„Kommunikation ist sehr oft Therapie“

Sie forschen zu Gesundheitskommunikation – wie wichtig ist das Thema für Ärzt:innen?
Sara Rubinelli: Kommunikation ist Teil der Behandlung. Es ist ganz klar, dass die Art und Weise, wie Ärzt:innen sprechen, großen Einfluss darauf hat, wie Patient:innen es verstehen und sich darüber dann auch an das Gesagte halten. Das sieht man vor allem bei chronischen Krankheiten wie Diabetes, Rückenschmerzen oder wenn es um onkologische Erkrankungen geht, bei denen die Kommunikation so wichtig ist. Ärzt:innen müssen Patient:innen helfen, eine Situation zu verstehen, gerade bei Behandlungen, die nicht einfach anzunehmen und komplex sind, wie eine Chemotherapie. Wenn jemand mit der Chemotherapie beginnt, muss man über die Nebenwirkungen und alles aufgeklärt werden und zwar so, dass jemand und auch die Familie das verstehen. Auch die Art und Weise, wie eine Diagnose und auch dem umgebenden Bereich eine plötzliche schlechte Nachricht überbracht wird, ist keine einfache Sache. Dazu kommen viele – zum Teil schlechte – Informationen, die im Internet leicht zugänglich sind. Das Risiko ist groß, dass das Dinge sind, die mit dem, was die Ärzt:innen sagen, in Konkurrenz stehen. Das kann großen Schaden anrichten.

Wie hat sich Kommunikation verändert?
Die Beziehung zwischen Ärzt:innen und Patient:innen war vor Jahren noch sehr paternalistisch. Die Ärzt:innen brauchten sich nicht groß um Kommunikation zu bemühen, da die Patient:innen den Ärzt:innen vertrauten. Jetzt ist es komplizierter und problematischer. Möglicherweise haben Ärzt:innen noch den Eindruck, dass ihnen Patient:innen zuhören. In der Arztpraxis akzeptieren sie alles. Viele von ihnen nehmen aber gerne eine aktive Rolle ein, insbesondere weil sie am Ende des Tages entscheiden müssen, was sie tun möchten. Sie müssen also die Informationen auswerten und eine Entscheidung treffen. Und das kann eine Herausforderung sein, wenn es sich bei einigen Therapien um ein komplexes Gebiet handelt, das sehr schwierig zu übersetzen sein kann. Es gibt dann so viele andere Informationen im Internet, und alle können auf Wikipedia nachschauen und denken sich dann, dass sie mehr wissen, als sie tatsächlich wissen.

Welche Empfehlungen geben Sie Ärzt:innen für die Kommunikation?
Es geht darum, nicht nur einen Kommunikationsstil zu haben, sondern den Stil an den jeweiligen Menschen anzupassen. Man muss heute in gewisser Weise wirklich ein:e Kommunikationsexpert:in sein, denn man kann mit manchen Patient:innen sehr offen und direkt sein, weil sie das so wollen, aber andere können damit nicht umgehen. Ärzt:innen müssen also erkunden, welche Persönlichkeit jemand hat und in welcher Phase er oder sie sich befindet. Zum Beispiel sollte man nicht einfach schlechte Nachrichten überbringen, sondern man muss wissen, was jemand weiß und wie ich näher an diese Person herantreten kann, bevor ich etwas Schlechtes mitteile. Das Problem ist, dass die Informationszeit sehr kurz ist, um die Botschaft maßschneidern zu können.

Woran orientiert man sich aber dann tatsächlich?
Wenn man bedenkt, dass man bei ernsthaften lebensbedrohlichen oder chronischen Erkrankungen sehr vorsichtig sein muss, ist die Art der Kommunikation unterschiedlich, da man die Lebenserfahrung von Patient:innen berücksichtigen muss. Da geht es um den Gesundheitszustand, um die Kultur, um das Geschlecht, das Alter und wie jemand mit Technologien umgeht. Was macht jemand? Geht die Person viel online? Vielleicht in viele Online-Foren, um mit anderen Leuten zu chatten? All diese Aspekte machen einen Unterschied, wie jemand auf ärztliche Aussagen reagiert.