Kreuzbandriss konservativ oder operativ behandeln?

Das Team des EbM-Informationszentrums fand zwei randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), die Ergebnisse nach zwei1, 2 und fünf Jahren3 berichteten. In den beiden Studien wurden insgesamt 288 Patient:innen mit einem Riss im vorderen Kreuzband untersucht. In der älteren Studie1 wurde bei etwa der Hälfte der Patient:innen (54 %) eine Semitendinosusplastik durchgeführt, in der neueren Studie (OPs zwischen 2011 und 2016)2 bei 94 %. Alternativ erfolgte in beiden Studien eine Patellarsehnenplastik. Alle Patient:innen aus beiden Studien nahmen an einem strukturierten Rehabilitationsprogramm teil. Verglichen wurde zwischen 147 Personen, die nach der Ruptur zeitnah am Kreuzband operiert wurden, und 141 Personen, die vorerst keine Operation erhielten. Bei 45 % (64 von 141) dieser Patient:innen erfolgte dann innerhalb von zwei Jahren ebenfalls eine Kreuzbandrekonstruktion.

Re-Rupturen

Aus der Meta-Analyse der RCTs geht hervor, dass Re-Rupturen innerhalb von zwei Jahren bei den früh operierten Personen häufiger waren als in der Gruppe, in der nur ein Teil der Patient:innen nach einer vorerst konservativen Therapie operiert wurde1, 2. Von den früh operierten Studienteilnehmer:innen waren in einem Zeitraum von zwei Jahren 5 % (7/147) von einer Re-Ruptur betroffen. In der Gruppe der Patient:innen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt optional operiert wurden, kam es bei 2 % (3/141) zu einer Re-Ruptur. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen war wegen der geringen Zahl an Re-Rupturen statistisch nicht signifikant (RR [Relatives Risiko]: 2,2; 95%-KI [Konfidenzintervall]: 0,6–8,5)1, 2.

Meniskusoperationen

Hinsichtlich Meniskusoperationen wurde im Beobachtungszeitraum von zwei Jahren zwischen zwei Studien unterschieden: In einem RCT1 wurden bei den früh operierten Personen innerhalb von zwei Jahren wesentlich weniger Meniskusoperationen durchgeführt als bei jenen Patient:innen, die zuerst konservativ behandelt und später optional operiert wurden (8 % [5 von 62] vs. 32 % [19 von 59]; RR: 0,3; 95%-KI: 0,1–0,6). Nach fünf Jahren war der Unterschied nicht mehr statistisch signifikant (48 % [29 von 61] vs. 54 % (32 von 59), RR: 0,9; 95%-KI: 0,6–1,3)3. In der anderen Studie2 wurden innerhalb von zwei Jahren insgesamt weniger Meniskusoperationen vorgenommen (5 % [4 von 85] vs. 4 % [3 von 82]). Der Unterschied zwischen den Untersuchungsgruppen war statistisch nicht signifikant (RR: 1,3; 95%-KI: 0,3–5,6).

Arthrose und Auswertungen zu KOOS

Eine der Arbeiten3 erhob zu Studienbeginn und nach fünf Jahren mittels Bildgebung, ob die Patient:innen von einer Arthrose betroffen waren. Während zu Studienbeginn bei den Teilnehmer:innen keine Arthrose vorhanden war, zeigte sich nach fünf Jahren bei 33 % (19 von 58) der früh operierten Personen eine tibiofemorale und/oder eine patellofemorale Arthrose. In der konservativ behandelten bzw. später optional operierten Gruppe trat bei 18 % (10 von 55) der Patient:innen eine Arthrose auf. Der Trend zur größeren Häufigkeit von Arthrose bei den primär Operierten war statistisch nicht signifikant (RR: 1,8; 95%-KI: 0,9–3,5).In beiden RCTs wurde KOOS (Knee Injury and Osteoarthritis Outcome Score) als Maß für mögliche Auswirkungen einer Arthrose verwendet. Dieser Score erhebt Beschwerden über die Domänen Schmerz, Symptome, Aktivitäten des täglichen Lebens, Sport und Lebensqualität. Die Skala umfasst die Werte von 0 (schlimmstmögliche Beschwerden) bis 100 (keine Beschwerden). Eine Studie fand nach zwei und nach fünf Jahren in keiner der fünf Domänen statistisch signifikante oder klinisch relevante Unterschiede zwischen den Angaben der beiden Patient:innen-gruppen1, 3. In der anderen Untersuchung2 zeigten sich in jeder Gruppe Verbesserungen in allen fünf Domänen, klinisch relevant waren die Unterschiede zwischen den Gruppen jedoch nicht (z. B. Verbesserung im Bereich Schmerz: früh Operierte: +31 Punkte, konservativ behandelte/optional später Operierte: +27 Punkte; Differenz: 4 Punkte zugunsten der früh Operierten).

Eingeschränkte Aussagekraft

Die Studienergebnisse gelten nur für junge und relativ fitte Personen. Die Teilnehmer:innen der Studien mussten zwischen 18 und 35 Jahre alt sein und ein moderates Aktivitätsniveau aufweisen. Diese Voraussetzungen erfüllten nur etwa ein Drittel (29 %) aller Patient:innen mit vorderem Kreuzbandriss4. Es gibt keine Ergebnisse zum Vergleich zwischen operierten und rein konservativ behandelten Patient:innen. Eine Studie machte in einer ergänzenden Beilage zwar Angaben zu den jeweiligen Ergebnissen bei früh operierten, später operierten und rein konservativ behandelten Personen1, 3. Da die Fallzahlen zu klein waren, lassen sich jedoch keine verlässlichen Aussagen zu den Unterschieden zwischen den Gruppen machen.