Kommunikationsstrategien bei Impfskeptikern

Impfskepsis wird von der Weltgesundheitsorganisation WHO als eine der zehn größten Gesundheitsbedrohungen angesehen. In Österreich wird der Anteil der Menschen, die Impfungen skeptisch und kritisch gegenüberstehen, auf 20–30 % geschätzt. Wissenschafter der Universität Erfurt und der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen haben ein Messinstrument entwickelt, mit dem mittels eines Fragebogens erfasst werden kann, warum sich eine Person für oder gegen Impfungen entscheidet. Es wurden dabei fünf wesentliche Gründe herausgearbeitet: Vertrauen in die Impfung, Risikowahrnehmung rund um die Erkrankungen, Barrieren in der Ausführung, Ausmaß der Informationssuche und Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft. Untersuchungen mit diesem Messinstrument haben beispielsweise bei der Masernimpfung gezeigt, dass nicht primär Impfgegner für zu geringe Impfraten verantwortlich sind, sondern eine übermäßige Informationssuche durch die Eltern oder erlebte Barrieren – etwa der Alltagsstress, der vom Impfen abhält.1

Keine Energie für Impfgegner vergeuden

Dr. Rudolf Schmitzberger, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, stellte am Österreichischen Impftag Kommunikationsstrategien vor, die mithelfen sollen, die Durchimpfungsraten allgemein wieder zu erhöhen. „Mit Impfgegnern zu diskutieren ist Zeitverschwendung“, meint der Leiter des Impfreferates der Österreichischen Ärztekammer. „Man wird nie einen richtigen Impfgegner überzeugen.“ Hingegen seien Information und Aufklärung bei Impfskeptikern notwendig und wichtig, denn diese Personen könne man überzeugen. Eine weitere Gruppe, auf die man zugehen solle, seien die Impfverzögerer. Diese führen Argumente an, wie zum Beispiel: „das ist Kind ist zu jung“ oder „das Kind ist zu klein“ – das heißt, hier werden Aspekte angeführt, die irrelevant sind. Schmitzberger spricht dabei von „falschen Kontraindikationen“, die man entkräften müsse. Er rät auch dazu, sich Hilfe für die Argumentation zu holen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Robert-Koch-Institut, dessen Kommunikationstools kurze griffige Argumente liefern und dabei sehr gut die Sprache der Patienten aufgreifen (mehr unter www.rki.de/impfeinwaende). Als unterstützende Basis in der Kommunikation sollte man auch den Österreichischen Impfplan nicht vergessen.

 

 

Bezüglich der Grippeimpfung wird oftmals die Befürchtung geäußert, dass man dadurch erst recht krank werde. Schmitzberger stellte ein Argument zur Entkräftung vor: „Lassen Sie Ihr iPhone aus einigen Metern auf den Boden fallen, und versuchen Sie danach, mit einem der Splitter zu telefonieren. Das wird nicht funktionieren. Gleiches gilt für den Influenza-Impfstoff. Die darin enthaltenen Spaltprodukte werden mit Sicherheit keine Influenza auslösen.“ Es sei also sehr wichtig, mit bildlichen Vergleichen zu arbeiten.

Wenig Vertrauen in Medien

Fake News sind weit verbreitet, wie Schmitzberger beim Impftag ausführte. Er verwies dabei auf eine Studie von MMag. Bernd Kerschner (Donau-Universität Krems). Darin wurde gezeigt, dass in 59,9 % der Medienbeiträge die Studienlage zu medizinischen Fragestellungen stark über- beziehungsweise untertrieben wird.2

Wie sehr eine Stimmung durch mediale Berichte kippen kann, zeigt eine Begebenheit aus Japan: Die HPV-Impfung war dort bis vor wenigen Jahren mit einer Durchimpfungsrate von 70 % (Stand 2013) gut verankert. Dann wurde von Impfgegnern gezielt lanciert, dass die Impfung neurologische Symptome verursache – ein klassisches Beispiel für Fake News. Der Effekt war enorm: Die Durchimpfungsrate sank auf rund 1 % und erholte sich seither nicht merklich.3

 

Die 3 Gruppen der Impfskeptiker

  • uninformierte oder falsch informierte Menschen
  • Skeptiker ohne Vertrauen in den Staat, in dem sie aufgewachsen sind: dies betrifft häufig Menschen aus den Ländern des Balkans
  • religiös motivierte Impfskeptiker: schwierige Gruppe

 

Fehlinformationen nicht wiederholen

Jede bloße Nennung eines Impfmythos würde in den Köpfen verankert bleiben, selbst wenn man diese widerlegt habe, erklärte Schmitzberger und wies auf eine interessante Studie hin, für die Eltern in zwei Gruppen geteilt wurden: Eine Gruppe erhielt eine neutrale Informationsbroschüre zum Thema Impfen mit ausführlichen Tipps. Die zweite Gruppe erhielt eine Broschüre, in der Impfmythen vorgestellt und auch widerlegt wurden. Die Teilnehmer mussten sowohl vor als auch nach dem Lesen der Broschüren Fragen zu ihrer Impf-Einstellung beantworten. Es zeigte sich, dass fast 50 % der Mythen-Leser skeptisch geworden waren, nach dem Motto „vielleicht ist ja doch etwas dran“. „Vermeiden Sie es, solche Mythen selbst anzusprechen“, so Schmitzbergers Empfehlung. Nur wenn Patienten darauf zu sprechen kommen, sollten Mythen entkräftet werden. Ein weiterer großer Appell: „Lassen Sie sich auch nicht das Etikett des Impfbefürworters verpassen. Ärzte sind keine Impfbefürworter, sondern Impfexperten! Als Experten behandeln wir State of the Art – und Impfen ist State of the Art.“

 

 

Erfolgsgeschichte Impfen – Zahlen und Fakten

Impfungen gehören zu den größten Erfolgen des Gesundheitssystems:

  • Weltweit werden pro Jahr 2–3 Mio. Menschenleben gerettet.
  • In diesem Jahrzehnt werden Prognosen zufolge weitere 25 Mio. Menschenleben gerettet werden.
  • Pro Jahr schützen Impfungen 2,7 Mio. Menschen vor Masern.
  • Jedes Jahr werden 2 Mio. Neugeborene vor Tetanus und 1 Mio. Neugeborene vor Pertussis geschützt.
  • Rund 2 Mio. Menschen werden jährlich in Europa dank der saisonalen Grippeimpfung gegen Influenza immunisiert.

Quelle: Europäische Kommission 2019: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_19_5538

 

Literatur:

1 Universität Erfurt 2018: Warum lassen sich Menschen (nicht) impfen? – Neues Messinstrument soll Antworten liefern.

2 Kerschner B, Wipplinger J, Klerings I, Gartlehner G (2015), Wie evidenzbasiert berichten Print- und Online-Medien in Österreich? Eine quantitative Analyse. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität, 4–5, 109. Jahrgang: 341–349

3 Medwatch.de: How Japan was taken by an anti-vax tsunami