Mit der Patientenverfügung und dem Vorsorgedialog werden hohe Erwartungen für die Gestaltung der medizinischen Versorgung am Lebensende verknüpft. Zum Hintanhalten unerfüllbarer Erwartungen lohnt sich die Sicht auf das, was die Patientenverfügung nicht kann:
In den allermeisten Fällen ist es nicht vorhersehbar, wann die Sterbephase beginnt und welche medizinischen Bedürfnisse dabei auftreten. Diese stellen sich meist erst in der aktuellen Situation dar. In intensivem Austausch mit den Pflegenden bedarf es der wiederkehrenden ärztlichen Evaluation, um der Situation angepasste Maßnahmen zu setzen. Es wäre bedauerlich, wenn durch eine in Gesundheit formulierte Ablehnung von medizinischen Maßnahmen (vielleicht auch aus einer medizinkritischen Haltung) dem Menschen am Lebensende Hilfen vorenthalten würden, von denen er in der Bewältigung seines Leidens profitieren könnte. Die Patientenverfügung ist kein taugliches Mittel, um eine Aufnahme ins Krankenhaus in jedem Fall zu verhindern: Es lässt sich nicht vorplanen, wo und mit welchen Mitteln dem Sterbenden angemessen geholfen werden kann. In seltenen Fällen bedarf es spezialisierter Palliativversorgung in einem stationären Umfeld.
Die Patientenverfügung entbindet weder Ärzte noch Pflegende vom umfassenden Erwägen diagnostischer und therapeutischer Notwendigkeiten am Lebensende. Gerade Therapiebegrenzung bedarf achtsamer und präziser ärztlicher Expertise, ob und wie das Leiden zu mindern ist.
Spätestens bei Eintreten der Sterbephase ist es notwendig, für den Sterbenden und alle Menschen in seinem Umfeld die Unmittelbarkeit des nahenden Todes zu besprechen und zu dokumentieren:
Der DNR-Vermerk ist eine Empfehlung und keine Weisung! Die Voraussetzung für einen DNR-Vermerk ist gegeben:
In erster Linie:
In zweiter Linie:
Der DNR-Vermerk bedeutet ausschließlich einen geplanten Wiederbelebungsverzicht, alle andere Therapiemaßnahmen fallen nicht unter diesen Begriff. Der DNR-Vermerk erfolgt schriftlich durch den Arzt in der medizinischen Dokumentation durch einen einmalig ausführlichen Dekurs und eine Begründung des Vermerks (Diagnose, Prognose, Urteilsfähigkeit des Patienten, Aufklärungsgespräch). In Klinik erfolgt zusätzlich alle 24 Stunden ein DNR-Vermerk in der Fieberkurve mit Datum und Unterschrift und durch die mündliche Übergabe bei der Visite. Das Ziel ist, dass das behandelnde Team sofort Bescheid weiß und entsprechend reagieren kann.
Der einzelne Arzt ist allerdings an diesen Vermerk rechtlich nicht gebunden. Er kann jederzeit die Situation neu evaluieren und eine andere Entscheidung treffen. Der schriftliche DNR-Vermerk ist zudem jederzeit widerrufbar.
CPR versus AND (DNR) und Patientenverfügung bei geriatrischen Patienten – ethische Aspekte und Überlebensraten, vorgelegt von Frau Dr. med. univ. Melanie Reicher eingereicht bei dem Referat für Geriatrie der Österreichischen Ärztekammer, Österreichische Akademie der Ärzte in Zusammenarbeit mit der Medizin-Akademie, Graz, November 2010
Empfehlung der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt zur Terminologie medizinischer Entscheidungen am Lebensende vom 27. Juni 2011
Ethik und Recht der Reanimation: Wann muss man anfangen, wann soll man aufhören? Kletecka-Pulker M, Journal für Kardiologie – Austrian Journal of Cardiology 2014; 21(Supplementum A):5–8
Empfehlung für den Umgang mit dem geplanten Verzicht auf kardiopulmonale Wiederbelebung (DNR-Vermerk) am LKH Universitätsklinikum Graz, Version 6. 8. 2009, Ethikkomitee
Therapiezieländerungen auf Intensivstationen: Definitionen, Entscheidungsfindung und Dokumentation www.oegari.at/arbeitsgruppen/arge-ethik-in-anaesthesie-und-intensivmedizin/856