Im österreichischen Gesundheitswesen brodelt es – einige höchst explosive Themen warten auf weitere Bearbeitung. Fortführung der Gesundheitsreform, Primärversorgung, ELGA, Regulierung der Medikamentenpreise … leicht wird es nicht für die neue Bundesministerin für Gesundheit und Frauen. Systempartner und Stakeholder gibt es viele – Patientengruppierungen, Ärztekammer, Hauptverband, Länder, Pharmawirtschaft etc.
Aber Rendi-Wagner arbeitet schon lange – wenn auch in anderer Funktion – „im System“ und wird von vielen als äußerst kompetent, zuverlässig, strukturiert und sympathisch beschrieben. Sie hat sich schon öfters als Krisenmanagerin bewährt – in anderen Zusammenhängen (Fukushima, MERS, Vogelgrippe …).
Der Start ihrer Amtszeit verhieß allerdings nichts Gutes: Am Tag ihrer Angelobung verkündete die Niederösterreichische Ärztekammer, gemeinsam mit Wien und Kärnten im Juni ein Volksbegehren gegen das Primärversorgungsgesetz zu initiieren.
Dann vor Kurzem der „Krisengipfel“ der Wiener und der Österreichischen Ärztekammer gegen die geplanten Veränderungen in der Primärversorgung, vor allem gegen einige unklare Punkte im Referentenentwurf der Regierung zum geplanten „Bundesgesetz über die Primärversorgung in Primärversorgungseinheiten“. Für die Ärztevertreter gibt es aus ihrer Sicht nicht beantwortete Fragen: Welchen Einfluss sollen Ärzte in PVE haben? Welche Beteiligungsmöglichkeiten sind geplant? Wie sind die Zuständigkeiten bei Vertragsverhandlungen? Der Gesetzesentwurf sehe eine völlig unrealistische Reduktion der Einzelordinationen vor, lautet die Kritik. Es bestehe die Gefahr, dass ein auf diesem Entwurf beruhendes Gesetz den Gesamtvertrag durchlöchere und der Übernahme von PVE durch staatliche Institutionen, Kassen oder private Investoren Tür und Tor öffne.
Die Reaktion von Rendi-Wagner: „Es ist natürlich das Recht der Standesvertretungen, ihre Forderungen und Anliegen lautstark kundzutun. Ich gehe aber davon aus, dass wir mit der Ärztekammer konstruktive Gespräche führen werden können. So weit liegen die Positionen nicht auseinander. „Es geht darum, eine für die Patienten adäquate, effiziente, moderne medizinische Versorgung auf den Weg zu bringen und zeitgemäß weiterzuentwickeln.“ Generell müsse sich das System am Menschen orientieren und nicht umgekehrt. Primary Health Care solle einen effektiven niederschwelligen Zugang für Patienten bringen, betonte Rendi-Wagner, versicherte aber auch, dass die Zentren für Ärzte optimale Bedingungen bieten sollten. Bei den Ärzten müsse man auch die geänderten Vorstellungen der jungen Generation berücksichtigen. „Die jungen Kollegen wollen oft nicht in der Einzelpraxis sitzen, sie wollen mit anderen gemeinsam im Team arbeiten, auch multiprofessionell. Work-Life-Balance und Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind viel wichtiger als früher. Dem wollen wir in unseren Plänen entsprechen.“
Nächste Baustelle: die langen Wartezeiten auf z.B. MRT-Untersuchungen. „Jeder Patient, der eine dringende MRT-Untersuchung benötigt, muss sie auch bekommen. Wenn bei den Verhandlungen zwischen Sozialversicherung und Wirtschaftskammer nichts herauskommt, werde ich einen Gesetzesvorschlag vorlegen.“ Denn, so Rendi-Wagner, die langen Wartezeiten für wichtige Untersuchungen würden die Menschen am System zweifeln lassen, vor allem, wenn Privatversicherte schneller weiterkämen: „Das ist eine inakzeptable Schieflage.“
Des Weiteren ist ein Gesetz gegen teure Medikamente geplant. Konkret geht es darum, Preise für jene Medikamente zu regeln, die pro Packung mehr als 700 Euro kosten und nicht Teil des Erstattungskodex sind. Diese Medikamente sind bislang keiner Preisregelung unterworfen, was zu stark steigenden Kosten für die Sozialversicherung geführt hat. Die Preise für diese Medikamente sollen nun künftig dem EU-Durchschnittspreis entsprechen. Dies führte naturgemäß zum Widerstand der Pharmaindustrie.
Österreich hat bekanntermaßen ein sehr verflochtenes Gesundheitssystem, das unter anderem über 19 Krankenversicherungen verfügt. Im Jahr 2016 wurde vom österreichischen Sozialministerium bei der „London School of Economics“ eine Effizienzstudie für alle Sozialversicherungen, also auch Pensions- und Unfallkassen, in Auftrag gegeben. Bis Mitte des Jahres werden Ergebnisse erwartet – sollten eine Systemänderung im Sinne einer Vereinheitlichung der Leistungen oder strukturelle Anpassungen der Sozialversicherungsträger empfohlen werden, muss sich auch Rendi-Wagner einbringen.
Einer der Tätigkeitsschwerpunkte von Rendi-Wagner wird sicher Prävention sein – ein Thema, mit dem sie sich schon als Sektionschefin für öffentliche Gesundheit intensiv beschäftigt hat. Sie möchte sich für einen fairen Zugang zum Gesundheitssystem einsetzen. Lebenserwartung und Gesundheitszustand dürften nicht von Wohnort, Bildungsstand oder Arbeitsbedingungen abhängen. Und: Die Menschen sollen nicht nur länger leben, sondern auch länger gesund bleiben.
Dies sind nur einige der erwähnten Baustellen, die auf die bewährte Krisenmanagerin zukommen. Es wird also spannend und arbeitsintensiv für die neue Ministerin.