Niedriges HDL-Cholesterin und hohe Triglyzeride sind diagnostische Kriterien des metabolischen Syndroms.1
Das Syndrom ist pathophysiologisch durch Insulinresistenz charakterisiert. Insulinresistenz geht mit einem Anstieg freier Fettsäuren einher, was zu einer vermehrten Synthese von triglyzeridreichen VLDL-Partikeln in der Leber führt, die ins Blut abgegeben werden, was erhöhte Triglyzeridwerte bedingt. Über die Wirkung des Cholesterylester-Transferproteins (CETP) werden Triglyzeride aus den triglyzeridreichen VLDL-Partikeln gegen Cholesterin aus der cholesterinreichen LDL- und HDL-Partikeln ausgetauscht. Die so in LDL- und HDL-Partikel gelangten Triglyzeride werden über Lipasen hydrolysiert, es bleiben einerseits kleine atherogene LDL-Partikel, andererseits kleine HDL-Partikel zurück, die rascher abgebaut werden: Das HDL-Cholesterin sinkt. Hohe Triglyzeride, kleine dichte LDL-Partikel und niedriges HDL-Cholesterin sind damit die kennzeichnende Trias der Dyslipidämie bei Insulinresistenz und damit charakteristisch für das metabolische Syndrom und natürlich auch für Typ-2-Diabetes, hinter dem pathophysiologisch Insulinresistenz und eine für die Insulinresistenz inadäquate Insulinsekretion stehen.2
Klinisch ist das metabolische Syndrom als Risikofaktor sowohl für Typ-2-Diabetes 3 als auch für kardiovaskuläre Erkrankungen relevant.1, 4, 5 Dies gilt nicht nur für das Syndrom insgesamt, sondern auch und besonders für seine Lipidkomponenten.5, 6
Passend zu ihrer engen Assoziation mit Insulinresistenz sagen niedriges HDL-Cholesterin und erhöhte Triglyzeride das Auftreten eines Typ-2-Diabetes voraus.6 Diese Lipidauffälligkeiten sind auch starke Prädiktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen. In der Tat wird die prädiktive Kraft des metabolischen Syndroms für kardiovaskuläre Ereignisse von seinen Lipidkomponenten getragen.5 Dazu passend konnten wir auch zeigen, dass das niedrige HDL-Cholesterin beim metabolischen Syndrom für dessen Assoziation mit dem Entzündungsmarker CRP hauptverantwortlich ist.7
Auch jenseits der klinischen Entität des metabolischen Syndroms sind niedriges HDL-Cholesterin, hohe Triglyzeride und kleine dichte LDL-Partikel starke Prädiktoren für kardiovaskuläre Ereignisse. In epidemiologischen Studien sind niedriges HDL-Cholesterin und kleine dichte LDL-Partikel oft bessere Prädiktoren für das kardiovaskuläre Risiko als erhöhte Triglyzeride, weil sie weniger schwanken und deshalb in statistischen Modellen stärkere prädiktive Kraft haben. Da hinter diesen Lipidauffälligkeiten die Insulinresistenz als gemeinsame Ursache steht und sie eng miteinander korrelieren, sollten sie aber primär zusammen betrachtet werden. Wir konnten bei Koronarpatient:innen mit Diabetes8 und im Besonderen auch bei mit Statinen behandelten Koronarpatient:innen9 zeigen, dass der Lipidcluster aus hohen Triglyzeriden, niedrigem HDL-Cholesterin und kleinen dichten LDL-Partikeln ein besserer Prädiktor für vaskuläre Ereignisse als das LDL-Cholesterin ist.
