmögliche kurz-, mittel- und langfristige Ergebnisse. Das gehe von einem schnellen und guten Ansprechen auf akute Symptome zur angestrebten symptomatischen Remission, einer weitgehenden Normalisierung entscheidender Laborparameter (z. B. Calprotectin-Konzentration im Stuhl) bis zur endoskopisch belegten Abheilung der Krankheitszeichen in den betroffenen Darmabschnitten. Aber, so der Experte: „Es gibt auch Fälle einer histologischen Aktivität trotz klinischer und endoskopischer Remission.“
Für die Patientinnen und Patienten seien oft etwas andere Ziele als für die behandelnden Gastroenterolog:innen entscheidend: vor allem symptomatische Remission, Verbesserung der Begleiterscheinungen und Normalisierung des Alltags. Hier komme es immer darauf an, mit den Patientinnen und Patienten eine gemeinsam verfolgte Strategie zu entwickeln. „Wir haben Sprechstunden von 15 bis 20 Minuten – und in einem einmaligen Gespräch funktioniert das auch nicht“, sagte Blesl.
Seit 2026 gibt es in Österreich CED-Nursing mit seit 2017 per Verordnung geregelter Spezialausbildung für diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal (nach §64 GuKG). „Die erste Weiterbildung zur CED-Nurse startete 2017. 2020/2021 begann der zweite Jahrgang. Im März 2023 wird der dritte Fortbildungszyklus beginnen“, sagte Rita Lindenthaler, Proponentin der CED-Nurse in Österreich. Mittlerweile haben sich schon knapp 50 CED-Nurses in Österreich ausbilden lassen. Es handelt sich um eine intensive Fortbildung mit insgesamt 162 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten inklusive beispielsweise 24 Stunden Praktikum in einer einschlägigen Einrichtung. Die CED-Nurses könnten im Verlauf der chronischen Erkrankung vor allem deshalb so wichtig für die Patientinnen und Patienten sein, weil sie über lange Zeiträume, häufiger und zumeist zeitlich weniger begrenzt als die Ärztinnen und Ärzte die Kranken auf vielfältige Weise betreuen könnten. An oberster Stelle stünden laut den registrierten Helpline-Anfragen Themenkomplexe wie Therapie-fragen, Impfungen, Krankheitsaktivität und Ansprechpartner:innen.
Immer ist im Bedarfsfall auch eine psychologische Unterstützung wichtig, betonte Mag.a Doris Wolf, Vorstandsmitglied im Berufsverband der Österreichischen PsychologInnen (BÖP): „Die Patientinnen und Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sind oft noch mehr belastet als andere Menschen mit chronischen Erkrankungen.“
„Zwei Drittel der Patientinnen und Patienten berichten über eine sehr hohe Krankheitslast. Im Kontakt zwischen Ärzt:innen und Patient:innen geht es darum, eine gemeinsame Sprache zu finden und Empathie zu vermitteln“, erklärte die Expertin. Viele Menschen mit CED-Erkrankungen litten unter Stress. Im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung leiden CED-Patient:innen dreimal so häufig unter Depressionen und zweimal häufiger unter Angststörungen.
„Wir können im ersten Schritt die Krankheitsakzeptanz fördern und professionelle psychosoziale Begleitung on Demand anbieten“, sagte Wolf. Stigma, Scham und andere psychische Begleiterscheinungen könnten ebenfalls angesprochen und aufgearbeitet werden. Auch die Sexualität sei immer ein Thema, besonders vulnerabel wären natürlich Pubertierende.
„Die Forschung pharmazeutischer Unternehmen hat die Aufgabe zu leisten, neue und innovative Medikamente zu liefern, die eine Heilung oder bei chronischen Erkrankungen eine Remission möglich machen. ‚Best-of-its-kind‘-Produkte für chronisch Kranke sollen eine schnelle und gleichzeitig langfristige Wirkung für mehr Lebensqualität entfalten“, erklärte schließlich Mag. Ingo Raimon, Geschäftsführer von AbbVie Austria.
Entscheidend sei die klinische Forschung, wenn es um Fortschritte in der Medizin gehe, so Raimon: „Klinische Studien sind der Motor für den Fortschritt – und das braucht Investitionen. Solche Investitionen stärken die Medizin in Österreich. Jeder investierte Euro bringt fast doppelt so viel an indirekter Wertschöpfung.“
Dazu benötige man in Österreich aber auch eine „Willkommenskultur“ für Forschung und innovative Produkte der Pharmaindustrie. „Es gibt noch Luft nach oben bei der Unterstützung klinischer Forschung“, betonte Raimon. Österreich befinde sich hier in einem immer stärker werdenden internationalen Konkurrenzkampf. Aber: „Klinische Forschung bringt Spitzenmedizin zu den Patient:innen.“