Kopfschmerz mit bedrohlicher Ursache

Kopfschmerz ist eines der häufigsten Symptome und in den allermeisten Fällen auf Migräne, Spannungskopfschmerz oder eine harmlose Ursache zurückzuführen. Daher kann es eine Herausforderung darstellen, unter den vielen Patient:innen, die sich mit dem Leitsymptom Kopfschmerz vorstellen, jene zu identifizieren, deren Kopfschmerz auf eine potenziell bedrohliche Ursache zurückzuführen ist.

Klinische Begutachtung

Ein Algorithmus, der es erlauben soll, Patient:innen mit akut bedrohlichen Kopfschmerzen gezielt zu erfassen, ist auf der folgenden Seite dargestellt. Entscheidend ist stets das Gesamtbild aus Anamnese und klinischer Untersuchung. So ist es möglich, dass ein mäßig starker Kopfschmerz, der sich bereits vor Monaten erstmals manifestiert hat, mit einer lebensbedrohlichen Steigerung des intrakraniellen Drucks einhergeht oder ein perakuter Kopfschmerz mit heftigster Intensität, wie noch nie im Leben verspürt, letztlich als primärer Kopfschmerz klassifiziert wird.

Fallbeispiel 1

Die Patientin deren kraniale Computertomografie (cCT) in der Abbildung zu sehen ist, berichtete im Rahmen eines regulären Ersttermins in der Kopfschmerzambulanz über wenig bedrohlich imponierende migräneartige Kopfschmerzen seit 6 Monaten. Darüber hinaus hatte sie in den vergangenen Tagen Doppelbilder und beim Gehen eine Zugtendenz nach links bemerkt. Im neurologischen Status fand sich zudem eine Anisokorie. Die Patientin wurde aus der Ambulanz unmittelbar an die Intensivstation der Universitätsklinik für Neurochirurgie aufgenommen und erfolgreich operiert.

Fallbeispiel 2

Ein Patient berichtete über perakuten heftigsten Kopfschmerz – auch als „Donnerschlagkopfschmerz“ bezeichnet und üblicherweise mit einer Subarachnoidalblutung in Zusammenhang zu bringen – der während des Geschlechtsverkehrs auftrat. cCT, CT-Angiografie, Lumbalpunktion und kraniale Magnetresonanztomografie waren unauffällig. Letztlich wurde die Diagnose eines primären Kopfschmerzes bei sexueller Aktivität gestellt.
Es gilt zu beachten, dass sich sekundäre Kopfschmerzen phänomenologisch auch wie ein primärer Kopfschmerz (als Spannungskopfschmerz, als Migräne, aber zum Beispiel auch als Clusterkopfschmerz) manifestieren können.

Individuelle Diagnostik

Bei akuten Kopfschmerzen kommt der kranialen Computertomografie (cCT) aufgrund der rascheren Verfügbarkeit die wichtigste Rolle zu. Vaskuläre Prozesse mit dem Leitsymptom Kopfschmerz, wie die Dissektion einer hirnversorgenden Arterie oder eine Sinusvenenthrombose, können mittels CT-Angiografie oder cMRT und MR-Angiografie abgeklärt werden. Bei Verdacht auf eine Hirnstammläsion ist jedenfalls eine cMRT erforderlich. Bei Verdacht auf eine Meningeosis neoplastica ist die MRT- der CT-Untersuchung deutlich überlegen.
Die Elektroenzephalografie hat in der Abklärung akuter Kopfschmerzen sehr begrenzten Wert und ist nur dann zielführend, wenn

  • die Abgrenzung einer Migräne mit Aura gegenüber einem fokalen epileptischen Anfall erfolgen muss,
  • Kopfschmerzen mit einem epileptischen Anfall einhergegangen sind,
  • Hinweise auf das Vorliegen einer (Meningo-)Enzephalitis bestehen,
  • Kopfschmerzen im Zusammenhang mit Stoffwechselstörungen und/oder Intoxikationen auftreten oder
  • mit einer Wesensänderung oder einer kognitiven Beeinträchtigung assoziiert sind, deren Ursache auf anderem Wege nicht geklärt werden kann.

Tritt bei einer Person über dem 50. Lebensjahr erstmals ein Kopfschmerz auf, muss jedenfalls auch eine Arteriitis temporalis erwogen und ggf. unverzüglich eine Laboruntersuchung mit Bestimmung der Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit und des C-reaktiven Proteins durchgeführt werden. Eine Laboruntersuchung ist zudem bei Kopfschmerzen in Zusammenhang mit Stoffwechselerkrankungen sowie ätiologisch unklaren Kopfschmerzen erforderlich.
Die Indikation zur Lumbalpunktion ist gegeben, wenn der Verdacht auf eine entzündliche Erkrankung im Bereich des Zentralnervensystems oder eine Meningeosis neoplastica besteht oder die cCT-Untersuchung bei einem Donnerschlagkopfschmerz ein unauffälliges Ergebnis gezeigt hat.
Bei typischer Migräne oder typischem Spannungskopfschmerz ist eine weiterführende apparative Diagnostik üblicherweise nicht erforderlich, sofern die Kopfschmerzen, die zu einer akuten Konsultation geführt haben, innerhalb des Symptomspektrums liegen, das dem/der Patient:in gut bekannt ist. Bei einer Symptomänderung und Auftreten neuer oder für einen primären Kopfschmerz atypischer Symptome ist eine diagnostische Re-Evaluierung erforderlich.

Praxismemo
  1. Der dargestellte Algorithmus kann dazu beitragen, Patient:innen mit akut bedrohlichen Kopfschmerzen gezielt zu erfassen.
  2. Bei erstmaligem Kopfschmerz bei Patient:innen über 50 Jahre, ist an Arteriitis temporalis zu denken, und CRP und BSG sind zu bestimmen.
  3. Perakute heftigste Kopfschmerzen „wie noch nie“ sind mit einer Subarachnoidalblutung in Verbindung zu bringen.