Die Bestimmung des Durchmessersvon LDL-Cholesterin-Partikeln ist technisch aufwendig. Goldstandard ist die Ultrazentrifugation, die für die klinische Routine nicht geeignet ist. Auch die Gradienten-Gelelektrophorese ist sehr aufwendig und nicht für die klinische Routine geeignet. Jedes LDL-Partikel enthält aber genau ein Apolipoprotein-B-(ApoB-)Molekül. Deshalb ist die LDL-Cholesterin/ApoB-Ratio ein guter Näherungswert für die Größe eines LDL-Partikels. Eine niedrige LDL-Cholesterin-ApoB-Ratio spiegelt kleinere atherogenere LDL-Partikel wider. Kürzlich konnten wir zeigen, dass die LDL-Cholesterin-ApoB-Ratio bei Patient:innen mit etablierter Atherosklerose einen herausragenden Risikofaktor für kardiovaskuläre Ereignisse darstellt.10
Mit der Dyslipidämie der Insulinresistenz, also mit hohen Triglyzeriden, niedrigem HDL-Cholesterin, kleinen dichten LDL-Partikeln als starkem Prädiktor für kardiovaskuläre Ereignisse ist es naheliegend, zu versuchen, über eine Beeinflussung dieser Dyslipidämie das kardiovaskuläre Ereignisrisiko zu reduzieren.
Leider sind die in diese Richtung gehenden Bemühungen weitgehend erfolglos geblieben. HDL-Cholesterin-steigernde Interventionen, im Besonderen eine Therapie mit Nikotinsäure11 und weitgehend auch CETP-Inhibitoren12, konnten das kardiovaskuläre Ereignisrisiko nicht reduzieren. Die Sache ist beim HDL-Cholesterin also nicht ganz so einfach. Wenngleich niedriges HDL-Cholesterin ein starker Prädiktor für kardiovaskuläre Ereignisse ist und HDL-Partikel eine Rolle in der Pathophysiologie der Atherosklerose spielen, reicht eine bloße Steigerung des HDL-Cholesterins offensichtlich nicht für eine Reduktion des kardiovaskulären Risikos. Es müsste die Funktionalität der HDL-Partikel günstig beeinflusst werden, dafür sind derzeit aber keine medikamentösen Interventionen etabliert. Niedriges HDL-Cholesterin per se ist nur Marker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, das zumindest teilweise durch Insulinresistenz mediiert wird, nicht aber kausaler Risikofaktor für die Entstehung von Atherosklerose.
Frühe Studien mit triglyzeridsenkenden Fibraten haben in der Prästatin-Ära eine Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen gezeigt. Bei statinbehandelten Patient:innen konnten große Interventionsstudien aber insgesamt keinen Vorteil einer Behandlung mit Fibraten demonstrieren. In der Subgruppe von Patient:innen mit hohen Triglyzeriden und niedrigem HDL-Cholesterin schien allerdings in diesen Studien ein kardiovaskulärer Vorteil durch die Fibrattherapie zu bestehen. Diese spezifische Patientengruppe wurde rezent in der PROMINENT-Studie13 adressiert. Die Studie verlief leider nicht erfolgreich. Auch bei Patient:innen mit hohen Triglyzeriden und niedrigem HDL-Cholesterin konnte Pemafibrat kardiovaskuläre Ereignisse nicht reduzieren. Für den Einsatz von Fibraten zur kardiovaskulären Risikoreduktion besteht deshalb keine überzeugende Evidenz.
Obwohl das LDL-Cholesterin in epidemiologischen Studien ein schlechterer Prädiktor für kardiovaskuläre Ereignisse bei Hochrisikopatient:innen ist als der Cluster der Dyslipidämie bei Insulinresistenz, also hohen Triglyzeriden, niedrigem HDL-Cholesterin und kleinen dichten LDL-Partikeln, ist die Senkung des LDL-Cholesterins Basis der modernen Lipidtherapie insgesamt – und besonders bei Patient:innen mit metabolischem Syndrom.14
Es besteht kein Zweifel darüber, dass LDL-Cholesterin kausal für atherosklerotische Ereignisse verantwortlich ist. Deshalb übersetzt sich eine Senkung des LDL-Cholesterins auch in eine Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen. Aufgrund ihres höheren absoluten Risikos profitieren Patient:innen mit metabolischem Syndrom besonders von einer konsequenten lipidsenkenden Therapie. Eine konsequente Senkung des LDL-Cholesterins bei Hochrisikopatient:innen mit metabolischem Syndrom ist deshalb die entscheidende Maßnahme zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos bei diesen Patient:innen.